Mittwoch, 1. April 2015

[Rezension] Bradley Somer - Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel

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Titel: Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel
Autor: Bradley Somer
Übersetzerin: Annete Hahn
Erscheinungdatum: 12.03.2015
Verlag: Dumont Verlag 
rezensierte Buchausgabe: Klappbroschur
Handlungort: ein 27stöckiges Gebäude in irgendeiner großen Stadt
Handlungzeit: Gegenwart



In seinem Buch „Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel“ lässt Bradley Somer den Goldfisch Ian sich kopfüber aus seinem Glas vom Balkon in die Freiheit stürzen. Doch nicht er steht im Zentrum des Interesses, sondern das „Seville on Roxy“, ein Gebäude in irgendeiner großen Stadt  mit 162 Wohneinheiten auf insgesamt 27 Etagen. Hieraus kann der Leser geflissentlich schließen, dass Ian mit seinem Besitzer Connor auf der obersten Etage wohnt, bevor er aus dem Goldfischglas entkommt. Die Farbgestaltung des Buchs in kräftigen kontrastierenden Tönen zieht den Blick des Betrachters auf sich. Während auf der Vorderseite Ian in Großaufnahme bei seinem Sturzflug zu sehen ist, findet sich auf der Rückseite der obere Teil eines Hauses, der dem Leser Einblick in Szenen gibt, wie sie auch im Buch zu finden sind und wie Ian sie im Vorbeifliegen Richtung Erde vielleicht gesehen hat.


Das „Seville on Roxy“ bildet den Rahmen für die Geschichten des Buchs, die in parallel ablaufen. In diesem Gebäude finden die Begegnungen der Personen statt, von denen der Autor in seinem Roman erzählt. Hier begegnet der Leser auf engem Raum Liebe und Hass, Angst, Hoffnung, Leben und Tod. Bradley Somer schildert einen zeitlichen Ablauf von ungefähr einer halben Stunde. 


Noch bevor der Goldfisch seine Reise in die Tiefe antritt, steht die junge Katie vor dem Haus mit dem Entschluss ihren Freund Connor zu besuchen, weil sie von ihm erfahren möchte, ob er sie genauso liebt wie sie ihn. Und so beginnt der Lauf der Handlungen. Gleich in der Eingangshalle beim Aufzug trifft Katie auf den Hausmeister Jimenez, der gerade einen der zwei Lifte repariert, die beide defekt sind. Er lebt allein und verrichtet gerne seine Arbeit, weil er sich dann nützlich vorkommt. In der erzählten halben Stunde lernt er Garth kennen und beide treten aus ihrem eigenen Schatten. Petunia verlebt in dieser halben Stunde eine schlimme Zeit, denn sie ist schwanger und hat unerwartet heftige Wehen. Ihr Freund ist nicht zu erreichen, die Hebamme ebenfalls nicht. Sie verlässt ihr Apartment, um Hilfe zu suchen. Ferner begegnet der Leser in den Geschichten noch der leichtlebigen Faye, der Sauberkeitsfanatikerin Claire und dem Jungen Herman, der zu Hause von seinem Opa unterrichtet wird außer dem er keine Familie mehr hat. 


Begegnen sich zwei Personen in der Erzählung, wird die Szene in verschiedenen Kapiteln aus beiden Sichten beschrieben. Dazu wechselt jeweils die Perspektive und der Autor geht in der Zeit kurz zurück, um die Sequenz erneut zu beschreiben. Er schildert die Geschehnisse als allwissender Erzähler mit manchen Rückblicken, erlaubt sich aber auch einige Ausblicke auf die Zukunft. Die fünf- bis sechsseitigen Kapitel enden häufig mit einem Cliffhanger, so dass von Beginn an Spannung aufkommt. Ich wollte wissen, was im Päckchen ist, dass Garth mit sich heimbringt. Ich wollte wissen, ob es Connor vor Katies Eintreffen schafft, seine Wohnung rechtzeitig in Ordnung zu bringen und ich wollte ebenso wissen, ob Petunia Hilfe bei der Geburt ihres Babys findet. Dadurch flogen die Seiten nur so dahin. 


Auch durch das Aufeinandertreffen der verschiedenen Charaktere, von denen die zweite Figur eventuell noch unbekannt ist, werfen sich aus der Situation heraus Fragen nach dem Fortgang der Erzählung auf, die nur durch Weiterlesen geklärt werden können. Zwischendurch wechselt der Schauplatz auch immer mal wieder vom Innern des Hauses auf den außen vorbeistürzenden, nur kurzfristig denken könnenden Ian. Mit ihm gemeinsam nimmt der Leser Momentaufnahmen durch die Fensterscheiben wahr und schaudert beim Gedanken an das unvermeidliche Ende von Ian beim Eintreffen am Boden. Doch hier wird es eine große Überraschung geben.


Die Zeit der halben Stunde reicht nicht aus, um die Personen näher besser kennenzulernen, aber um einen kleinen Einblick in ihre Gedankenwelt zu erhalten und unterschiedliche Wahrnehmungen einzelner Situationen zu bekommen. Im „Seville on Roxy“ sind viele Schicksale auf kleinem Wohnraum vereint. Und nur wer den Mut hat, über den Tellerrand seines eigenen Lebens zu schauen, wird sein eigenes Leben mit neuen Erfahrungen bereichern können. Dieses Buch ist ein bunter Strauß Geschichten und ein wirklicher Lesegenuss.   

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