Sonntag, 29. April 2018

[Rezension Ingrid] Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt von Peter Stamm


Christoph ist Schriftsteller und hat einen einzigen Roman mit viel Herzblut geschrieben, in dem er die Trennung von seiner Freundin Magdalena thematisiert hat. 15 Jahre später trifft er Lena, die wie seine frühere Freundin Schauspielerin ist. Er schreibt ihr eine Nachricht mit der Bitte um ein Treffen, denn er hat ihr eine Geschichte zu erzählen. Darauf geht sie ein. Während ihrer Zusammenkunft erzählt er Lena sein Leben, in dem sie Ähnlichkeiten zu dem ihres Freunds Chris erkennt, der ebenfalls Schriftsteller ist und an einem Roman arbeitet.

Im Buch „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“ gibt es viele Parallelen zwischen dem Leben unterschiedlicher Personen, die sich ähnlich sehen aber vom Alter her verschieden sind. Den Faden durch den Roman bildet die Geschichte von Christoph, die er Lena erzählt. Auf seinem Lebensweg ist der Protagonist durch Zufall immer wieder jüngeren Versionen seiner selbst begegnet. Dabei sind durchaus Abweichungen in bestimmten Aspekten möglich, aber dennoch so, dass er sich wieder erkennt. Auch einem älteren Mann ist Christoph schon begegnet von dem er sich auf seltsame Weise angesprochen gefühlt hat.

Ich bin Erstleser von Peter Stamm, aber von Beginn an fasziniert über die Aussagefähigkeit seiner reduzierten Sprache. Mit bewusstem, konzentriertem Lesen bin ich der Handlung gefolgt. Wie in einem Vexierbild schafft der Autor Realitäten, die nur schwer zu durchschauen sind. Es entsteht ein spannendes Spiel mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ein Verwirrspiel mit der Identität von Personen.

Der Autor brachte mich ins Grübeln darüber, ob es ein Schicksal gibt, das den Lebensweg vorherbestimmt und ob man es ändern würde, wenn man die Konsequenzen seiner Handlungen kennt. Möchte ich überhaupt die Zukunft kennen? Möchte ich nicht das Recht haben, meine Fehler zu machen? Bin ich verantwortlich für das Scheitern einer anderen Person, wenn ich in deren Leben korrigierend eingreife?

„Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“ ist kein einfach zu lesenden Buch, aber ein Roman, den es zu lesen lohn. Peter Stamm schafft es mit klaren Worten den Leser darauf hinzuweisen, dass wir Menschen nur ein Rädchen im Getriebe des Lebens sind und Verantwortung für unser Tun im Hier und Jetzt haben. Gerne gebe ich hierzu meine Leseempfehlung.

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Titel: Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt
Autor: Peter Stamm
Erscheinungsdatum: 22.02.2018
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag

Freitag, 27. April 2018

[Rezension Hanna] Die Beschwörung des Lichts - V.E. Schwab





Im Weißen London ist der Dämon Osaron in Hollands Körper erstarkt und will seine Macht nun ausweiten. Dazu zieht es ihn ins Rote London, das nach dem Ende des „Essen Tasch“ noch in Feierlaune ist. Unterdessen ringt Kell mit dem Leben mit den entsprechenden Konsequenzen für Rhy. Kann Lila rechtzeitig zur Rettung eilen? Und wer kann den mächtigen Osaron noch aufhalten?

Nachdem im zweiten Band der Trilogie das magische Turnier „Essen Tasch“ im Mittelpunkt stand, war ich nun gespannt, wie sich der Kampf gegen Osaron gestalten wird. Der zweite Teil endere mit einem Cliffhanger, sodass es in diesem Band gleich temporeich losgeht. Kell steckt im Weißen London in arger Bedrängnis und schon bald kommt es zu den ersten Kämpfen auf Leben und Tod.

Die Geschichte lässt dem Leser erst mal keine Zeit zum Verschnaufen – die Handelnden und die Bedrohung sind bekannt und es wird fieberhaft nach einem Weg gesucht, den Dämon aufzuhalten. Dieser wütet unkontrolliert im Roten London, es geht also um das Schicksal der ganzen Stadt. Deshalb setzten die unterschiedlichen Charaktere auch nicht alles auf eine Karte, sondern beginnen mit der Vorbereitung verschiedener Ansätze. Wird einer davon erfolgreich sein?

Nicht jede Idee lässt sich sofort umsetzen, und wird die Handlung im Mittelteil schließlich doch etwas ruhiger und erzählt neben den Geschehnissen im Roten London auch von einer wichtigen Reise, auf die sich einige Charaktere begeben. In dieser Zeit erhält man noch mal einige Einblicke ins Innenleben der Beteiligten und wie sich ihre Haltung zueinander verändert hat. Dabei erfährt man allerdings nicht mehr so viel Neues. Am interessantesten fand ich die Einblicke in die Geschichte von Alucard, über den ich bis dato noch vergleichsweise wenig wusste. Für so manche Überraschung ist schließlich noch Holland gut, worüber ich aber nicht mehr verraten möchte.

Die Situation spitzt sich nach dem Mittelteil, den man noch etwas hätte straffen können, schließlich immer weiter zu. Es gibt eine weitere Gefahr aus einer ungeahnten Richtung, auf die zusätzlich reagiert werden muss. Die Interaktion zwischen den verschiedenen London ist dabei leider nicht so groß, wie ich es mir gewünscht hätte. Es spielt sich fast alles im Roten London ab. Das Ausmaß der Bedrohung von diesem nimmt immer weiter zu, sodass klar wird, dass nicht jeder glimpflich davon kommen wird. So kommt es zu weiteren Kämpfen und auch einigen traurigen Szenen. Für alle Action-Fans bietet dieses Buch aber vor allem viele unterhaltsame Szenen.

In „Die Beschwörung des Lichts“ steht die Zukunft des Roten Londons auf dem Spiel, denn ein mächtiger Dämon wütet in der Stadt und scheint nicht unter Kontrolle gebracht werden zu können. Die Charaktere suchen gleichzeitig nach verschiedenen Lösungen und die Frotzeleien unter ihnen sind amüsant. Ich hätte ich mir noch mehr Überraschungen im Handlungsverlauf und Interaktionen zwischen den verschiedenen London gewünscht. Für alle Fantasy-Fans bietet das Buch einen gelungenen Trilogie-Abschluss voller Action und Magie!

 

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Die Beschwörung des Lichts
Autorin: V.E. Schwab
Übersetzerin: Petra Huber
Taschenbuch: 720 Seiten
Erschienen am 27. April 2018
Verlag: FISCHER Tor

Die Reihe


Weltenwanderer-Trilogie

Band 1: Vier Farben der Magie (Rezension)
Band 2: Die Verzauberung der Schatten (Rezension)
Band 3: Die Beschwörung des Lichts

Donnerstag, 26. April 2018

[Rezension Ingrid] Kleine Feuer überall von Celeste Ng



Der Roman „Kleine Feuer überall“ von Celeste Ng spielt in Shaker Heights, einem Vorort von Cleveland in Ohio/USA am Eriesee. Der Anfang des letzten Jahrhunderts am Reißbrett geplante Ort wird von meist gutsituierten Familien bewohnt, die sich an eine Menge ortsinterner festen Regeln zu halten haben. Das im unteren Drittel des Covers abgebildete Haus steht beispielhaft für die Art des Gebäudes, das die Familie Richardson besitzt, die im Mittelpunkt der Geschichte steht. Die Erzählung beginnt im Jahr 1998 als Elena, die Mutter der Familie, fassungslos vor ihrem brennenden Haus steht. Wie sich später herausstellt, waren kleine Feuer in verschiedenen Zimmern der Auslöser des Brands. Im Rückblick erzählt die Autorin die Geschehnisse der vergangenen Monate, die schließlich in dem Desaster enden.

Elena ist Journalistin und Mutter von vier Kindern in jugendlichem Alter. Lexie ist die Älteste, gefolgt von Trip, Moody ist 15 Jahre alt und Izzy ist nur ein Jahr jünger. Gemeinsam mit ihrem Mann, einem Rechtsanwalt, lebt Elena seit Jahren in Shaker Heights und besitzt neben dem Wohnhaus der Familie noch ein weiteres Mietshaus mit mehreren Wohnungen. Ein Jahr vor dem Brand mietet dort die Künstlerin Mia mit ihrer Tochter Pearl, die so alt ist wie Moody, eine obere Etage. Die beiden sind seit der Geburt von Pearl von Ort zu Ort gezogen und immer nur so lange geblieben, wie ein Fotoprojekt von Mia dauerte. Jetzt aber hat sie ihrer Tochter versprochen zu bleiben. Zu den Jobs mit denen sie sich den Lebensunterhalt sichert gehört auch eine Stelle als Aushilfe im Haushalt der Richardsons. Pearl wird dort schnell zu einem gern gesehenen Gast, während die kreative Izzy von den Arbeiten Mias begeistert ist. Schnell beginnt Elena zu begreifen, wer das Feuer gelegt haben könnte.

Bereits nach den Seiten des kurzen ersten Kapitels entwickelt sich eine unterschwellige Spannung die sich durch den ganzen Roman zieht durch die Überlegung, wer für den Brand verantwortlich ist. Zunächst nimmt Celeste Ng den Leser mit in den Sommer des Vorjahrs und macht ihn mit dem Familienleben der Richardsons vertraut. Schon sehr bald fühlte ich mich mit der Familie verbunden, nur Izzy ist zunächst weniger präsent ist als die übrigen Familienmitgliedern. Die Autorin wohnte in dem Zeitraum, den sie beschreibt, selbst in Shaker Heights. Daher wirkt die Beschreibung der Umgebung und das Miteinander der Bewohner sehr authentisch.

Celeste Ng holt den Leser sehr nahe ran an die Gefühlswelt ihrer Figuren und arbeitet sie bis in kleine Nuancen hin aus. Dazu blickt sie häufiger in die Vergangenheit ihrer Charaktere. Immer wieder sind es die Mütter und ihre Beziehung zu ihren Kindern, die sie in den Mittelpunkt stellt. So ganz nebenbei entwickelt sich eine Geschichte, die im Sinne des Titels aus kleinen Feuern einen Brand verursacht und auch mich als Leserin nicht los ließ. Über allem steht die Frage danach, wem ein Kind zugehörig ist. Ohne zu moralisieren entwickelt die Autorin Argumente für und wider unterschiedlicher Lösungen. Mehrmals konnte sie mich mit neuen Wendungen in der Erzählung überraschen.

„Kleine Feuer überall“ ist eine bewegende und vielschichtige Geschichte über Selbstfindung, Migration, Stigmatisierung und die Art und Weise zu leben. Mich hat der Roman immer mehr in seinen Sog gezogen. Daher empfehle ich ihn gerne uneingeschränkt weiter.

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Titel: Kleine Feuer überall
Autorin: Celeste Ng
Übersetzerin: Brigitte Jakobeit
Erscheinungsdatum: 20.04.2018
rezensierte Buchausgabe: Leseexemplar

Mittwoch, 25. April 2018

[Rezension Ingrid] Verkaufe Brautkleid, ungetragen von Hannah Winkler


Im Buch „Verkaufe Brautkleid, ungetragen“ versammelt Hannah Winkler wahre Geschichten über den Traum vieler Frauen, sich in einem opulenten Brautkleid trauen zu lassen. Auf der Suche nach einem Kleid für ihren eigenen Hochzeitstag ist sie im Internet auf viele Verkaufsanzeigen gestoßen, in denen ein Brautkleid inseriert wird, das noch nicht für den vorgesehenen Anlass getragen wurde. Sie hat etwa 2.000 Verkäuferinnen kontaktiert, etwa hundert Frauen haben ihr daraufhin erzählt, warum sie ihr oftmals schon lange vor dem Termin der Hochzeit gekauftes Kleid nicht am Trautag angezogen haben. Doch damit verbunden sind nicht nur Enttäuschungen, sondern auch überraschende Gründe.

Neben den sehr bewegenden Erzählungen der Frauen schildert Hannah Winkler in ihrem Buch aber auch einen kurzen Abriss der Geschichte des Brautkleids und die Phasen der Planung bis hin zum Kauf. Außerdem beschäftigt sie sich ausführlich damit, warum so viele Frauen davon träumen am Tag ihrer Trauung ein berauschenden, wunderschönes Kleid anzuziehen, das sie nur einmal im Leben tragen werden. 

Ihre Schilderung ist chronologisch aufgebaut entlang der Suche nach einem Kleid für ihren eigenen Hochzeitstag. In einigen Kapiteln verwebt sie mehrere ähnliche Geschichten miteinander. Sie nennt nicht nur die Gründe für den Verkauf ungetragenen Kleider, sondern setzt sich auch mit den Anlässen auseinander. Begleitet werden die Erzählungen der Frauen mit Skizzierungen von Frauke Thiemig des zu verkaufenden Kleids, so konnte ich mir neben der Beschreibung noch besser eine Vorstellung davon machen.

„Verkaufe Brautkleid, ungetragen“ ist mehr als eine Sammlung von Geschichten, deren Gemeinsamkeit ist, dass sie in ihrer Offenheit und Ehrlichkeit betroffen machen. Aber Hannah Winkler lässt auch Platz für die Hoffnung, dass die Verkäuferinnen der ungetragenen Brautkleider sich ihren Traum doch noch erfüllen können, wenn vielleicht auch auf andere Weise. Gerne gebe ich diesem bewegenden und berührenden Buch eine Empfehlung vor allem an weibliche Leser.

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Titel: Verkaufe Brautkleid, ungetragen
Autorin: Hannah Winkler
Erscheinungsdatum: 25.04.2018
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch

[Rezension Ingrid] Die Lichter unter uns von Verena Carl


Zwar strahlt das Cover des Romans „Die Lichter unter uns“ von Verena Carl durch den sonnengelben Grundton des Schutzumschlags eine gewisse sommerliche Leichtigkeit aus, doch die Autorin schlägt nachdenkliche Klänge in ihrer Geschichte an. Vom Balkon schaut eine Frau auf dem Cover des Buchs auf die Weite des Meeres und hängt ihren Gedanken nach. „Die Lichter unter uns“ sind für sie die Lichter zwischen ihrer jetzigen Ferienwohnung und dem Strandhotel ihrer Hochzeitsreise. Sie sind leuchtende Punkte, die die Anwesenheit von Menschen repräsentieren und damit eine Vielzahl von Lebenswegen auf die man neidisch oder bedauernd blicken kann.

Anna ist 43 Jahre alt und verbringt Ende Oktober ihren 14-tägigen Urlaub mit ihrem Mann Jo und den beiden Kindern in Taormina auf Sizilien. Dort haben sie ihre Hochzeitsreise in einem Hotel am Strand verbracht, aber inzwischen kann die Familie sich nur noch eine Ferienwohnung am Steilhang des Ortes leisten. Die 10-jährige Tochter ist Farb-Synästhetikerin, in der Entwicklung vom Kind zur Frau, sensibel und fordert daher die besondere Aufmerksamkeit ihrer Eltern, die aber den sechsjährigen Bruder nicht zu kurz kommen lassen wollen. Am Ende der ersten Ferienwoche benötigt Anna eine kurze Auszeit und setzt sich abends allein in ein Café auf einen Drink. Dabei beobachtet sie eine Gruppe von drei Personen am Nebentisch. Das Bild des älteren der beiden Männer, den sie später als Alexander kennenlernt, etwa 50 Jahre alt, brennt sich in ihr Gedächtnis ein und bringt sie zum Grübeln über ihr Leben und die von ihr verpasste Chance, so vermeintlich glücklich zu leben wie er.

Die Autorin führt dem Leser Schein und Sein einer Person vor Augen. Sie wechselt in der Form der allwissenden Erzählerin die Perspektiven, so dass ich neben Anna auch mehr von und über Jo und der Gruppe im Café erfahren konnte. Während Anna sich ein mondänes Leben an der Seite des weltgewandt erscheinenden Alexanders ausmalt, erfuhr ich in den Kapiteln, die ihn in den Fokus setzen, mehr über sein tatsächliches Wirken zwischen Arbeit, Erwartungen an den erwachsenen Sohn, neuer Ehefrau und einer verdrängten Diagnose.

Anna hadert mit sich und ihrer Welt. Ihre Rolle als Ehefrau, Mutter und Hausfrau erfüllt sie nicht mehr, ihrem Job als freier Journalistin hat sie sich immer weniger gewidmet. Statt in Taormina Entspannung zu finden, wandern ihre Gedanken zu ihrer Hochzeitsreise und ihrer damaligen Vorfreude auf die Zukunft an der Seite Jos. Ihr Mann, die Kinder und der Haushalt stellen Anforderungen, die sie auf gewisse Weise binden und spontane Handlungen einschränken. In ihrer Ehe sind die kleinen Geheimnisse voreinander mit der Zeit gewachsen und täglich buhlen beide um die Gunst der Kinder während sie sich mit konträren Antworten zu Fragen der Erziehung auseinandersetzen. Die Entfernung zum Alltag, die Wärme auf der Haut und die Reize der Urlaubslandschaft lassen jeden träumen, auch Anna. Der attraktive, gut gekleidete Alexander, dessen erwachsener Sohn zur Gruppe im Café gehört, verführt sie dazu, sich an seiner Seite vorzustellen, an der sie keine Kinder mehr zu erziehen hat, es ihr nicht an Geld mangelt und sie selbst erfolgreich ist.

In einer teilweise poetisch anmutenden Sprache setzt Verena Carl sich mit tiefem Einfühlungsvermögen mit den verschiedenen Gefühlen ihrer Protagonisten auseinander. Sie ist eine gute Beobachterin, die ihre Sicht in Worte zu verpacken weiß. Gerne legt sie ihre Finger in Wunden, jedoch ohne zu moralisieren. Aktuelle Themen untermalen die reale Situation und lassen die Erzählung noch authentischer wirken. Die Bilder in den Medien suggerieren uns eine Scheinwelt, aus der wir nicht erkennen können, was gut und richtig für unser eigenes Leben ist. Die Autorin ließ mich darüber nachdenken, welche Kriterien gelten sollen, um Glück und innere Befriedigung zu messen.

Mit viel Gespür für die zwischenmenschlichen Töne hat Verena Carl einen Roman geschrieben über die Anforderungen des Alltags, denen man gerecht werden muss, unerfüllten Lebensträumen und der Suche nach neuen passenderen Zielen, die die Hoffnung aufrechterhalten, das am Ende doch noch Wünsche in Erfüllung gehen. Gerne gebe ich hierzu eine Leseempfehlung.

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Titel: Die Lichter unter uns
Autorin: Verena Carl
Erscheinungsdatum: 25.04.2018
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen (Leseexemplar)

Dienstag, 24. April 2018

[Rezension Hanna] Zwischen dir und mir das Meer - Katharina Herzog



Lena Sanders lebt und arbeitet auf Amrum. Als sie eines Tages nach einer Nachtschicht im Hospiz nach Hause kommt, steht ein attraktiver Fremder vor ihrer Tür, der die Familie Sanders sucht. Er gibt vor, Eier bei ihrer Großmutter kaufen zu wollen. Doch als er hört, das Lenas italienische Mutter Mariella vor fast zwanzig Jahren gestorben ist, ist er im Nu wieder von der Insel verschwunden. Lena hat nur einen Namen – Matteo Forlani – und Fotos, die er versehentlich im Hotel zurückgelassen hat. Ausgerechnet von ihrer Mutter in jungen Jahren! Gemeinsam mit ihrer Schwester Zoe macht sich Lena auf an die Amalfiküste, um mehr darüber herauszufinden, warum ihre Mutter damals Italien verlassen hat.

Im letzten Jahr konnte mich bereits „Immer wieder im Sommer“, der erste Amrum-Roman der Autorin begeistert. Dort spielt Lena bereits eine kleine Rolle, und ich habe mich sehr gefreut, dass sie in „Zwischen dir und mir das Meer“ nun zur Protagonistin wird. Der Prolog nimmt den Leser mit nach Ravello im Jahr 1972, wo Lenas Mutter Mariella zum ersten Mal Francesca Forlani begegnet, der Tochter des neuen Chefs ihres Vaters.

In der Gegenwart ist Mariella schon seit fast zwanzig Jahren tot. Sie ist eines Tages aufs Meer hinausgeschwommen und nicht mehr zurückgekehrt. Lena lebt bei ihrem Vater und ihrer Oma. Als Matteo Forlani vor ihrer Tür steht, bringt das ihr Leben ganz schön durcheinander. Zwar ist er nach wenigen Minuten wieder verschwunden, doch die Fotos ihrer Mutter in jungen Jahren, die er im Hotel vergisst, wecken Lenas Neugier. Mariella hat nie irgendetwas über ihr Leben in Italien erzählt. Warum hat sie das Land überhaupt verlassen?

Ich fand es nachvollziehbar, dass Lena nach diesem Fund nach Italien fahren will. Gut hat mir gefallen, dass ihre Schwester Zoe sie begleitet, die gerade für eine kurze Pause von ihrer beständigen Weltreise nach Amrum gekommen war. Die beiden sind ganz unterschiedlich und ihr Umgang miteinander nicht ganz unbefangen. Was ist zwischen ihnen vorgefallen? Die Fotos ihrer Mutter geben Hinweise, wo sie suchen müssen, sodass sie schon bald an der Amalfiküste eintreffen. Dort begeben sie sich auf Spurensuche, machen überraschende Entdeckungen und erleben abenteuerliche Momente.

Immer wieder springt das Buch in die Vergangenheit und berichtet von der Freundschaft zwischen Mariella und Francesca. Während Francescas Vater zu Mariella immer nett ist, erfährt diese von ihrem eigenen Vater, dass er ein rücksichtsloser Chef ist. Können die beiden trotzdem beste Freundinnen sein? Man begleitet sie über mehrere Jahre, in denen sie langsam erwachsen werden. Dabei hätte ich mir noch tiefere Einblicke in ihre Gefühle gewünscht, denn einiges kam für mich überraschend.

An Lenas Seite verbringt man als Leser eine aufregende Zeit in Italien. Lena muss vieles hinterfragen, denn sie erfährt ganz neue Dinge über ihre Mutter und deren Familie, verliebt sich, muss sich mit ihrer Schwester arrangieren und schmiedet Pläne für die Zukunft. Die Geschichte hat schöne und romantische, aber auch berührende Momente, was sie zu einem gelungenen Gesamtpaket macht.

In „Zwischen dir und mir das Meer“ reist Lena mit ihrer Schwester Zoe von Amrum an die Amalfiküste, um mehr über ihre verstorbene Mutter herauszufinden, welche die Gegend als Teenager auf Nimmerwiedersehen verlassen hat. Das Buch bietet eine interessante Spurensuche, bei der es um Familie, Freundschaft und Liebe geht. Über Mariellas Gefühlsleben hätte ich gerne noch mehr erfahren. Ich vergebe 5 Sterne.


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Zwischen dir und mir das Meer
Autorin: Katharina Herzog
Broschiert: 352 Seiten
Erschienen am 24. April 2018
Verlag: Rowohlt Polaris

 

Sonntag, 22. April 2018

[Rezension Hanna] Kenia Valley - Kat Gordon



Der vierzehnjährige Theo kommt 1925 mit seiner Familie nach Kenia. Sein Vater ist der Direktor der dortigen Eisenbahn, seine Mutter engagiert sich bald in einem Wohltätigkeitsverein und er wird gemeinsam mit seiner Schwester zu Hause unterrichtet. Schnell freundet er sich mit Freddie und Sylvie an, die beide über zehn Jahre älter sind als er und zum sogenannten Happy Valley Set gehören. Die beiden nehmen ihn mit zu allerlei unterhaltsamen, aber auch obszönen Aktivitäten mit. Doch als er nach dem Studium in England zurückkehrt, hat sich so einiges verändert.

Auf den ersten beiden Seiten des Buches wird dem Leser ein Mord geschildert: Eine Frau wird erschossen. Um wen es sich handelt und wieso wird erst einmal nicht erklärt. Stattdessen lernt man Theo kennen, der mit seinen Eltern und seiner Schwester in Nairobi eintrifft. Im Hotel trifft er zum ersten Mal auf Freddie und Sylvie, die ihn sofort faszinieren. Beide sind um einiges älter als er und strahlen eine unbeschwerte Lebensweise aus. Schnell ist bei ihm trotz seiner vierzehn Jahre der Wunsch geweckt, dazuzugehören.
Die Erzählweise der Autorin machte es mir leicht, in das Kenia der 1920er Jahre einzutauchen und es an Theos Seite kennenzulernen. Immer wieder kann er sich von seiner steifen Lehrerin und seiner harten Mutter loseisen, um mit Freddie und Sylvie Abenteuer zu erleben. Warum man ihm das durchgehen lässt, konnte ich nicht ganz nachvollziehen. Freddie wird allmählich zu einem Vorbild, dem er nacheifert, während er sich in Sylvie verliebt. Sie führen ihn in eine ganz neue Welt ein, die nicht nur aus stilvollen Dinnern besteht, sondern auch aus Alkohol, Drogen und wilden Partys. Insbesondere der freizügige Umgang mit Sexualität lässt seine jugendlichen Gedanken kreisen.

Die Geschichte wird sehr atmosphärisch und bildhaft erzählt, sodass ein facettenreiches Bild Kenias vor meinem inneren Auge lebendig wurde. Dadurch wird es umso deutlicher, dass sich etwas verändert hat, als Theo nach seinem Studium nach Kenia zurückkehrt. Das Leben ist nicht mehr so sorgenfrei wie früher. Beispielsweise sympathisiert Freddie mit dem in Europa immer stärker werdenden Faschismus und will sich selbst politisch engagieren. Theos Schwester Maud macht sich hingegen für die Rechte der Einheimischen stark.

Theo muss sich bei all diesen Entwicklungen entscheiden, zu wem er hält. Er ist sicherlich kein Charakter, dem die Sympathien zufliegen. In seinem Bestreben, Freddie und Sylvie zu gefallen, trifft er so manche fragwürdige Entscheidung und lässt sich von ihrem exzentrischen Lebensstil blenden. Schließlich muss er mit den Konsequenzen dessen leben. Nachdem ich im Mittelteil etwas Schwung vermisste waren mir die Entwicklungen zum Ende hin im Vergleich zu dramatisch.

„Kenia Valley“ nimmt den Leser mit ins exotische Kenia der 20er und 30er Jahre. Als Sohn des Eisenbahndirektors führt Theo das vornehme Leben eines europäischen Auswanderers in Afrika, will aber zu gern zu den Mitgliedern des Happy Valley Sets mit seinem ausschweifenden Lebensstil gehören. Das Buch überzeugt mit atmosphärischen Beschreibungen und der spürbaren Veränderung der Situation vor Ort über die Jahre. Eine Geschichte für alle, die Lust haben, tief in ein fremdartiges, historisches Setting einzutauchen!


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Kenia Valley
Autorin: Kat Gordon
Übersetzerin: Mayela Gerhardt
Hardcover: 432 Seiten
Erscheint am 24. April 2018
(Vorab-VÖ der Rezension mit Genehmigung des Verlags)
Verlag: Atlantik

Donnerstag, 19. April 2018

[Rezension Ingrid] Beschreibung einer Krabbenwanderung von Karosh Taha


„Beschreibung einer Krabbenwanderung“ ist der Debütroman von Karosh Taha. Die Autorin wurde im Nordirak geboren und hat dort etwa zehn Jahre lang gelebt bevor sie und ihre Familie in den Westen Deutschlands zogen. Für ihre fiktive Hauptfigur Sanaa hat sie einen ähnlichen Hintergrund geschaffen. Eine der nachhaltigsten Erinnerungen ihrer Protagonistin an ihre Kinderjahre im Irak ist der Biss einer Krabbe in ihre Wade und der anschließende Trost ihres Vaters, der ihr dazu eine Fabel erzählt. Der Titel des Buchs ist eine Anspielung darauf. Auf dem Körper der stilisierten Krabbe ist ein Hochhaus, ein Plattenbau zu erkennen. In einem solchen Gebäude lebt Sanaa mit ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester Helin in einer Großstadt Nordrhein-Westfalens.

Sanaa ist 22 Jahre und Studentin. Doch statt sich ganz dem Studium zu widmen, fühlt sie sich ihrer Familie verpflichtet. Ihre Mutter ist depressiv, hängt ihren Gedanken an die irakische Heimat nach und ist dadurch nicht mehr in der Lage ihren Haushalt zu führen. Sie akzeptiert es, dass ihre Schwägerin, die im gleichen Haus wohnt, gemeinsam mit einer weiteren Nachbarin täglich stundenlang in ihrer Wohnung hockt und raucht, angeblich um nach dem Rechten zu sehen. Sanaas Vater geht wechselnden Jobs nach und verbringt seine Freizeit außerhalb der Familie. Sich auf eine feste Beziehung einzulassen fällt der Studentin schwer, stattdessen hat sie neben ihrem Freund einen weiteren Liebhaber. Zwischen der Erinnerung an ihre Kindheit,  den gegenwärtigen Problemen mit ihren Eltern und dem teils mythisch untermalten Erwartungen der ganzen Familie basierend auf kurdischen Verhaltensnormen, versucht Sanaa zu sich zu finden und an einer eigenen Zukunft zu bauen.

Als Leser benötigte ich einige Seite um mich im Leben von Sanaa einzufinden, jedoch breitete es sich dann mehr und mehr vor mir aus. Wirkte Sanaa zunächst eher wie jemand, der süchtig nach körperlicher Liebe ist, so begriff ich im Laufe der Zeit, dass die junge Kurdin sich nach einem Halt im Leben sehnt, jedoch ohne sich selbst an jemanden zu binden. Denn in dieser Pflicht sieht sie sich bereits gegenüber ihrer Mutter Asija. Niemand hat sie dazu aufgefordert, doch sie ist diejenige, die die Sehnsucht Asijas nach der Heimat im Irak versteht, weil sie Erinnerungen teilen. Während sie täglich die Gegenwart mit all ihren Problemen meistert, gräbt sie in der Vergangenheit ihrer Eltern um den Wunsch nachzuvollziehen, warum sie nach Europa ausgewandert sind. Sie finet keinen eindeutigen Grund, denn ihr werden dazu mehrere Versionen erzählt. Ihr Studium bietet ihr die Gelegenheit aus der vertrauten Umgebung auszubrechen und einige Stunden für sich zu verbringen, einfach eine junge Frau unter Freunden zu sein, ganz bewusst ohne weitere Verpflichtungen.

Karosh Taha beschreibt in „Beschreibung einer Krabbenwanderung“ das Leben einer jungen Frau zwischen Tradition und Moderne in einer Sprache, die teils träumen lässt, teils bewegend ist und in einigen Szenen auch amüsiert. Es entwickelte sich mit der Zeit ein Sog, der mich dazu brachte, immer mehr von den Sitten und Gebräuchen der mir fremden Kultur erfahren zu wollen. Der Roman gab mir die Hoffnung mit auf den Weg, dass auch Sanaa ihren Platz in der Familie und Gesellschaft finden wird. Gerne vergebe ich dem Buch eine uneingeschränkte Leseempfehlung.


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Titel: Beschreibung einer Krabbenwanderung
Autorin: Karosh Taha
Erscheinungsdatum: 12.03.2018
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen)

Dienstag, 17. April 2018

[Rezension Ingrid] Scythe - Der Zorn der Gerechten von Neal Shusterman


„Scythe – Der Zorn der Gerechten“ ist der zweite Band einer dystopischen Trilogie von Neal Shusterman. Im Mittelpunkt stehen wie auch im ersten Teil die Scythe (engl. für Sense) deren Aufgabe darin besteht, den inzwischen nicht mehr existenten natürlichen Tod zu ersetzen, indem sie die von ihnen ausgewählten Personen mit einer von ihnen ausgesuchten Tötungsmethode „nachzulesen“. Sie haben dabei eine festgesetzte Quote zu erfüllen. Im ersten Band habe ich darüber gelesen, wie die inzwischen 18-jährige Citra zur Scythe ausgebildet wurde und sich fortan Scythe Anastasia nennen durfte. So gekleidet wie die junge Frau auf dem Cover könnte sie in der Öffentlichkeit ihrer Aufgabe nachgehen. Bereits die dunkle Gestaltung des Buchs weist auf einen entsprechend gestalteten Inhalt hin. Zwar geht der Autor nochmals auf einige grundlegende Ereignisse aus dem ersten Teil ein, jedoch ist dessen Kenntnis für den zweiten Band von Vorteil.

Auf Citra wird wenige Monate nachdem sie ihr Amt angetreten hat ein Anschlag verübt. Rowan, der gemeinsam mit ihr ausgebildete Scythe, hat keine Berechtigung zur Ausübung des Nachlesens erhalten. Schnell kommt der Verdacht auf, dass er aus Rache verantwortlich für das Attentat ist. Er hält sich versteckt und recherchiert über Scythe, die bei ihrer Aufgabe besonders brutal oder unfair vorgehen. Einige davon hat er bereits getötet. Die Künstliche Intelligenz „Thunderhead“, die sich aus der heutigen Cloud entwickelte und seit über zweihundert Jahren im Dienst ist, hält alle je im System abgelegten Daten bereit und entwickelt sich aus deren Auswertung ständig weiter. Scythe und Thunderhead akzeptieren die Gesetze der je anderen Existenz, ein gemeinsames Wirken oder sogar eingreifen ist aber ausdrücklich nicht erwünscht. Zur physischen Umsetzung von Taten, die der Thunderhead für nötig hält, bedient er sich ausgewählter Menschen. Greyson scheint einer davon zu sein, bis er als sogenannter „Widerling“ gekennzeichnet wird mit denen der Thunderhead sich jeden Kontakt verbietet.

Auch im zweiten Band geht es um die Vor- und Nachteil in einer Welt zu leben die den natürlichen Tod nicht mehr kennt, was zwangsweise zur Überbevölkerung der Erde führt. Standen im ersten Teil der Serie noch die Scythe im Fokus, einhergehend mit den Fragen, ob andere Menschen zum Töten ausgewählt werden dürfen und den Maßstäben nach denen getötet werden soll, so stellt Neal Shusterman diesmal die Künstliche Intelligenz in den Mittelpunkt. Vor jedem Kapitel fügt der Autor ein Protokoll des Thunderheads ein, mit dessen Überlegungen zur Menschheit, den Sycthe und sich selbst und seiner Unfehlbarkeit. Das brachte mich zum Nachdenken über folgende Probleme: Dürfen wir einem System aufgrund der Basis von Daten weitreichende Entscheidungen zum Erhalt des bewohnbaren Planeten Erde anvertrauen? Inwieweit ist dazu das Erheben persönlicher Daten ohne der Einwilligung der jeweiligen Person nötig und erlaubt? Wenn es Orte in der Welt gibt, die von der Datenerhebung ausgenommen sind, wie reliabel sind dann die Auswertungen?

Nachdem der Autor bereits im ersten Band die Scythe und den Thunderhead und deren Arbeitsweise vorgestellt hat, bringt er mit den Widerlingen eine neue interessante Komponente in die Geschichte ein, die die Spannung nochmals erhöht. Neben Rowan und Citra wird Greyson schnell zu einer weiteren Hauptfigur mit eigenem Handlungsstrang. Neal Shusterman führt die Erzählung schließlich zu einem furiosen, ungeahnten Finale zusammen, das in einem Cliffhanger endet und auf den abschließenden dritten Teil der Dystopie ungeduldig warten lässt.

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Titel: Scythe - Der Zorn der Gerechten (Band 2 einer Trilogie)
Autor: Neal Shusterman
Übersetzer: Kristian Lutze
Erscheinungsdatum: 14.03.2018
Verlag: Sauerländer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover

Montag, 16. April 2018

[Rezension Hanna] Unheimliche Geschichten von Edgar Allan Poe, ausgewählt von Fjodor Dostojewski und illustriert von Kat Menschik




Das Geierauge eines Greises, das einen Mann in den Wahnsinn treibt. Ein Säufer, der hartnäckig von einem schwarzen Kater verfolgt wird. Und ein seltsames Dorf, das aus dem Takt gerät. Das sind drei unheimliche Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe, die 1861 von Fjodor Dostojewski ausgewählt wurden. Nun wurden sie von Steffen Jacobs neu übersetzt und von Kat Menschik illustriert und als Teil der Reihe „Lieblingsbücher“ im Galiani Verlag veröffentlicht.

Schon die äußere Gestaltung des Buches ist ein echter Eyecatcher. Leuchtendes Orange auf Dunkelblau, Titel und Beteiligte in großen Lettern, darüber vorn ein Herz, hinten eine Wirbelsäule, Rippen und ein einzelnes Auge. Diese Elemente spielen auf die ersten beiden abgedruckten Geschichten an und machen dem Leser deutlich, dass der Autor ihm das Gruseln beibringen will.

Insgesamt enthält das Buch drei verschiedene Kurzgeschichten, die von Wahnsinn, Obsession und höchst merkwürdigen Begebenheiten handeln. Die ersten beiden Geschichten über das Geierauge und den Kater sind in der Tat unheimlich, waren für mich aber zu kurz, als dass ich mich richtig hätte hineinfühlen können. Die letzte Geschichte über das Dorf war seltsam, damit konnte ich nicht so recht etwas anfangen.

Die gelungenen Illustrationen von Kat Menschik nehmen jeweils eine ganze Buchseite ein. Mal zeigen sie die konkreten Ereignisse der Geschichte, mal fangen sie die sie begleitenden Gefühle und Gedanken ein. Oftmals sind verschiedene Dinge übereinander gelegt und man muss sich ein wenig Zeit nehmen, um die verschiedenen Facetten zu erfassen. Manche Elemente konnte ich nicht klar benennen, was für mich zu den Geschichten passte, die auch immer einige unerklärliche Dinge beinhalten.

Viel zu schnell ist dieses schmale Buch ausgelesen. Aufgrund der besonderen Illustrationen und Buchgestaltung werde ich es aber sicherlich noch häufiger zur Hand nehmen. Ich vergebe drei Sterne für den Inhalt und fünf für Illustration und Gestaltung, das macht insgesamt vier Sterne. Ein schönes Buch zum Verschenken und Selbst-Beschenken, wenn man die Geschichten von Poe mag.   


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Unheimliche Geschichten
Autor: Edgar Allan Poe
Ausgewählt von Fjodor Dostojewski
Illustriert von Kat Menschik
Übersetzer: Steffen Jacobs, Alexander Nitzberg

Sonntag, 15. April 2018

[Rezension Ingrid] Von dieser Welt von James Baldwin


„Von dieser Welt“ ist der erste Roman des vor etwa 30 Jahren verstorbenen US-Amerikaners James Baldwin. Die Erzählung wurde 1953 zum ersten Mal veröffentlicht und ist inzwischen ein Klassiker der Weltliteratur. Jetzt wurde sie neu ins Deutsche übersetzt von Miriam Mandelkow mit einem Vorwort von Verena Lueken.

Die Geschichte trägt deutliche autobiographische Züge. James Baldwin verarbeitet darin, ungefähr fünfzehn Jahre später, die Ereignisse an dem Tag und der folgenden Nacht als er 14 Jahre alt wurde. Seinen Protagonisten nennt er John Grimes, der so wie er in Harlem/New York der 1930er heranwächst. Dessen Vater Gabriel verdient als Arbeiter gerade so viel um die Familie zu ernähren, doch er ist ein streng gläubiger Laienprediger der Baptistengemeinde. Sein Verhältnis zu den Weißen ist wie bei den meisten Schwarzen in Harlem von Hass genährt. Elizabeth, die Mutter von John, ist verantwortlich für Haushalt und Familie. Am Tag seines Geburtstags wird Johns jüngerer Bruder Roy auf der West Side bei einem Streit mit weißen Jugendlichen von einem Messer schwer verletzt.

Zunächst fragt sich John warum Roy in der Gunst des Vaters höher steht als er selbst und wieso Gabriel seine Frau wegen der angeblichen Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflicht so drohend zur Rechenschaft zieht. Der folgende Teil des Romans lässt den Leser auf die Vergangenheit von Gabriels älterer Schwester Florence, von Gabriel und von Elisabeth zurück blicken, deckt Geheimnisse in der Familie auf und klärt dadurch viele Zusammenhänge.

Dieser eine Tag hat das Leben von John grundlegend geändert. Er ist wohlbehütet aufgewachsen und zum Glauben und zur Gottesfurcht angehalten worden. Sein Vater ist ein glühender Anhänger seiner Religion. Bei jedem Verhalten gegen die von den Eltern gesetzten Regeln und Grenzen bleibt es meist nicht beim Tadel, sondern Gabriel prügelt seine Kinder. Der pubertierende John setzt sich unweigerlich mit Recht und Unrecht auseinander. John sieht seinen Vater als Prediger im Auftrag der Kirche und deren Grundwerte vertretend. Seine Auflehnung gegen ihn bringt gleichzeitig eine in Fragestellung seines Glaubens mit sich. Währenddessen erlebt er täglich, dass sich die meisten Weißen überlegen geben in vielen Dingen. Die Schwarzen suchen Trost in ihrer Religion, die sie in der Gemeinschaft stark macht. Ohne die gebrochenen Lebenswegen seiner Eltern und seiner Tante zu kennen hat die bedeutende Nacht seines Geburtstags, die er in der Kirche im Kreis der Gemeinde verbringt, nachhaltigen Einfluss auf seine Gedankenwelt und seine Zukunft.

Unter der Voraussetzung, dass das Leben von James Baldwin dem von John sehr ähnlich ist, lässt sich feststellen, dass der Autor nicht zögert, die ihn bewegenden Gedanken durch seinen Protagonisten auszusprechen. Aus der Distanz vieler Jahre blickt er zurück auf seine Jugend und sucht sein Verhalten in dieser Zeit und sein Verhältnis zu seinen Eltern, vor allem zu seinem Vater, vor dem Hintergrund der Rassismus und der Glaubenstreue zu erklären. Es ist eine Auseinandersetzung mit an den ihn gestellten Erwartungen, die mit der Einnahme gewisser Rollen verbunden ist. Baldwins Roman bleibt jedoch nicht nur auf den Protagonisten bezogen, sondern erzählt gleichzeitig so viel mehr mit der exemplarischen Geschichte einer schwarzen Familie in den USA beginnend mit der Abschaffung der Sklaverei.

„Von dieser Welt“ ist mit so viel Ausdruck geschrieben, dass man die eigenen Gefühle des Autors zwischen den Zeilen zu spüren glaubt, seine Ohnmacht sich gegen die gegebene Ordnung zu stellen und seine Hoffnung, einen anderen Weg im Leben zu finden als sein von ihm gehasster Vater und dabei authentisch zu bleiben. Der Roman ist intensiv, ergreifend, aufwühlend und bleibt in Erinnerung.
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Titel: Von dieser Welt
Autor: James Baldwin
Übersetzerin: Miriam Mandelkow
Erscheinungsdatum: 28.02.2018
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
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