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Montag, 9. Februar 2015

[Rezension] Ian McEwan - Kindeswohl

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Titel: Kindeswohl
Autor: Ian McEwan
Übersetzer: Werner Schmitz
Erscheinungsdatum: 09.01.2015
Verlag: Diogenes Verlag
rezensierte Ausgabe: Rezensionsexemplar
Handlungsort: London/England
Handlungszeit: Gegenwart


Fiona May ist Ende 50 und Richterin am High Court in London. Als ihr Mann mit ihr reden möchte, um ihre Zustimmung zu einer außerehelichen Affäre zu erhalten, überdenkt sie gerade einen aktuellen Gerichtsfall. Sie spricht sich dagegen aus und verweist ihren Mann der gemeinsamen Wohnung, wenn er seinem Verlangen nachgehen möchte. Dann erhält sie den Fall des siebzehnjährigen Jungen Adam, der Bluttransfusionen benötigt um zu genesen. Seine Eltern und er lehnen die Blutübertragungen aus religiösen Gründen ab. Um die unverfälschte Meinung des Jungen einzuholen, begibt sie sich, was eher ungewöhnlich ist, zu ihm ins Krankenhaus. Die Unterhaltung berührt sie tief und hallt in ihr nach. Zu Hause wartet nur eine leere Wohnung auf sie, es ist nicht der gewohnte Alltag in dem sie ankommt. Dennoch hat sie eine Entscheidung zu treffen, die sie routiniert auf Basis der Gesetze angeht. Doch damit ist der Fall für sie nicht abgeschlossen, denn der Junge ist ihr nicht nur dankbar, sondern hat auch ihre Argumentationsweise schätzen gelernt. Er sucht den weiteren Austausch mit ihr.

Ian McEwan nimmt den Leser als allwissender Erzähler mit in die Gedankenwelt der Fiona Maye. So nach und nach erzählt er nicht nur die gegenwärtigen Ereignisse, sondern auch Szenen der Jugend Fionas, die dazu führten, dass sie den Beruf der Richterin ergriffen hat. Der Gerichtsfall Adam ist nicht der einzige den der Autor beschreibt. Es sind aus meiner Sicht schwierige Urteile die Fiona zu sprechen hat nach bestem Wissen und Gewissen, die mir eine Menge Respekt für Fiona und damit dem Autor gegenüber abverlangt haben. Die Fälle sind fiktiv, doch meines Erachtens nach kommt Ian McEwan zu konkludenten Entscheidungen auf der Basis des englischen Rechts. Im Vordergrund steht immer das Wohl des Kindes. 

Die Sprache des Romans ist bildhaft in ihren Beschreibungen der Personen und der Umgebung. Dadurch konnte ich mir die Szenen sehr gut vorstellen. Fiona scheint als Richterin brillant, doch ihr Mann bringt sie in eine ungewöhnliche Lage, die sie fassungslos macht. Ihre Gedanken arbeiten, doch um zu entscheiden, ob sie die Affäre ihres Ehemannes akzeptieren soll ohne die Ehe zu beenden findet sie keine gesetzliche Grundlage. Ein Hintergedanke blitzt auf, ob sie in ihrem Alter noch begehrenswert ist. Doch auf privater Ebene geht es nicht um Recht und Gerechtigkeit. Ihre Beziehung zu Adam führt zu einem unbedachten Moment der ihre innere Haltung auf privater Ebene verändert.  Der Roman ist in weiten Teilen kühl und rational, doch unter der Oberfläche von Fiona ist eine angreifbare Frau zu entdecken – ein lesenswertes Buch!