Inhalt
Paris, 1884: Jori ist aus der Schweiz
nach Paris an die Salpêtrière gekommen,
um vom berühmten Neurologen Jean-Martin Charcot zu lernen und seine
Doktorarbeit zu schreiben. Davon erhofft er sich, seine psychisch erkrankte
Jugendliebe Pauline zu retten. Wie jede Woche besucht Jori Charcots gut
gefüllte Hypnosevorstellungen, als eine junge Patientin nicht auf Charcots
Hypnoseversuche reagiert. Als Charcot laut überlegt, an ihr die neueste Theorie
eines Dr. Burckhardt auszuprobieren, die krankhaften Stellen aus dem Hirn zu
schneiden, meldet sich Jori für diesen gewagten Versuch. Bald werden Wetten auf
sein Gelingen abgeschlossen, und er gerät zunehmend unter Druck: Hat die Idee
Aussicht auf Erfolg? Wer wird ihn unterstützen? Und welches Geheimnis verbirgt das
junge, apathische Mädchen namens Runa? Gleichzeitig tauchen überall in der
Stadt kryptische Nachrichten auf. Stehen sie in einem Zusammenhang mit den
Ereignissen an der Salpêtrière?
Meinung
Als ich zum ersten Mal den Klappentext
von „Runa“ gelesen habe, löste dieser bei mir Faszination aus. Ich interessiere
mich sehr Medizingeschichte und die Anfänge der Behandlung psychisch Kranker,
gleichzeitig wurde mir eine mysteriöse Geschichte voller Spannung versprochen.
Hierzu passen auch die dunklen Farben des Covers und das auf dem Kopf stehende
Mädchen. Die Bedeutung der Tropfen erschließt sich hingegen erst während des
Lesens.
Nach einem rätselhaften Prolog aus der
Ich-Perspektive eines unbekannten Erzählers lernt der Leser auf den ersten
Seiten den Protagonisten Jori und seine Arbeit kennen. Er begegnet ihm zum
ersten Mal, als er eine „Irre“ abholt,
die von ihrem Vater mehrere Monate lang in einen Verschlag gesperrt wurde. Hier
und auch wenig später in der Salpêtrière begreift man, wie gering die
Aussichten auf Heilung zu jener Zeit sind. Zwar versteht der Neurologe Charcot
es, die Patientinnen der Menge wie Puppen vorzuführen und ihnen seinen Willen
aufzuzwingen, doch von einer nachhaltigen Heilung psychischer Erkrankungen ist
man noch weit entfernt.
Immer
wieder musste ich schaudern, während die Autorin Einblicke in das Leben der
Patientinnen der Salpêtrière gibt. Hier wurde ich als Leserin Zeugin von so
manchem fragwürdigen, teils grausamen und teils herzlosen Vorgehen. Aus
heutiger Sicht wirken die Versuche jener Zeit geradezu niederschmetternd. Joris
Beschluss, Runa einen Teil des Hirns wegzuschneiden, ist schließlich die Spitze
des Grauens. Gleichzeitig wurde mir Jori als Mensch so nahe gebracht, dass ich
seine Motivation nachvollziehen konnte. Er erhofft sich schließlich, dass ihm
damit ein großer medizinischer Durchbruch und die Heilung des kleinen Mädchens
gelingt.
Während
Jori zweifelt, hofft und versucht, Zugang zu Runa zu finden, erzählt ein
zweiter Handlungsstrang von dem selbsternannten Verbrecher und Ex-Polizisten
Lequoc. Aus reiner Neugier möchte er die Umstände eines Mordes klären und kommt
damit auf die Spur mysteriöser Nachrichten. An Lequocs Seite lernt man das
alltägliche Pariser Leben zu jener Zeit besser kennen. Er ist ein
ungewöhnlicher und geheimnisvoller Charakter, bei dem ich nie das Gefühl hatte,
ihn wirklich durchschaut zu haben. Die Verbindungen dieses Handlungsstrangs zu
dem von Jori wurden schließlich mit jedem Buchabschnitt klarer.
Die Geschichte enthält viele
interessante Schilderungen über den Stand der Medizin, die Zustände in der Salpêtrière und das Leben in Paris im
Jahr 1884. Man spürt, dass die Autorin ausführlich recherchiert hat, um trotz
fiktiver Geschichte möglichst nah an der Realität zu bleiben. In dieser
Hinsicht hat mich das Buch begeistern können, auch wenn viele Schilderungen
noch schauriger waren, als ich erwartet hätte. Das Buch ist ganz sicher keine
leichte Kost! Etwas schade fand ich es, dass die Handlung nur langsam
voranschreitet. Es werden viele Seiten mit den Überlegungen, Abwägungen und
Erinnerungen der Charaktere gefüllt. Diese lernt man dadurch noch besser
kennen, drosselte aber das Tempo. Erst im letzten Buchabschnitt fährt die
Autorin schwere Spannungsgeschütze auf, die für dramatische Szenen und einen
starken Showdown sorgten.
Fazit
„Runa“ erzählt die fiktive Geschichte
eines ambitionierten Medizinstudenten, der sich als erster an einem
psychochirurgischen Eingriff versuchen will. Durch seine Augen blickt man
hinter die Kulissen der Salpêtrière
blickt und entdeckt lauter fragwürdige, aus heutiger Sicht schaurige Methoden
und stets auf den eigenen Vorteil bedachte Ärzte. Gleichzeitig folgt ein
Ex-Polizist der Spur mysteriöser Zeiten quer durch Paris. Vera Buck hat
spannende Fakten der Medizingeschichte mit einer Handlung verknüpft, die man in
der Kategorie Mysterythriller einordnen könnte. Ihr interessiert euch für die
Anfänge der Psychochirurgie und seid in Stimmung für ein düsteres Buch? Dann
ist „Runa“ definitiv das Richtige für euch!
*Werbung* Weitere Informationen zum Buch
Hardcover: 608 Seiten
Erscheinungsdatum: 24. August 2015
Erscheinungsdatum: 24. August 2015