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Mittwoch, 23. Februar 2022

Rezension: Zukunftsmusik von Katja Poladjan

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Zukunftsmusik
Autorin: Katerina Poladjan
Erscheinungsdatum: 23.02.2022
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783103971026
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Der Roman „Zukunftsmusik“ von Katerina Poladjan spielt am 11.März 1985 in der Sowjetunion, in einer Stadt östlich von Moskau, die über eine Klinik, ein Museum für Natur- und Völkerkunde, eine Fabrik zur Glühbirnenproduktion, eine technische Fakultät sowie ein geheimes Institut verfügt. Am Vortag ist der Staats- und Parteichefs Tschernenko verstorben, daher läuft im Radio Trauermusik. Die Autorin nimmt in ihrer Geschichte eine Kommunalka in den Fokus, in der das Staatsereignis kaum wahrgenommen wird. Aber ohne dass es jemand von den Mitbewohnern ahnt, bricht an diesem Tag eine politisch bedeutende neue Zeit an, von dessen Auswirkungen alle betroffen sein werden.

In einer der Mietparteien der Kommunalwohnung leben vier Generationen auf kleinem Raum zusammen. Warwara ist Mitte 60 und wurde nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemanns von ihrer Tochter Maria in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen. Sie arbeitet immer noch aushilfsweise als Hebamme in der städtischen Klinik. Maria ist 45 Jahre alt, lebt getrennt und arbeitet als Museumswärterin. Ihre 20-jährige Tochter Jalka gehört ebenfalls zum Haushalt und ist seit einiger Zeit selbst Mutter. Um zum Haushaltsbudget beizutragen, arbeitet Jalka Schichten in der Fabrik. An eben jenem 11. März 1985 möchte sie mit einem Küchenkonzert in der Kommunalka etwas Neues wagen, doch die Umstände sprechen eher gegen die Durchführung.

In dem Mikrokosmos der Wohngemeinschaft haben die meisten sich längst mit den Gegebenheiten abgefunden. Die vom Staat genehmigte Wohnfläche für jeden ist klein, aber man arrangiert sich. Das Gemeinwohl steht über dem des Einzelnen. In der Küche bleibt man nicht lange allein und in den Töpfen und Schränken der anderen lässt sich gern was Gutes finden. Dennoch hat sich jeder auf seine Weise einen Rückzugsort geschaffen. Auch wenn es nicht zu einem eigenen Bereich in der Wohnung reicht, kann man beim Träumen die ganze Welt bereisen und die Person sein, wer immer man sein möchte. Fantasien sind nicht zu reglementieren und nicht strafbar. Janka wünscht sich beispielsweise, mit einem selbstverfassten Lied berühmt zu werden und damit endlich die Tristesse ihres bisherigen Alltags hinter sich zu lassen.

Katerina Poladjan hat ihre Figuren liebevoll mit Eigenarten versehen, die dafür sorgen, der Geschichte einen heiteren Ton zu verleihen. Auch wenn vieles in einem abgesteckten staatlichen Rahmen stattzufinden hat, sorgen Gefühle weckende zwischenmenschliche Kommunikation und unvorhergesehene Ereignisse für Abwechslung im Leben der Bewohner der Kommunalka. Liebe, Wut, Trauer und Hoffnung sind nicht zu vermeiden und vor allem die Älteren wissen, dass es trotz manchem Sturm immer weitergeht und jeder Tag neue Herausforderungen mit sich bringt.

In ihrem Roman „Zukunftsmusik“ erzählt Katja Poladjan von einem Tag Mitte der 1980er im Leben einer Familie mit vier Generationen von Frauen, die auf engem Raum zusammenleben. Keine von ihnen ahnt, dass an diesem Tag eine politische Wende beginnt, alte Krusten aufgebrochen und neue Werte gesetzt werden, die zu unendlich weiteren Träumen von Chancen führen. Die Geschichte entbehrt nicht einem amüsanten Unterton durch die kleinen Marotten der Figuren. Gerne empfehle ich das Buch weiter.