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Montag, 27. Februar 2023

Rezension: Mörderfinder - Mit den Augen des Opfers von Arno Strobel

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Mit den Augen des Opfers 
(Band 3 Reihe Mörderfinder)
Autor: Arno Strobel
Erscheinungsdatum: 22.02.2023
Verlag: Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Broschur mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783596708000

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Im dritten Band der Thrillerserie „Mörderfinder“ von Arno Strobel mit dem Untertitel „Mit den Augen des Opfers“ reist der Protagonist Max Bischoff zu Fallermittlungen an die Mosel. Der Dozent und Fallanalytiker der Polizeihochschule Köln wird von der Polizeirätin Eslem Keskin, die die Dienststelle des Kriminalkommissariats in Düsseldorf leitet bei Bischoff früher gearbeitet hat, kontaktiert. Die beiden sind nie zu Freunden geworden und darum wundert Bischoff sich über ihr Anliegen.

Eine Freundin von Eslem Keskin, die in einem kleinen Ort an der Mosel lebte, ist an einer schweren Krankheit gestorben. Sie hat ein Tagebuch hinterlassen, dass Bezug auf ein Geschehen nimmt, das mehr als zwanzig Jahren zurück liegt. Die Einträge sind verwirrend, denn sie bezichtigt sich selbst einer unbestimmten Mitschuld. Keskin vermutet, dass es Zusammenhänge mit einem anderen damaligen Ereignis gibt, denn vor langer Zeit ist dort ein junger Winzer verschwunden. Trotz der wenigen Informationen verspricht Bischoff seiner früheren Vorgesetzten seine Hilfe. Kurz nachdem er an der Mosel eingetroffen ist, wird dort eine junge Frau ermordet. Es gibt kaum Zweifel, dass ein Zusammenhang zu den früheren Vorkommnissen besteht.

Bischoff hat kaum Zeit dazu, sich wie gewohnt in die Denkweise des Täters einzufinden, denn viel zu sehr nehmen ihn die zwischenmenschlichen Scharmützel mit den Tatverdächtigen, Eslem Keskin und dem offiziellen Ermittler aus Koblenz in Anspruch. Für ihn ist es schwierig, dass jahrelange Schweigen der Dorfbewohner aufzubrechen. Dementsprechend treten auch seine Ermittlungen auf der Stelle, was zu kleinen Längen führt.

Der Autor versteht es auch diesmal wieder die Spannung durch Einschübe in kursiver Schrift anzukurbeln, indem er schrittweise das Motiv und die abgründige Psyche des Täters oder der Täterin dem Lesenden eröffnet, ohne die Identität von ihm oder ihr zu offenbaren. Es gelingt ihm, den Charakter verschiedener Personen so zu gestalten, dass sie als Tatbegehende in Frage kommen.

Zwischenzeitlich benötigt Bischoff die Hilfe seines ehemaligen Partners bei der Kriminalpolizei. Sie kennen voneinander die jeweiligen Marotten und verzeihen es dem anderen, wenn sie sich gegenseitig damit aufziehen. Die Dialoge der beiden bieten daher meist ein amüsantes Zwischenspiel. Der Psychologe Marvin Wagner, dessen Hilfe Bischoff nicht zum ersten Mal benötigt, nimmt im vorliegenden Fall eine größere Rolle ein. Sein Aussehen spielt sich meiner Meinung nach dabei zu häufig in den Vordergrund. Obwohl man im Buch auf einige Wegbegleiter von Bischoff trifft, ist das Lesen ohne die Kenntnisse voriger Bände problemlos möglich.

Insgesamt ist Band 3 „Mit den Augen des Opfers“ aus der Mörderfinder-Serie von Arno Strobel ein solide gearbeiteter Thriller mit einigen unerwarteten Wendungen und einem rasanten Finale. Zwar haben mir die ersten beiden Bände der Reihe noch besser gefallen, aber das ist ein Vergleich auf hohem Niveau. Gerne empfehle ich das Buch an Thrillerfans weiter.

Rezension: Das dritte Land von Karina Sainz Borgo


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Das dritte Land
Autorin: Karina Sainz Borgo
Übersetzerin: Angelica Ammar
Hardcover: 320 Seiten
Erschienen am 22. Februar 2023
Verlag: S. FISCHER

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Angustias Romero flieht gemeinsam mit ihrem Mann und ihren sieben Monate alten Zwillingen vor einer mysteriösen Seuche, die Körper und Geist befällt. Die Reise aus den östlichen in Richtung der westlichen Berge ist beschwerlich und weit, die hygenischen Verhältnisse katastrophal. Die Zwillinge sterben auf der Reise. Schließlich gelangen Angustias und ihr Mann wie viele andere in die Grenzregion. Ihre Vorräte sind aufgebraucht, ihr letztes Geld und die Papiere wurden gestohlen. Im Dorf Mezquite hören sie erstmals von Visitación Salazar, die in der Nähe ein Stück Land besetzt hat, den Friedhof "Das dritte Land", wo sie Tote in Würde bestattet. Angustina findet dort ein Grab für ihre Zwillinge und beschließt, zu bleiben. Doch der Friedhof ist Alcides Abundio, dem reichsten und mächtigsten Mann der Grenzregion, ein Dorn im Auge. Und seine Mittel, um seinen Willen durchzusetzen, sind tödlich...

Die Geschichte beginnt mit der Ankunft von Angustias und ihrem Mann auf dem Friedhof "Das dritte Land". Es folgt ein Rückblick, in welchem ich erfuhr, warum sie geflohen sind und wie sie bis dort gelangt sind. Von Beginn ist es eine schwere Lektüre, in der ein Leben nicht viel wert und der Tod allgegenwärtig ist. Im fiktiven Grenzland zwischen den östlichen und den westlichen Bergen regiert die Gewalt. Hier stranden Menschen, die vor der Pest geflohen sind, nur um festzustellen, dass sie nun der Willkür der bewaffneten Guerilla, den Irregulären, ausgesetzt sind.

Neben der Geschichte von Angustias erfuhr ich mehr über Aurelio Ortiz, den Bürgermeister von Mezquite. Er wird von dem einflussreichen Alcides Abundio kontrolliert, der von ihm verlagt, Visitación Salazar von dem besetzten Land zu vertreiben, das ihm gehört. Abundio arbeitet auch mit den Irregulären zusammen, denen er unter falschen Versprechungen neue Männer schickt, die nach Arbeit suchen. Gespannt verfolgte ich, ob Visitación und Angustias sich den Versuchen, den Friedhof zu schließen, wiedersetzen können. So unterschiedlich die leidenschaftliche Visitación und die eher zurückhaltende Angustias charakterlich sind, sie haben gemein, dass sie unabhängige Frauen sind, die bereit sind, für das zu kämpfen, was ihnen wichtig ist.

Diese Lektüre über Entwurzelung, Schmerz, Gewalt und Tod ist keine einfache, doch dem wird Widerstand, Zusammenhalt, Mitgefühl und Freundschaft entgegengesetzt. Das Buch vermittelt damit eine wichtige Botschaft, die zu lesen sich lohnt.

Sonntag, 26. Februar 2023

Rezension: In blaukalter Tiefe von Kristina Hauff


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In blaukalter Tiefe
Autorin: Kristina Hauff
Hardcover: 288 Seiten
Erschienen am 20. Februar 2023
Verlag: hanserblau

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Caroline ist positiv überrascht, als ihr Mann Andreas verkündet, dass er für sie ein Segelschiff gechartert hat, um durch die schwedischen Schären zu segeln, denn ihre Beziehung steckt schon länger in einer Krise. Ernüchterung stellt sich jedoch ein, als sie erfährt, dass Andreas auch einen Mitarbeiter aus seiner Kanzlei eingeladen hat, den er in Kürze zum Partner befördern will. Gemeinsam mit Daniel und seiner Freundin Tanja sowie dem Skipper Eric sticht das Paar in See. Schon bald schlägt die entspannte Urlaubsstimmung um, und Abgründe tun sich auf, während der Wind die Reisepläne durcheinander bringt.

Der Roman beginnt mit einem kurzen Prolog aus der Perspektive von Caroline, die in Conquet-sur-Mer unterwegs ist. Sie verfällt in große Aufregung, als sie glaubt, einen Mann gesehen zu haben, der tot ist. Danach springt das Buch sechs Wochen in der Zeit zurück an den Beginn des Segeltörns, den sie mit ihrem Mann Andreas, dessen Kollegen mit seiner Freundin sowie einem Skipper unternommen hat.

Zu Beginn des Törns ist die Stimmung entspannt, auch wenn nicht alle guter Laune sind. Caroline wäre lieber mit Andreas allein unterwegs. Tanja ist als Unterstützung für ihren Freund Daniel dabei, würde ihren Urlaub aber viel lieber woanders verbringen und hat als Pflegekraft das Gefühl, aus einer anderen Welt zu kommen. Eric ist allein dabei, da seine Partnerin Silvie erkrankt ist, und bleibt distanziert. Erste Unruhe kommt auf, als Andreas und Daniel schlechte Nachrichten aus der Kanzlei erhalten und Daniel den höherrangigen Andreas beeindrucken will.

Die Beteiligten sind mit gewissen unausgesprochenen Erwartungen an die Reise herangegangen. Der zunehmende Frust im Hinblick darauf, dass sie sich nicht erfüllen, drückt sich auf ganz unterschiedliche Weise im Verhalten aus, während offene Konfrontationen vermieden werden. Vor der malerischen Kulisse der schwedischen Schären wird das Boot allmählich zu einem Pulverfass und ich fragte mich, ob und wann die Situation eskalieren wird.

Durch die wechselnden Perspektiven erhielt ich als Leserin gute Einblicke, was in den einzelnen Personen vorgeht. Diese sind alle nicht frei von charakterlichen Schwächen, keiner fällt positiv deeskalierend auf. Das Ende fällt nach dem Aufgreifen der Szene aus dem Prolog sehr kurz aus, hier hätte ich mir noch mehr Szenen gewünscht. Der Roman ist ein intensives Psychogramm, dessen dramatische Entwicklung der Ereignisse sich von Beginn an abzeichnet und der Leser:innen im tatsächlichen und übertragenen Sinne auf eine Reise mitten hinein in einen Sturm mitnimmt.

Freitag, 24. Februar 2023

Rezension: Lichte Tage von Sarah Winman

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Lichte Tage
Autorin: Sarah Winman
Übersetzerin aus dem Englischen: Elina Baumbach
Erscheinungsdatum: 18.02.2023
Verlag: Klett-Cotta (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783608980875

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Das Buch „Lichte Tage“ der Engländerin Sarah Winman erzählt die Geschichte von Ellis und Michael, die sich als Zwölfjährige kennenlernen. Ihre Freundschaft wächst mit den Jahren und verändert sich mit der Zeit bis zu einem verhängnisvollen Tag. Als Leserin begegnete ich Ellis im Jahr 1996 zum ersten Mal. Er ist 45 Jahre alt, lebt in Oxford und arbeitet in einer Fabrik für Automobile. Seine Mutter Dora hat er im Teenageralter verloren. Sie hat seine sensible Seite gemocht und diese vor dem Vater geschützt, der Ellis dazu aufgefordert hat das, was er unter männlichem Verhalten versteht, offen zu zeigen.

Das Cover des Romans erinnert daran, dass Dora auf einer Tombola ein Gemälde mit Sonnenblumen gewonnen hat, einer Reproduktion eines der Bilder des berühmten Malers van Gogh. Das Werk übernimmt im Leben der handelnden Personen mehrfach eine entscheidende Rolle. Dora bringt es beispielsweise dazu, zum ersten Mal gegen ihren Mann aufzubegehren.

Eine Krankschreibung nach einem Fahrradunfall gibt Ellis die Möglichkeit, sein Leben zu reflektieren. In Rückblenden schaut er auf die unbeschwerte erste Zeit seiner Freundschaft zu Michael, die sich in ihrer Beschaffenheit in einem gemeinsamen Urlaub in Frankreich nachdrücklich verändert. Ende der 1970er Jahre galt gleichgeschlechtliche Liebe immer noch als unsittlich und erfuhr Ausgrenzung aus der Gesellschaft und damit auch berufliche Konsequenzen. In Stellvertretung für diese Auffassung dafür steht Ellis Vater. In den Handlungen von Ellis ist zu spüren, dass er mit seinen Gefühlen zu Michael kämpft nachdem sein Vater ihn zurechtgewiesen hat. Als Annie in seine Welt tritt, wird sie für ihn zum Ankerpunkt.

Erst viele Jahre später erfährt Ellis und damit auch der Lesende, welche Emotionen Michael in dieser Zeit empfindet und wie dieser zu einem Suchenden nach einem neuen Anfang für sich wird. Dadurch, dass Michael aus der Ich-Perspektive erzählt, kommen seine Erlebnisse dem Lesenden sehr nah und wirken besonders berührend, weil er einige Verluste zu verschmerzen hat. Annie behält im Roman eine Nebenrolle, die aber metaphorisch für die allgemein wachsende Akzeptanz der Homosexualität gesehen werden kann.

War der erste Teil des Buchs „Lichte Tage“ von Sarah Winman, in dem Ellis im Fokus steht, eine einfühlsame Auseinandersetzung der Freundschaft zweier heranwachsender Jungen, so folgte darauf eine emphatische Darstellung mit einer unbesiegten Krankheit in den 1980ern, mit dessen Folgen Michael sich in seinem Umfeld über Jahre hinweg täglich auseinandersetzen muss. Freundschaft, Liebe und gemeinsame schöne Stunden stehen Tragik, Einsamkeit und schwindender Hoffnung gegenüber. Die Geschichte ist in einem unaufgeregten Schreibstil geschrieben, bewegt und hallt noch länger nach. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

Donnerstag, 23. Februar 2023

Rezension: Als Großmutter im Regen tanzte von Trude Teige

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Als Großmutter im Regen tanzte
Autorin: Trude Teige
Übersetzer: Günther Frauenlob
Erscheinungsdatum: 22.02.2023
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783949465123
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Die Norwegerin Tekla macht es glücklich und frei, im Regen zu tanzen und abschließend verbeugt sie sich, als ob sie dafür Applaus empfangen würde. Sie ist eine der beiden Protagonistinnen und Titelfigur des nach ihrer besonderen Eigenart benannten Romans „Als Großmutter im Regen tanzte“ von Trude Feige. Er spielt auf zwei Handlungsebenen und führt von der Gegenwart auf einer norwegischen Insel zurück in die Vergangenheit nach Deutschland ins Jahr 1946.

Teklas Enkelin Juni, von Beruf Krankenschwester und auf dem Festland lebend, ist die zweite Hauptfigur. Sie hat Beziehungsprobleme. Juni sieht das Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf der Insel aktuell als Zufluchtsort. Ihre erst vor kurzem verschiedene Mutter hat dort vorher gewohnt. Während ihres Aufenthalts stöbert Juni in allen Ecken und findet Hinweise auf eine bewegte Vergangenheit ihrer Großmutter nach dem Zweiten Weltkrieg. Georg, der seine Doktorarbeit in Geschichte auf der Insel beenden möchte, ist ihr behilflich, mehr über die damaligen Ereignisse zu erfahren. Dabei deckt sie nicht nur einige Geheimnisse ihrer Großmutter auf, sondern findet auch zu ihren eigenen Wurzeln.    

Die Geschichte ist auf zwei Zeitebenen geschrieben. Um diese nicht nur anhand der Charaktere zu unterscheiden, sind sie in unterschiedlichen Schriftarten verfasst. Trude Teige schreibt über die Freundschaften einheimischer Frauen in Norwegen zu deutschen Soldaten während der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg, die ihren Geliebten später in die Heimat folgten. In der Literatur ist die Episode weitgehend unerzählt geblieben. Mit der Darstellung, das Hier und Jetzt mit einer Spurensuche in der Vergangenheit zu verbinden, führt sie dem Lesenden vor Augen, wie wichtig es ist, die Vergangenheit nicht schweigen zu lassen. Außerdem zeigt sie, dass es auch für die Nachkommen wertvoll ist, ihre Wurzeln zu kennen, egal in welchem Alter sie sind.

Juni, die auf der Insel Abstand zum Alltag gewinnen will, deckt Stück für Stück auf, was über drei Generationen hinweg verschwiegen wurde. Die Autorin vermittelt die Gefühlswelt von Juni dem Lesenden, indem sie sie selbst erzählen lässt. Teclas Erlebnisse spiegeln das Schicksal vieler norwegischer Frauen wieder. Dank der sehr guten Recherche der Autorin werden bestürzende Geschehnisse lebendig. Die Not der Bevölkerung in der Nachkriegszeit und die Furcht der deutschen Frauen vor den sowjetischen Besatzern im Osten Deutschlands werden deutlich. Während dieser Zeit ist Tecla eine junge Frau, die darüber erschrocken ist, dass Norwegen ihr aufgrund ihrer Liebe und der damit verbundenen Ausreise die Staatsbürgerschaft nimmt. Dadurch sensibilisiert, hinterfragt sie auch in Deutschland die damals üblichen Stigmatisierungen.

Der Roman „Als Großmutter im Regen tanzte“ von Trude Teige behandelt einen wenig beschriebenen Fakt der Weltgeschichte. Aber neben den ergreifenden Begebenheiten in den Nachkriegstagen fasst sie auch die Sorgen und Probleme einer jungen Frau in der Gegenwart auf, die in einer gestörten Beziehung lebt. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für diese authentisch geschriebene, berührende Geschichte. 



Mittwoch, 22. Februar 2023

Rezension: Das dritte Land von Karina Sainz Borgo

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Das dritte Land
Autorin: Karina Sainz Borgo
Übersetzerin aus dem Spanischen: Angelica Ammar
Erscheinungsdatum: 22.02.2023
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783103971224
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„Das dritte Land“ ist einer der Haupthandlungsorte im gleichnamigen Roman von Karina Sainz Borgo. Damit ist, metaphorisch gemeint, ein Bereich zwischen zwei gegensätzlichen Orten wie beispielsweise inmitten des Diesseits und der jenseitigen Welt gemeint. In der Geschichte hat Visitación Salazar, eine der beiden Protagonistinnen, eine illegale Begräbnisstätte an der nordwestlichen Grenze Venezuelas als Drittes Land bezeichnet. Hier bestattet sie für einen kleinen Obulus oder auch kostenlos die Toten, die sonst keine würdige Besetzung erhalten. Sie stellt sich damit dem Widerstand derjenigen entgegen, die sich in ihrem Umfeld Macht angeeignet haben. Das Cover des Buchs zeigt Grabkammern, wie Visitiación sie auf schlichtere Art benutzt.

Angustias Romero, die zweite Protagonistin, ist verheiratet, besitzt ihr eigenes Friseurgeschäft und hat erst vor kurzem mit Zwillingen entbunden. Die Familie lebt in einem Tal, das von immer mehr Bewohnern verlassen wird. Dort breitet sich die Pest immer mehr aus, die zum Vergessen führt. Angustias beschließt aus Angst zu fliehen. Ihre Kinder sind den Strapazen der Reise nicht gewachsen und das Ehepaar verliert alles Geld und die Pässe. Durch Zufall erfährt Angustias von Visitiación. Erschöpft von den vergangenen Tagen und Wochen hat sie nur noch den Wunsch, in der Nähe ihrer begrabenen Söhne zu bleiben. Nach einer ersten Skepsis ist Visitación damit einverstanden und bindet sie schon bald in ihre Tätigkeiten ein.

Der Begriff Pest wird im Roman synonym zu dem der Seuche verwendet. Nach den Erfahrungen während der CoronaZeit konnte ich die Angst von Angustias gut nachvollziehen. Allerdings lebt sie in einem überaus korrupten Land. Sie verlässt mit ihrer Flucht vertrautes Terrain und begibt sich auf die Suche nach einer neuen Heimat, die ihr und ihrer Familie vor allem einen gesicherten Lebensstandard bieten soll. Die Reise zeigt ihr, dass es fast unmöglich ist, einen solchen Ort zu finden. Die anpackende Art von Visitiación verdient ihren Respekt und Bewunderung. Die fast 60-jährige scheint vor nichts und niemandem Angst zu haben und stellt sich Gefahren beherzt und manchmal mit großer Klappe entgegen. Aber Angustias spürt die Gütigkeit der Bestatterin, die für die Gerechtigkeit einfacher Leuten kämpft. Karina Sainz Borgo zeigte mir als Leserin auch die verletzliche Seite von Visitiación.

Die Geschichte wird zum Teil von Angustias erzählt und dadurch kam ich ihren Gefühlen nah. Die von ihr geschilderten Begebenheiten wechseln sich ab mit solchen, in denen die Autorin als allwissende Erzählerin von der Macht, Gier und Bestechlichkeit der Regierenden, ihren Untergebenen sowie denen berichtet, die danach trachten es ihnen gleich zu tun. Der Tod gehört zum Alltag und wird als Folge einer Handlung in Kauf genommen statt, denn Leben erscheint für Zartbesaitete nicht geeignet. Karina Sainz Borgo ist in Venezuela aufgewachsen. Der Ort, an dem Visitiación wohnt ist nicht genau benannt und steht für jede beliebige Gegend unweit der Grenze zu Kolumbien. Beispielhaft gelingt es ihr, Missstände im Land aufzuzeigen. Viele BürgerInnen haben sich damit arrangiert und versuchen sich vor terrorisierenden Gruppierungen in Acht zu nehmen und unauffällig zu bleiben.

Die Beschreibungen der Autorin sind eindringlich. Ich werde mich nach dem Lesen des Romans „Das dritte Land“ von Karina Sainz Borgo noch länger an die Hitze, den Staub und die Ausweglosigkeit der BewohnerInnen auf die baldige Besserung der Lebensverhältnisse erinnern. Zurück bleibt aber auch die Hoffnung auf Menschen wie Visitiación, die sich mit ihrem Verhalten für Menschlichkeit und Rechtschaffenheit einsetzen. Gerne empfehle ich diesen ergreifenden Roman weiter.

Montag, 20. Februar 2023

Rezension: Mein Leben in deinem von Jojo Moyes


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Mein Leben in deinem
Autorin: Jojo Moyes
Übersetzerin: Karolina Fell
Paperback: 496 Seiten
Erschienen am 2. Februar 2023
Verlag: Wunderlich

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Sam und Nisha stammen aus völlig unterschiedlichen Welten. An der Seite ihres Mannes reist Nisha um die ganze Welt und führt ein Luxusleben. Sam hingegen muss sich mit einem misogynen Chef herumschlagen, außerdem hat ihr Mann seinen Vater und seinen Job verloren und kämpft mit einer Depression. Immerhin schafft sie es, den Gutschein ihrer Tochter für einen Besuch im Fitnessstudio einen Tag vor dem Ablaufdatum einzulösen. Doch nach dem Sport greift sie aus Versehen nach der falschen Tasche. Der Inhalt: Eine Chanel-Jacke und Schuhe von Christian Louboutin. Da sie die Wahl hat, den nächsten Geschäftstermin in Flipflops oder den Louboutins wahrzunehmen, entscheidet sie sich kurzfristig für letzteres und schlüpft in die fremden Schuhe.

Nisha findet in ihrer Tasche hingegen nur ein Paar abgelaufener Pumps und muss kurz darauf eine schockierende Entdeckung machen: Während sie im Studio war, hat ihr Mann alles für eine Trennung in die Wege geleitet. Sie darf die Wohnung nicht mehr betreten und hat keinen Zugriff mehr auf irgendein Konto. Ihr bleibt nur, was sie am Leib trägt sowie der Inhalt der falschen Tasche. Verzweifelt sucht sie nach einem Weg, zu ihrem Recht zu kommen.

Das Buch legt zu Beginn ein gutes Tempo vor und die zuvor beschriebene Situation ist nach wenigen Seiten eingetreten. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass eine Situation wie die von Nisha wirklich eintreten kann, doch laut Danksagung hat ist die Autorin hier nah an der Realität geblieben. Auf mich wirkte Nisha zunächst sehr arrogant, während ich gleichzeitig ihre Wut und ihren Ärger darüber, wie ihr Mann sie behandelt, gut nachvollziehen konnte. Ich hoffte mit, dass sie einen Weg finden wird, an ihre Habseligkeiten und eine faire Scheidung zu kommen.

Die Story von Sam ist etwas weniger dramatisch, aber ebenfalls emotional. Ihr Mann leidet unter einer Depression und ihr Chef schikaniert sie, was sich beides auf ihre eigene psychische Gesundheit auswirkt. Ihre Versuche, die Tasche zurückzugeben, scheitern, und so werden die Louboutins für sie zu einer Art Glücksbringer, der ihr neuen Auftrieb gibt. 

Im Mittelteil hat der Roman einige Längen. Ich wartete mit zunehmender Ungeduld darauf, dass sich die beiden Frauen endlich begegnen. Zum Ende hin wird es richtig spannend und ich habe mitgefiebert, dass sich alles zum Guten wenden wird. Gerne empfehle ich diese Geschichte über zwei ungleiche Frauen, deren Lebenswege sich durch einen Zufall in Form eines Paars Schuhe von Christian Louboutin kreuzen, weiter.

Samstag, 18. Februar 2023

Rezension: Das kleine Bücherdorf - Frühlingsfunkeln von Katharina Herzog

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Das kleine Bücherdorf - Frühlingfunkeln (Band 2 von 4)
Autorin: Katharina Herzog
Erscheinungsdatum: 14.02.2023
Verlag: Rowohlt Polaris (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Broschur mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783499009471
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Es ist Frühling geworden in Swinton-on-Sea, einem Dorf mit vielen Buchhandlungen in Schottland, das Katharina Herzog in ihrer Fantasie hat entstehen lassen. Aber wie im echten Wigtown, das ihr als Vorlage diente und das sich selbst als „Scotland’s National Book Town“ bezeichnet, gibt es in Swinton nicht nur Bücher, sondern Menschen mit Geschichten, wie das Leben sie schreibt. Im zweiten Teil „Frühlingsfunkeln“ der Quadrologie „Das kleine Bücherdorf“ begegnete ich vielen der wunderbaren Figuren aus dem ersten Band erneut. Im Mittelpunkt steht diesmal Shona, die in Swinton ein Café betreibt.

Shona bietet leckeres Kleingebäck an, das sie selbst herstellt. Niemand weiß, dass sie einen Blog betreibt und darauf Briefe veröffentlicht, die Fremde ihr zusenden und in denen diese ein von ihnen nie genanntes Geheimnis offenbaren. Sie selbst hat dabei den Anfang gemacht mit einem Schreiben an Alfie, einen ihrer beiden besten Freunde aus Kindertagen. Sie waren später liiert. Seinen Unfalltod hat sie nie begreifen können. Nach einer langen Zeit erhält sie eine Antwort auf ihren Brief, die darauf schließen lässt, dass der Verfasser sie kennt. Währenddessen hält sich Nate, auch einer von Shonas früheren besten Freunden, im Ort auf. Er wurde damit betraut das Haus der Großmutter von Alfie zu verkaufen. Shona liebäugelt damit, das Gebäude zu erwerben, weil sie damit viele schöne Erinnerungen verknüpft, aber die Finanzierung macht ihr Sorgen. Eine Lösung scheint in weiter Ferne zu liegen.

Katharina Herzog gelingt wieder, die Gefühle ihrer Figuren dem Lesenden zu vermitteln. Shona ist eine leidenschaftliche Bäckerin. In ihrer Küche verbringt sie die meiste Zeit des Tages. Als Cafébesitzerin muss sie freundlich zu ihren Kunden sein, aber im Privaten ist sie abweisend. Bereits im ersten Band der Serie merkt man, dass sie etwas zu verbergen scheint. Ihr Brief auf ihrem Blog, den sie unter Pseudonym betreibt, zeigt ihre verletzliche Seite und deckt auf, wie bewegt sie bis heute vom Tod ihres Freunds ist.

Nate gilt nach einer Buchveröffentlichung als Bestsellerautor. Bisher ist ihm kein weiterer Erfolg vergönnt. Aber er weiß, voran das liegt und ist seit zehn Jahren darum bemüht, den Grund zu verbergen. Stattdessen versucht er sein Image als berühmter Schriftsteller aufrecht zu erhalten, was ihn eine Menge Geld kostet. Das Vertrauen in seine Person von Freunden und vom Verlag schwindet zusehends.

Die Autorin weist auf die Folgen hin, wenn es bei der Kommunikation zwischen FreundInnen zu Heimlichkeiten kommt und das Unausgesprochene bei jedem Zusammentreffen im Raum steht. Für Außenstehende wird ein Spannungsfeld spürbar, für die Betroffenen entsteht ein unüberbrückbarer Graben. Aber dem bekannten Schreibstil von Katharina Herzog entsprechend bleibt es nicht bei berührenden dramatischen Ereignissen in Swinton, sondern sie schreibt auch über viele erfreuliche Begebenheiten, die die Bewohner des Dorfes erleben.

Der vorliegende zweite Band der Reihe hat mir noch besser gefallen als der erste. Es hat mir gefallen, beim Lesen wieder nach Swinton zurückzukehren und ich habe mir anhand der Beschreibungen die Gegend gut vorstellen können. Außerdem konnte ich an der Seite der Charaktere weitere interessante Sehenswürdigkeiten in der Umgebung entdecken.

In ihrem Roman „Frühlingsfunkeln“ macht Katharina Herzog Mut, seinen Bezugspersonen zu vertrauen und eine Aussprache zu suchen, denn manche Themen können erst gemeinsam geklärt werden. Die Autorin schaffte es erneut, mich durch erfreuliche und bekümmernde Ereignisse zu berühren.  Das Ende schenkte mir wieder Wohlbehagen, so dass ich mich darauf freue, bald wieder im dritten Band der Reihe nach Swinton reisen zu dürfen. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung an Lesende von Liebesromanen.


Mittwoch, 15. Februar 2023

Rezension: Die Unannehmlichkeiten von Liebe von Ali Hazelwood


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Die Unannehmlichkeiten von Liebe
Autorin: Ali Hazelwood
Übersetzerin: Anna Julia Strüh
Paperback: 496 Seiten
Erschienen am 26. Januar 2023
Verlag: Rütten & Loening

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Mara, Sadie und Hannah sind seit ihrem Promotionsstudium an der Caltech beste Freundinnen. Während Mara anschließend nach Washington, D.C. gezogen ist, um für die Environmental Protection Agency zu arbeiten, entwickelt Sadie in New York bei einem Start-Up okologisch nachhaltige Gebäude. Und Hannah hat sich auf Raumfahrt spezialisiert und einen Job bei der NASA ergattert, für die sie in einer Forschungsstation in Norwegen Experimente mit Marsrovern macht. "Die Unannehmlichkeiten von Liebe" beinhaltet drei Storys, die sich jeweils einer der Freundinnen widmen, sowie ein Bonuskapitel.

Die beiden Romane von Ali Hazelwood habe ich sehr gern gelesen, weil mir das naturwissenschaftliche Setting und die humorvollen Szenen gefallen haben. Ich habe mich deshalb gefreut, dass nun auch ihre drei auf Englisch als "STEMinist Novellas" veröffentlichten Storys auf Deutsch gebündelt als Buch erschienen sind. Sie bieten alle einen Enemys-to-Lovers Plot, der je mit einer überraschenden Situation in der Gegenwart beginnt und dann in Rückblicken erklärt, welche Ereignisse dorthin geführt haben.

Grundsätzlich fand ich alle drei Protagonistinnen sympathisch und fand es schön, dass die Storys über gemeinsame Videocalls verbunden sind. Leider hatte ich gleich mit der ersten Story meine Probleme, da ich mit dem Szenario wenig anfangen konnte. Ich kenne mich im amerikanischen Rechtssystem nicht aus, finde es aber so oder so merkwürdig, dass Mara in ein bereits bewohntes Haus ohne Einverständnis einziehen kann und will, weil sie daran Anteile geerbt hat. Die ausführliche Sexszene dieser Story fand ich eher befremdlich und obendrein etwas fraglich in Sachen Consent.

Die anderen beiden Storys haben mir deutlich besser gefallen. Sadie bleibt mit einem Mann im Fahrstuhl stecken, mit dem sie nichts mehr zu tun haben wollte, und Hannah gerät während ihres Aufenthalts in Norwegen in Schwierigkeiten. Auch wenn die Resultate der Storys natürlich vorhersehbar sind, boten die Rückblicke einige Überraschungen. Das Bonuskapitel spielt einige Jahre später, hier finden alle drei Storys noch einmal zusammen und es gibt ein kurzes Wiedersehen mit jeder Protagonistin.

Trotz der unterschiedlichen Situationen hatte ich beim Lesen das Gefühl, drei im Kern extrem ähnliche Storys zu lesen. Zum einen sind die Männer trotz unterschiedlicher Haarfarben immer derselbe Typ: Sehr groß und muskulös, nach außen tough, aber eigentlich sensibel und - was immer wieder betont wird - mit einem riesigen Penis ausgestattet. Aufgrund der geringen Länge der Storys fallen auch die Einblicke in das naturwissenschaftliche Berufsleben der Protagonistinnen, die mir in den Romanen so gefallen haben, extrem kurz aus.

Der ständige Gebrauch des f-Wortes bei Abwesenheit sämtlicher anderer Symonyme für Geschlechtsverkehr zeigt, dass die Storys auch sprachlich an Variation vermissen lassen. Ich habe trotz der Kritikpunkte mit dem Buch leichte, unterhaltsame Lesestunden verbracht und darauf hingefiebert, dass die Paare trotz der Umstände zusammenfinden. Allerdings haben mir die beiden Romane der Autorin deutlich besser gefallen.

Montag, 6. Februar 2023

Rezension: Fräulein vom Amt - Der Tote im Kurhaus von Charlotte Blum

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Fräulein vom Amt: Der Tote im Kurhaus
Autorin(nen): Charlotte Blum
Erscheinungsdatum: 25.01.2023
Verlag: Scherz (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783651001121
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Alma Täuber, die als „Fräulein vom Amt“ in der Kur- und Bäderstadt Baden-Baden arbeitet und bereits vor einigen Monaten bei der Aufklärung eines Mordfalls behilflich war, ermittelt im Roman „Der Tote im Kurhaus“ zum zweiten Mal. Sie ist die Protagonistin in der nach ihrem Beruf benannten Serie von Charlotte Blum, einem offenen Pseudonym der beiden Autorinnen Regine Bott und Dorothea Böhme. Der Untertitel gibt selbstredend den Fundort des Verstorbenen preis. Wie es zum Todesfall kam, wirft Rätsel auf.

Der fiktive kulturelle Höhepunkt der Stadt im Jahr 1924 stellt die Aufführung einer Verdi-Oper im Kurhaus dar, bei der die ägyptische Königstochter „Aida“ im Fokus steht. Dazu werden hochkarätige Ensemblemitglieder engagiert. Viele Gäste kommen von auswärts zur Premiere. Am nächsten Tag findet passend zum Thema Ägypten ein Motto-Abend mit Musik und Tanz statt, auf dem Interessierte auch einige Skulpturen von Ausgrabungsstätten des fernen Landes besichtigen können. Am nächsten Morgen wird der Tenor der Oper vor dem Kurhaus tot aufgefunden und es gibt nur wenige Zweifel daran, dass er erschlagen wurde. Der Hauptverdächtige stand in einer Beziehung zu Emmi, der besten Freundin und Mitbewohnerin von Alma, von der sie um Hilfe gebeten wird, um dessen Unschuld zu beweisen.

Alma ist im Gegensatz zu Emmi bedächtiger in ihren Handlungen. Zum Teil ist das ihrem Beruf geschuldet, denn von den Fernsprechvermittlerinnen wird ein sittsames Leben erwartet. Für die Fräulein vom Amt bleibt die Wahl zwischen Heirat oder Beruf, was für Alma nicht immer einfach ist, weil sie sich ein Leben an der Seite von Kriminalkommissar Schiller gut vorstellen kann, aber auch ihre Arbeit liebt, die ihr Unabhängigkeit gibt. Die Autorinnen schildern im Roman vorstellbare Szenen aus dem Alltag in der Vermittlung mit zwischenmenschlichen Konflikten innerhalb der Gruppe der dort Tätigen wie auch im Kontakt mit den Anrufenden.

Emmi ist im Gegensatz zu Alma lebenslustiger und in Liebesdingen unbeständiger. Ihr Beruf als Dekorateurin führt sie in die Häuser der Gutbetuchten sowie in Hotels und öffentliche Gebäude. Mit ihr gelingt Charlotte Blum eine Konstruktion, die Alma trotz ihres zurückhaltenden Lebensstils an Orte führt, die ansprechend sind und Flair zeigen. Lediglich die Erläuterungen zu den Zusammenhängen führen schonmal zu kleinen Längen.

Die Autorinnen binden zahlreiche Details über die damalige politische Situation, aber auch zu Musik, Film, Mode und Literatur in die Geschichte ein. Baden-Baden gibt sich mondän und im Trend der Zeit. Ferne Länder zu erkunden ist teuer, aber machbar und wird für viele zum Traumziel. Ein Glossar am Ende des Romans erklärt einige historische Persönlichkeiten, Begebenheiten und kulturelle Glanzstücke.

Mit dem zweiten Band „Der Tote im Kurhaus“ der Serie um Alma Täuber, dem „Fräulein von Amt“ ist Charlotte Blum erneut ein Roman gelungen, dessen Handlungen gut aufeinander abgestimmt sind und dabei ein vorstellbares Bild der Stadt und Gesellschaft von Baden-Baden im Jahr 1924 vermitteln. Das Ende der Geschichte verheißt auch für den dritten Band eine Zusammenarbeit von Alma und ihren Freunden bei Fallermittlungen in der Kurstadt und lässt mich mit dem Untertitel „Spiel auf Leben und Tod“ auf dramatische Begebenheiten hoffen. Gerne empfehle ich das Buch an Freunde historischer Romane weiter. 

Sonntag, 5. Februar 2023

Rezension: Mann im Mond (Erzählungen) von Lana Bastašić


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Mann im Mond (Erzählungen)
Autorin: Lana Bastašić
Hardcover: 208 Seiten
Erschienen am 25. Januar 2023
Verlag: S. FISCHER

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Ein Junge und sein jüngerer Bruder stellen sich im Garten lebhaft die Ereignisse rund um die Mondlandung vor, während die Eltern drinnen vor dem Fernsehen gemeinsam mit ihren Gästen die Vorgänge am einzigen Fernseher des Dorfes anschauen. Der Junge hat noch Schmerzen von dem letzten Mal, als er von seinem Vater verprügelt wurde, und ist froh, dass sein kleiner Bruder bislang von ihm verschont blieb. Woanders wird ein Junge von seinem Vater nach der Schwimmstunde gedemütigt, und ein Mädchen soll auch nach der Sportstunde weiterlaufen, bis ihr Lehrer plötzlich zusammenbricht. Zwei Geschwister werden von ihrer Mutter auf die Rückkehr ihres Vaters aus dem Krieg vorbereitet.

Lana Bastasic hat in diesem Buch zwölf Erzählungen vereinigt, die gemein haben, dass sie alle aus der Perspektive eines Kindes geschrieben sind. Schon der erste Satz der ersten Erzählung - "Ich brauchte ganz schön lange, um Papa zu erwürgen." (S.9) - verdeutlicht, dass dieses Buch eine schwere Lektüre ist. Es geht um Ängste und ganz verschiedene traumatische Erlebnisse, welche die Kinder gerade erfahren oder erfahren haben, meist im Zusammenhang mit ihren Eltern oder einer anderen nahen Bezugsperson. 

Die Erzählungen beginnen teils mit alltäglichen Situationen, bis es zu einer schockierenden, oftmals geradezu verstörenden Entwicklung kommt. Andere steigen bereits mit einem klaren Statement ein, was Leser:innen erwartet. Oft ist es ein Ich-Erzähler oder ein Ich-Erzählerin, dem oder der ich mich nahe fühlte. Einzelne Geschichten sind aber auch in einer Er-, Du- oder Wir-Form geschrieben. Sprachgewandt erzählt Lana Bastasic von Angst, Hilflosigkeit, Wut und Trauer, aber auch Momenten des Mutes und der Selbstermächtigung. 

Die Erzählungen stimmten mich nachdenklich im Hinblick darauf, wie mächtig der Einfluss erwachsener Bezugspersonen auf Kinder ist und wie traumatische Erlebnisse sie ihr Leben lang prägen werden. Die Mehrheit der Geschichten hat mich berühren und schockieren können, es gab jedoch auch einige, aus denen ich weniger herausziehen konnte. Insgesamt eine eindrückliche Lektüre, die ich weiterempfehlen kann.