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Freitag, 15. März 2024

Rezension: Ein falsches Wort von Vigdis Hjorth


Ein falsches Wort
Autorin: Vigdis Hjorth
Übersetzerin: Gabriele Haefs
Hardcover: 400 Seiten
Erschienen am 13. März 2024

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Bergjlot hat zwei jüngere Schwestern und einen älteren Bruder. Ihre eigenen Kinder sind schon erwachsen, da bricht unter ihren Geschwistern ein Streit ums Erbe der Eltern aus. Einst wurde ihnen versprochen, dass sie alle gleich viel erben sollen. Doch nun haben die Eltern den jüngeren Schwestern Astrid und Åsa je eine der beiden Hütten in Hvaler überschrieben und dabei einen sehr niedrigen Wert angesetzt. Ihr Bruder Bård fühlt sich ungerecht behandelt und möchte Bergjlot auf seiner Seite wissen. Die ist erstaunt, dass sie überhaupt noch etwas erben soll, hat sie doch Jahre zuvor den Kontakt zur Familie gänzlich abgebrochen. Auf Bårds Drängen hin äußert sie sich schließlich doch dazu. Aber je mehr sie sich dadurch wieder mit ihrer Familie beschäftigen muss, desto stärker dringen alte, schmerzhafte Erinnerungen an die Oberfläche.

Auf der ersten Seite der Geschichte informierte die Ich-Erzählerin Bergjlot mich, dass ihr Vater seit fünf Monaten tot ist. Danach beginnt sie ihren Bericht, was sich in den Wochen davor und danach zugetragen hat. Zunächst dreht sich alles um den Streit ums Erbe: Die beiden jüngeren Schwestern möchten Auseinandersetzungen verhindern, finden die Überschreibung der Hütten an sie aber auch fair, da sie seit Jahren viel mehr Zeit mit den Eltern verbringen haben als Bård und Bergjlot. Aus Sicht der beiden älteren Geschwister gab es gute Gründe für ihr Fernbleiben, doch diese werden zunächst nicht ausgeführt.

Der ganze Roman ist aus der Perspektive der Ich-Erzählerin Bergljot geschrieben. Selbst die Briefe und Mails, die sie mit ihren Geschwistern austauscht, fasst sie mit eigenen Worten zusammen. Dadurch entsteht ein einseitiger Blick auf die Ereignisse. Es wird immer deutlicher, dass Bergjlot das Erbe tatsächlich relativ egal ist und ich fragte mich, warum sie den Kontakt zur Familie abgebrochen hat. Ihre Gedanken kreisen, aber immer, wenn sie sich den Gründen nähert drehen sie ab. Sie erwähnt, dass sie viele Jahre Therapie in Anspruch genommen hat wegen Dingen, die ihr als Kind widerfahren sind. In der zweiten Buchhälfte gelingt es ihr schließlich besser, das Unaussprechliche zumindest grob in Worte zu fassen.

Wie reagiert eine Familie auf schwerwiegende Anschuldigungen aus ihrer Mitte, an denen sie eigentlich zerbrechen müsste? In diesem Fall entscheidet sie sich für Verleugnung zugunsten von Harmonie. Bergjlot ist eine unzuverlässige Erzählerin, doch mit der Zeit konnte ich immer besser nachvollziehen, wie sehr sie unter den Reaktionen ihrer Familie leidet. Ihre ganze Wut, Enttäuschung und Trauer bricht hervor, die alten Wunden werden durch den Erbstreit aufgerissen, während ihre Familie auf Versöhnung drängt. Doch den dafür aufgestellten Regeln, die besagen, dass sie dafür von ihrer Wahrheit abrücken muss, kann sich Bergjlot nicht fügen. 

Die Rückblicke in die Vergangenheit, wie es der Erzählerin als junge Erwachsene ergangen ist, brachten für mich nur wenig Erkenntnisgewinn und ich erlebte während der Lektüre durch sich wiederholende Kommunikationsmuster einige Längen. Aus meiner Sicht ist es aber letztendlich die mangelnde Figurenentwicklung, die den Roman ausmacht und zu der schmerzaften Erkenntnis führt, dass manche Wunden nicht heilen können, wenn niemand seine Sicht auf die Dinge überdenken möchte. Eine eindrückliche Lektüre, die nachhallt.