Rezension von Ingrid Eßer
Titel: Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten
Autorin: Anna Maschik
Erscheinungsdatum: 10.09.2025
Verlag: Luchterhand (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783630878140
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In ihrem Roman ‚Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten‘ zeichnet Anna Maschik das vielschichtige Porträt einer Familie über mehrere Generationen. Die Erzählung entfaltet sich Schicht um Schicht, wie die Zitrone, die auf dem Cover abgebildet ist. Sie beginnt vor mehr als hundert Jahren mit der dreizehnjährigen Bäuerin Henrike, die nach dem frühen Tod der Mutter den Haushalt für ihren Vater und ihre Brüder führt. Sie leben in einem Dorf im Norden Deutschlands. Um den Hunger der Familie zu stillen, schlachtet sie unerlaubterweise ein Schaf, was anders als bei anderen Arten lautlos vonstatten. Mit dieser Handlung beginnt das Buch und gibt ihm den Titel.
Henrikes Urenkelin Alma tritt als Erzählerin der Geschichte
auf. Sie fügt die überlieferten Episoden, die nicht immer chronologisch
angeordnet sind, mosaikartig zusammen. Anna Maschik gestaltet ihren Roman abwechslungsreich:
Sie verwendet zahlreiche Stilmittel wie beispielsweise Metaphern, Repetitionen
und Personifikationen. Durch eingestreuten Realismus erscheinen einige
Begebenheiten unrealistisch, aber Alma erzählt so, wie sie es gehört hat. Die
Lesenden sind gefordert, das Geschehen nach ihren eigenen Vorstellungen zu deuten.
Der lange Schlaf einer Figur lässt auf ihre Bedeutungslosigkeit in dieser Zeit schließen,
das Verblassen der Farben wird zum Symbol für ein anhaltendes Gefühl von Trauer.
Politische Veränderungen haben spürbare Auswirkungen auf das tägliche Leben der
Familien.
Die unbenannten Kapitel sind kurz und bestehen mehrfach nur
aus einer Auflistung, mit denen Alma sich Übersichten zu bestimmten Themen
schafft und dabei Gegensätze verdeutlicht. Die Sätze sind auf das Wichtigste
beschränkt, doch trotz der dadurch entstehenden Lücken erhält man einen guten
Einblick in das entbehrungsreiche bäuerliche Leben. Nach der Heirat von Almas Großmutter
mit dem Sohn eines Möbelhändlers sind die nun veränderten alltäglichen
Herausforderungen ebenso nachvollziehbar geschildert. Über die Generationen
hinweg bringt die Autorin zum Ausdruck, dass die Mütter und die Väter sich
darüber uneins sind, ob ein weiblicher oder ein männlicher Nachwuchs es
leichter im Leben haben wird. Die Frauen haben den Wunsch, ihre Erziehung
anders zu gestalten als die eigene Mutter, doch Anna Maschik zeigt, dass sich
dennoch gewisse Muster ungewollt ständig wiederholen. Die Ablösung von der vorherigen
Generation erweist sich selbst bei räumlicher Distanz als schwierig.
Anna Maschiks Roman „Wenn du es heimlich machen willst,
musst du die Schafe töten“ ist eine kunstvoll geschichtete Erzählung, die über
Jahrzehnte auf das Gefüge einer Familie blickt. Die Belastungen des Alltags, die
Freuden und Sorgen, die Liebe und das Leid der Figuren werden spürbar, lassen
aber Platz zur eigenen Interpretation. Sehr gerne vergebe ich eine
Leseempfehlung für diese eindrucksvolle Buch.