Montag, 3. Februar 2025

Rezension: Klapper von Kurt Prödel

 


Rezension: Ingrid Eßer

Titel: Klapper
Autor: Kurt Prödel
Erscheinungsdatum: 30.01.2025
Verlag: park X Ullstein (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783988160249
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In seinem Debütroman „Klapper“ nimmt Kurt Prödel den Lesenden mit in das Jahr 2011, als seine Titelfigur die neue Klassenkameradin Vivi-Marie kennenlernt, die sich „Bär“ nennen lässt. Jahre später, im Frühjahr 2025, sitzt Klapper, der mit bürgerlichem Namen Thomas heißt, vor seinem Rechner. Er möchte den Wert seiner virtuellen Waffen eines Computerspiels überprüfen, das er früher häufig gespielt hat. Dabei fällt ihm das Profilbild einer Mitspielerin auf. Es gehört zum Account von Bär unter dem der Vermerk steht, dass die Gamerin seit mehr als dreizehn Jahren offline ist. Für mich als Leserin stellte sich die Frage, welcher Umstand dazu geführt hat.

Klapper ist ein Außenseiter in seiner Klasse. Er ist ein Nerd, der die gesamten Schulferien in seinem Zimmer vor dem PC verbringt. Seinen Spitznamen verdankt er den deutlich hörbaren Klickgeräuschen seiner Gelenke, was ihn häufig zum Ziel von Spottversen macht. Das ändert sich, als Bär sich im Unterricht neben ihn setzt und sich bei einer Auseinandersetzung mit einem Mitschüler auf seine Seite schlägt.

Mit seinen Eltern wohnt Thomas in einem Neubaugebiet am Rande einer Kleinstadt im Westen Deutschlands. Vivi-Marie hingegen lebt in einer wohlhabenderen Gegend. In ihrem Zimmer unter dem Dach widmet sie sich genauso leidenschaftlich wie Thomas dem Gaming. Sie ist groß und kräftig. Im Vergleich zu Klapper ist sie kommunikationsfreudiger und integriert sich rasch in die Klassengemeinschaft. Sie bemüht sich, ihn aus seiner Zurückgezogenheit herauszuholen.

Die Erzählung wechselt zwischen zwei Zeitebenen, wobei die Gegenwart in nur wenigen Szenen beleuchtet wird. Sowohl Klapper als auch Bär sind gut konstruierte, interessante Hauptfiguren. Bei Vivi-Marie fehlte mir aber manchmal eine genauere Erklärung für ihre Ansichten, wodurch ich ihre Handlungen nicht immer nachvollziehen konnte.

Die Beschreibung des Geschehens erscheint aus dem Leben gegriffen. Fast jeder Lesende, der zu Beginn der 2010er Jahre aufgewachsen ist, kennt vermutlich jemanden wie Klapper. Ich konnte mich gut in ihn und sein Umfeld einfühlen. Am Ende der Geschichte überrascht der Roman mit einer unerwarteten Wendung.

In seinem Roman „Klapper“ erzählt Kurt Prödel von einer Freundschaft zweier Computerfreaks, die dabei sind, sich selbst zu finden. Vor allem der Schluss sorgt dafür, dass die Geschichte nachhallt. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

Donnerstag, 30. Januar 2025

Rezension: Halbe Leben von Susanne Gregor

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Halbe Leben
Autorin: Susanne Gregor
Erscheinungsdatum: 28.01.2025
Verlag: Zsolnay (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783552075665
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Zwei Frauen befinden sich auf einer Wanderung. An einer steilen Böschung stürzt eine von ihnen ab und verstirbt im Krankenwagen. So beginnt der Roman „Halbe Leben“ von Susanne Gregor. Der Anfang lässt eine hintergründige Spannung aufkommen. Als Leserin fragte ich mich, ob ein Motiv für ein Verbrechen vorliegt, ob es ein Unfall war oder die Tote den Schritt in den Abgrund bewusst gesetzt hat.

Eine der beiden Frauen auf der Wanderung ist die in Österreich im Kremstal lebende Klara. Sie ist von Beruf Architektin, verheiratet und hat eine elfjährige Tochter. Ihre Mutter Irene bewohnt nach einem Schlaganfall eine Einliegerwohnung im ersten Stock ihres Hauses. Weil Klara mit der Betreuung überfordert ist, beschließt sie sich an eine Agentur zu wenden, die ihr die Pflegerin Paulina und den Pfleger Radek vermittelt. Im ständigen Wechsel von vierzehn Tagen kümmern die beiden sich fortan um Irene.

Paulina war ebenfalls bei dem Wanderausflug dabei. Sie ist gelernte Krankenschwester, geschieden und lebt mit ihren zwei Söhnen in Slowenien. Mit ihrer Arbeit im Nachbarland kann sie mehr verdienen als auf einer Krankenstation in der Heimat. Ihre Schwiegermutter kümmert sich um die Jungen, während sie ihrem Beruf nachgeht. Im Laufe der Zeit merkt sie, dass ihre „halben Leben“ gemeinsam kein ganzes mehr ergeben.

Die Pflege von Irene durch Paulina erscheint zunächst als eine gute Lösung für beide Frauen. Die Slowenin ist bei Klaras Familie beliebter als Radek, weil sie in größerem Maße auf Irenes Wünsche eingeht. Nachdem Klara durch die Unterstützung deutlich entlastet wird, kann sie sich beruflich wieder mehr engagieren. Gelegentlich bitten sie und ihr Mann die Pflegerin um eine zusätzliche Gefälligkeit und entgelten sie dafür gut.

Paulina kommt der Bitte ihrer Arbeitgeberin um eine weitere Hilfeleistung scheinbar willig entgegen. Es kostet sie aber wertvolle Zeit, die sie nicht mit ihren Kindern verbringen kann. Um ihr Problem zu kommunizieren, fehlen ihr die Worte. Klara hingegen besitzt nicht genügend Einfühlungsvermögen, sich in die Gefühlswelt der Pflegekraft einzudenken. Sie erahnt nicht den Bedarf der Söhne Paulinas an Zuwendung durch ihre Mutter, obwohl sie doch selbst eine Tochter hat.

Weder Klaras Mann, der über genügend Freiräume verfügt, noch Paulinas geschiedener Mann bieten der Slowenin Unterstützung dabei, ihrer Tätigkeit als Pflegerin nachzukommen. Sowohl Klara wie auch Paulina können auf ihre je eigene Weise nicht die Anerkennung finden, die sie gerne hätten. Ungesagte Worte und der innere Zwiespalt beider Frauen führen zu einer zunehmend gereizten Stimmung in deren Umfeld. Bis in die Nebenfiguren hinein sind die handelnden Personen gut ausgearbeitet.

Im Roman „Halbe Leben“ thematisiert Susanne Gregor die Care-Arbeit. Sie nimmt sich speziell der Situation von ausländischen Pflegekräften an, die jeweils für einen gewissen Zeitraum beim Betreuungsbedürftigen wohnen. Ihre Geschichte überzeugt durch eine realitätsnahe Darstellung, stimmt nachdenklich und bleibt im Gedächtnis. Sehr gerne vergebe ich für diese bewegende Erzählung eine klare Leseempfehlung.

Dienstag, 28. Januar 2025

Rezension: Baskerville Hall: Das geheimnisvolle Internat der besonderen Talente - Das Zeichen der Fünf von Ali Standish


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Baskerville Hall: Das geheimnisvolle Internat der besonderen Talente
Band 2: Das Zeichen der Fünf
Autorin: Ali Standish
Übersetzerinnen aus dem Englischen: Sandra Knuffinke und Jessika Komina
Erscheinungsdatum: 28.01.2025
Verlag: Hanser (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover
ISBN: 9783446279803
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Im Jugendbuch „Baskerville Halle – Das Zeichen der Fünf“ der US-Amerikanerin Ali Standish kehrt der schottische Protagonist Arthur Doyle nach den Weihnachtsferien zurück in das titelgebende Internat. Auf seiner Hinreise wird er beschattet, denn sein Lehrer und Vorbild Sherlock Holmes sorgt sich um seine Sicherheit. Anlass dazu gibt die Einmischung von Arthur in die Machenschaften des Grünen Ritters über die man im ersten Band der Reihe „Das geheimnisvolle Internat der besonderen Talente“ lesen konnte.

Durch ein belauschtes Gespräch erfährt Arthur, dass der legendäre „Club des Kleeblatts“ wieder aufleben soll, deren Mitglieder ihm nicht wohlgesinnt sind. Aufgrund bestimmter Anzeichen beginnt er, seinem Freund und Zimmergenossen Jimmy zu misstrauen. Die folgende Zeit wird daher schwierig für ihn, denn er überlegt einmal mehr, mit wem er seine scharfsinnigen Beobachtungen teilen kann, die er mit detektivischem Spürsinn anstellt. Im Laufe der Geschichte erkennt er, wie wichtig Freundschaften für ihn sind. Sein eigenes Verhalten hinterfragt er, woraufhin er sich vornimmt, seinen Gefährten mehr Verantwortung zuzutrauen.

Für die Erstklässler, zu denen Arthur gehört, steht der Ideenwettbewerb der Schule an. Innerhalb weniger Wochen soll jede und jeder ein einzigartiges Projekt fertigstellen, das die Chance bietet, frühzeitig in einen der fünf Schulzirkel aufgenommen zu werden. Doch bevor Arthur dazu kommt, einen eigenen Beitrag zu entwickeln, geschieht etwas Unvorstellbares: Sherlock Holmes fällt aufgrund einer Vergiftung ins Koma. Bei der Suche nach dem Täter erweisen er und seine Freunde sich als tatkräftige Ermittler. Jedoch bleibt Sherlock Holmes nicht das einzige Opfer.

Bereits nach wenigen Seiten fühlte ich mich wieder in der Geschichte angekommen. Der Einstieg fiel mir leicht, auch weil mir die Hauptfiguren und die Örtlichkeiten des Internats durch den ersten Teil bekannt waren. Ali Standish versteht es, von Anfang an Spannung aufzubauen. Dadurch, dass Arthur observiert wird, wurde mir als Leserin deutlich, dass die Bedrohung, der Arthur vor den Ferien ausgesetzt war, längst nicht überwunden ist.

Auf dem Protagonisten lastet ein gewisser Druck, denn durch ein herausragendes Projekt und der vorzeitigen Einladung in einen der Schulzirkel könnte er seine Familie stolz machen. Aber zunehmend fühlt er sich einsam, denn seine Freundinnen und Freunde sind mit ihren eigenen Konzepten beschäftigt. Währenddessen versucht er die Identität des Grünen Ritters aufzudecken und hat bald eine Vermutung. Um an wichtige Informationen zu gelangen, handelt er nicht immer nach den Regeln der Schule.

Ali Standish lässt ganz im Stil der klassischen Sherlock-Holmes- Romane von Arthur Doyle, die für ihre Geschichte gestaltete junge Figur des Autors mehrfach durch logisches Denken Schlussfolgerungen ziehen, die entscheidende Hinweise zur Aufklärung von Verbrechen beitragen. Wie im ersten Band der Reihe wird es teilweise magisch und mysteriös. Einige der Figuren beschäftigen sich fasziniert mit dem Thema Unsterblichkeit, von denen eine schließlich in einer faszinierend geschilderten Szene das Leben verliert. Am Ende des Buchs findet sich ein Abriss über die eher unbekannten Seiten des Schriftstellers Arthur Conan Doyle, ergänzt um Fotos aus seinem Leben.

„Das Zeichen der Fünf“ ist der zweite Band der „Baskerville Hall“-Reihe von Ali Standish, der mir noch besser gefallen hat als der erste Teil. Neben einer spannenden Detektivgeschichte steht die Freundschaft des Protagonisten und seiner Gefährten im Vordergrund. Als Leserin war ich beeindruckt von den vorgestellten technischen Errungenschaften, die bereits im Jahr 1869 möglich waren. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung und freue mich auf die Fortsetzung, die im Frühjahr 2026 erscheinen soll. Vom Verlag wird das Buch für ein Lesealter ab 10 Jahren empfohlen. 

Freitag, 17. Januar 2025

Rezension: Die Familienangelegenheiten der Johanne Johansen


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Die Familienangelegenheiten der Johanne Johansen
Autorin: Dora Heldt
Erscheinungsdatum: 17.10.2024
Verlag: dtv (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783423445078
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Der Titel des Romans von Dora Heldt „Die Familienangelegenheiten der Johanne Johannsen“ ist genauso eigenwillig wie seine Titelfigur. Johanne ist 65 Jahre alt und gerade in den Ruhestand getreten. Bisher war sie in ihrem Job diszipliniert und pflichtbewusst. Ihre beruflichen Kenntnisse boten dem Chef und den Kollegen Sicherheit. Fragen beantwortet sie kurz und präzise und in hektischen Situationen bleibt sie ruhig. Mit 17 Jahren hat sie ihre Eltern verloren und lebt seither im Haus der Großeltern.

Ihre Cousine Luise ist zehn Jahre jünger. Sie hat einen Blick für alles Schöne und kümmert sich hauptsächlich darum, dass sie selbst gut aussieht und das Eigenheim der Familie stets repräsentativ ist. Der Großvater von Johanne und Luise hat eine Elbreederei gegründet, in der die Mitarbeit der beiden nicht gern gesehen wurden. Allerdings wurden beiden Beteiligungen am Unternehmen zugesprochen. Luises Mann ist derzeit Geschäftsführer. Doch als die Reederei kurz vor der Zahlungsunfähigkeit steht, müssen die beiden neue Wege gehen.

Dora Heldt kreiert in ihrer Geschichte mit Johanne und Luise zwei sehr unterschiedliche liebenswerte Charaktere. Anfangs schätzen sie es nicht, einander zu begegnen, aber sie behandeln einander mit Respekt. Durch die Gegebenheiten können sie es nicht umgehen, miteinander zu handeln. Dabei lernen sie sich besser kennen und ihre Marotten zu akzeptieren. Ich mag es, dass sie sich der Situation anpassen, ohne ihre Eigenarten abzulegen. Ihr Selbstbewusstsein wächst zunehmend mit den von ihnen übernommenen und erledigten Aufgaben. Das gleiche gilt für Luises Tochter Emma und Frida, der Enkeltochter von Johannes Mitbewohnerin, die beide studieren. In der Krise ist ihre Hilfe willkommen.

Die Geschichte ist authentisch, mit schicksalhaften Höhen und Tiefen. Die Themen sind vielfältig und reichen vom Seitensprung über Mitarbeiterzufriedenheit bis hin zu Familienzusammenhalt. Einige Konflikte spitzen sich zu, wodurch eine gewisse Spannung entsteht. Glückliche Umstände wechseln sich mit neuen Desastern ab. Nachdenklich stimmende Szenen stehen amüsanten Situationen gegenüber. Auch Liebe ist mit eingebunden sowie familiäre Geheimnisse. Auf diese Weise ist Dora Heldt ein abwechslungsreich gestalteter Roman gelungen, der für unterhaltsame Lesestunden sorgt. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

Mittwoch, 15. Januar 2025

Rezension: Malen nach Zahlen für Erwachsene - 100 Szenen zum Ausmalen für Disney- und Pixar-Fans

 


Titel: Malen nach Zahlen für Erwachsene 
(empfohlen ab 12 Jahren)
100 Szenen zum Ausmalen für Disney- und Pixar-Fans
Illustrator: Jérémy Mariez
Übersetzerin: Rina Gregor
Erscheinungsdatum: 15.01.2025
Verlag: Ravensburger (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Softcover
ISBN: 9783473498321
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„Malen nach Zahlen – Classic“ aus dem Verlag Ravensburger enthält einhundert Szenen zum Ausmalen, die der Illustrator Jérémy Mariez erstellt hat. Durch den richtigen Einsatz der Farben entstehen Bilder mit Figuren, die man aus Disneys Filmen und Büchern kennt. Am unteren Rand jeder Seite sind die benötigten Farbtöne aufgeführt. Vor dem Ausmalen sollte man sie sich bereitlegen. Dadurch wird es möglich, die vorhandenen Stiften der Farbpalette passend zuzuordnen. Es werden teilweise über zwanzig verschiedene Farben benötigt. Den Farbtönen ist jeweils eine Zahl oder ein Buchstabe zugeordnet, die anweisen, welche Felder ausgemalt werden sollen.

Zu Beginn ist nur ein Gewirr von Linien zu erkennen, aber bald schon schälen sich durch das Ausmalen von Feldern erste Konturen der Figuren heraus. Man muss genau hinschauen, denn vielfach liegen mehrere Areale mit dem gleichen Code nebeneinander. Es gibt auch Zonen, die weiß bleiben. Um es dem Ausmalenden nicht zu leicht zu machen, sind auch diese Felder mit Linien unterteilt, was später beim Betrachten des fertigen Bilds leicht störend wirkt. Ich habe bei einigen Bildern Buntstifte benutzt. Die Linien werden leider nicht ganz abgedeckt. Auch beim Ausmalen mit Filzstiften ließen sich weiterhin die Unterteilungen erkennen. Das Ergebnis ist nur bedingt vergleichbar mit den Bildern in satten Farben, wie die Lösungen am Ende des Buchs sie zeigen. Vielleicht gibt es andere Stifte, die nützlicher sind. Beim Malen mit den Filzern hat sich die Farbe nicht durchgedrückt, sodass ich sowohl Vorder- wie auch Rückseite nutzen konnte.

Das Buch bietet jede Menge Möglichkeiten zum Entspannen. Durch die Konzentration auf die Sache beruhigt das Malen. Bei der richtigen Anwendung der Farben entstehen kleine Kunstwerke mit etlichen bekannten Disneyfiguren wie beispielsweise Tiana, Merida und Arielle, die man seit seiner Kindheit kennt. Neben Protagonistinnen und Protagonisten formen sich auch Nebencharaktere aus den Linien beim Ausmalen. Es ist schön zu sehen, wie sich nach und nach ein Bild ergibt. Ich empfehle gerne dieses Buch, das vom Verlag ab 12 Jahren empfohlen wird. Es ist als Geschenk gut geeignet. Am besten schenkt man es gemeinsam mit einer Kollektion Stifte, die mindestens 24 verschiedene Farben umfassen sollte.

Donnerstag, 9. Januar 2025

Rezension: Wackelkontakt von Wolf Haas

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Wackelkontakt
Autor: Wolf Haas
Erscheinungstermin: 09.01.2025
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783446282728

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Der Trauerredner Franz Escher wartet in seiner Wiener Wohnung auf den Elektriker, denn eine Steckdose in der Küche hat einen Wackelkontakt. In der Jetztzeit greift er zu seinem bereits begonnenen Buch, um das Warten mit Lesen zu überbrücken. Seit längerer Zeit nimmt er nur noch Geschichten zur Hand, in denen das organisierte Verbrechen agiert. Im aktuellen Roman sitzt der 22-jährige Protagonist Elio Russo im Jahr 2002 in Südkalabrien in einer Hochsicherheitszelle. Er wird bald ein neues Leben in einem Zeugenschutzprogramm beginnen. Es wird ihn über die Schweiz nach Duisburg und zu weiteren Städten führen. Von seinem Zellengenossen hat er ein Buch geschenkt bekommen, mit dem er sich die Zeit vertreibt. Es handelt von einer Person, die Escher heißt und auf den Elektriker wartet.

Wolf Haas hat mit „Wackelkontakt“ einen Roman geschrieben, der dem Titel alle Ehre macht. Die Geschichte bewegt sich auf zwei Erzählebenen ohne sichtbare Abgrenzungen hin und her. Sobald eine der Figuren zum Buch greift, wechselt das Szenario. Die Übergänge sind fließend, jedoch mit Cliffhangern. Mitunter erfolgen sie unerwartet und rasch. Die Benennung des Protagonisten Escher erfolgte mit Bezug auf den gleichnamigen niederländischen Künstler, der in seinen Bildern mit Perspektiven spielt. Bekannt wurde er beispielsweise für die Darstellung einer endlosen Treppe. Ähnlich kann sich der Lesende die Fiktion des Autors vorstellen.

Von Beginn an wird eine hintergründige Spannung in beiden Handlungssträngen aufgebaut. Einerseits durch ein Fehlverhalten, andererseits durch Familiengeheimnisse. Als Leserin hat mich die Erzählung fasziniert, sodass es mir schwerfiel, das Buch aus der Hand zu legen. Es untergliedert sich in die beiden Teile „Off“ und „On“. Der zweite Part beginnt, als eine Heimlichkeit aufgedeckt wird. Der Autor bedient sich einiger amüsanter Sprachspielereien. Escher ist einfühlsam, lebt aber recht zurückgezogen. Überlegungen beider Protagonisten zu ihrem früheren oder aktuellen Verhalten zu Familienangehörigen und ArbeitskollegInnen stimmen nachdenklich. Schuldgefühle wollen bewältigt werden. Es wirft sich die Frage auf, ob Fehlverhalten wieder gutzumachen ist.

In seinem Roman „Wackelkontakt“ spielt Wolf Haas mit erzählerischen Perspektiven und schafft dadurch ein einmaliges Werk. Er verwebt das Geschehen rund um zwei interessant gestalteten Protagonisten durch die Sollbruchstelle des Lesens. Einige unerwartete Wendungen sorgen für einen Lesesog, der zu einem Ende führt, das Fragen klärt und für einen überraschenden Abschluss sorgt. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

Dienstag, 17. Dezember 2024

Rezension: Die Frau des Serienkillers von Alice Hunter

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Die Frau des Serienkillers
Autorin: Alice Hunter
Übersetzer aus dem Englischen: Rainer Schumacher
Erscheinungsdatum: 29.11.2024
Verlag: Lübbe (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Paperback
SBN: 9783757700966

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An dem Thriller „Die Frau des Serienkillers“, aus der Feder von Alice Hunter, hat mich interessiert, ob die Handlung einen hohen Spannungsbogen aufweisen kann, wenn der Titel bereits Aussagen über den Täter macht. Außerdem wollte ich mehr darüber erfahren, welche Rolle der Frau des Mörders zukommt. Die Geschichte spielt zum größten Teil in Banbury, einer Kleinstadt vor den Toren Londons.

Die Hauptfiguren Beth und Tom Hardcastle führen eine nach außen hin perfekte Ehe. Sie haben eine dreijährige Tochter und wohnen in einer Gegend, in der man seine Nachbarschaft kennt. Tom pendelt jeden Tag bis London, wo er in einer Bank arbeitet, während Beth in Banbury ein Café betreibt. Eines Tages wird Tom, nach einer verspäteten Heimkehr, zu Hause von der Polizei aufgesucht und mitgenommen. Zunächst heißt es, dass er nur ein paar Fragen zum spurlosen Verschwinden einer früheren Freundin von ihm beantworten soll. Schließlich wird er jedoch in Haft gesetzt.

Für Beth ist die Situation verstörend. Sie versucht ihren Mann vor dem Klatsch und Tratsch im Umfeld zu verteidigen, damit ihre Familie nicht in Verruf gerät. Gleichzeitig kämpft sie dafür, Imageschaden von ihrem Café fernzuhalten. Ihrer kleinen Tochter verheimlicht sie den Grund der Abwesenheit ihres Vaters. Sie will alles dafür tun, damit ihr Kind nicht stigmatisiert wird.

Die Geschichte wird hauptsächlich von Beth aus der Ich-Perspektive über die gegenwärtigen Ereignisse geschildert. Interessanterweise wechseln die Kapitel hin und wieder auch zu Tom, der darin von sich erzählt. Später erfährt man in Rückblicken mehr und mehr über die Ehejahre der beiden. Beinahe jedes der kurzen Abschnitte endet mit einer Andeutung, die den Lesenden veranlasst, rasch weiterzulesen, um die Information einordnen zu können. Am Anfang könnte man daran zweifeln, dass Tom ein Verbrechen begangen hat, denn er wird als smarte Person beschrieben. Langsam kristallisiert sich das Motiv von ihm als Täter heraus. Später erfährt man, wie es ihm gelungen ist, nach außen hin unbescholten zu bleiben.

Die Autorin liefert mit dem Buch ihr Debüt ab. Sie ist Psychologin und hat mit Strafgefangenen gearbeitet. Ihr Wissen über die Denkweise von Tätern hat sie in den Thriller einfließen lassen, wodurch das Handeln der Personen authentisch erscheint. Sehr bald wird dem Lesenden bewusst, dass Beth ebenfalls Geheimnisse haben muss. Es ist jedoch bis zuletzt kaum zu ahnen, in welchem Ausmaß die Protagonistin nicht nur eine Tatsache verbirgt.

Der Thriller „Die Frau des Serienkillers“ von Alice Hunter hält die Spannung bis zum Schluss, der nochmals mit einer Wendung aufwartet. Daraus wird auch das stellenweise eigenwillige Verhalten von Beth verständlicher. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

Sonntag, 15. Dezember 2024

Rezension: Eine Nachtigall in New York von Ben Aaronovitch


Eine Nachtigall in New York
Autor: Ben Aaronovitch
Übersetzerin: Christine Blum
Taschenbuch: 208 Seiten
Erschienen am 12. September 2024

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August Berrycloth-Young, Spitzname Gussie, erhält in New York überraschend Besuch von seinem ehemaligen Schulkameraden Thomas Nightingale. Dieser ermittelt im Fall eines verzauberten Saxophons, wobei ihm Gussie helfen soll. Es sind die 1920er Jahre, und die Spur führt schnell in die Clubszene der Stadt. Durch die Hilfe von Gussies farbigem Partner Lucy, mit dem er eine heimliche Beziehung führt, erhalten die beiden Zauberer Zutritt zu Orten, an denen Weiße ansonsten nichts verloren haben. Als schließlich auch noch eine verzauberte Trompete auftaucht, verdichten sich die Hinweise, die zu mächtigen Männern führen, die in der Stadt im Hintergrund die Strippen ziehen…

Während die magische Welt rund um den Zauberlehrling Peter Grant immer komplexer wird und seine Erlebnisse in seitenstarken Romanen festgehalten werden, sind die Stories aus der magischen Welt für mich immer wieder eine willkommene Ergänzung. Diesmal reiste ich an der Seite von Thomas Nightingale ins New York der 1920er. Dort will er herausfinden, woher das verzauberte Saxophon, das er bereits konfisziert hat, stammt. Gemeinsam mit seinem ehemaligen Schulkameraden Gussie hangelt er sich von einem Hinweis zum nächsten und dabei quer durch die Stadt, mitten hinein ins Nachtleben und bis hin nach Long Island.

Gussie ist ein homosexueller weißer Charakter, der sich in einer Beziehung mit einem schwarzen Mann befindet. Seine Erlebnisse in der Stadt zwischen Heimlichkeit und ausgelassenem Dolce Vita bieten an sich schon einiges an Erzählstoff. Hinzu kommt die „klassische“ magische Ermittlungsarbeit, in der er und Nightingale Bekanntschaft mit einigen Fae machen sowie mit Männern, die nichts Gutes im Schilde führen. Actionreiche Szenen sorgen für spannende Momente und ich habe bis zum Schluss mitgefiebert. Für mich ist „Eine Nachtigall in New York“ wieder einmal eine absolut gelungene Ergänzung zur Hauptreihe, die sich Fans des Autors nicht entgehen lassen sollten.


Freitag, 13. Dezember 2024

Rezension: Zwischen Ende und Anfang von Jojo Moyes


Zwischen Ende und Anfang
Autorin: Jojo Moyes
Übersetzerin: Karolina Fell
Hardcover: 528 Seiten
Erschienen am 10. Dezember 2024
Verlag: Wunderlich (Rowohlt)
Link zur Buchseite des Verlags

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Lila tut sich schwer mit ihrer aktuellen Situation: Ihr Mann hat sie für eine andere Frau verlassen, kurz nachdem ihr Ratgeber für glückliche Beziehungen ein Bestseller geworden ist. Das Verhältnis zu ihren Töchtern ist angespannt, ihr Stiefvater ist seit dem Tod ihrer Mutter quasi bei ihr eingezogen und für ihr neues Buch ist noch kein Kapitel geschrieben. Als sie erfährt, dass ihr Mann mit seiner neuen Freundin ein Kind erwartet, denkt sie, dass dies die Spitze des Eisberges ist. Doch dann steht auch noch ihr leiblicher Vater vor der Tür, der sich jahrelang nicht hat blicken lassen und nicht mal bei der Beerdigung ihrer Mutter war. Damit ist das Chaos in Lias Leben perfekt. Sie muss sich fragen, wie es für sie weitergehen soll und was ihr wirklich wichtig ist.

Als Leserin wurde ich vom ersten Kapitel an mitten hineingeworfen in Lilas trubeliges Leben, mit dem sie aktuell alles andere als zufrieden ist. Nichts scheint nach Plan zu laufen und es kommen immer mehr unerfreuliche Entwicklungen hinzu. Eine wichtige Stütze für sie ist ihre beste Freundin Eleanor, die sie ermutigt, positiv nach vorn zu blicken und auf ein Date zu gehen. Doch davon will Lila zunächst nichts wissen. Das Buch beinhaltet viele herausfordernde Themen, gleichzeitig gibt es immer wieder amüsante Situationen, die der Lektüre eine gewisse Leichtigkeit geben. 

Ich konnte zum einen gut nachvollziehen, dass Lila die Situation belastet, in der sie sich befindet und warum sie sich so schwer damit tut, die Weichen für ihre Zukunft zu stellen. Auf der anderen Seite hatte ich oft das Gefühl, dass sie wirklich an allem etwas auszusetzen hat und sie sich damit das Leben noch schwerer macht, was ich anstrengend fand. Im Hinblick auf ihr neues Buchprojekt trifft sie eine Entscheidung, über die ich nur den Kopf schütteln konnte und bei der ich die weiteren Ereignisse sehr vorhersehbar fand.

Wie der Titel andeutet, gibt es allmählich positive Entwicklungen, die Lila Hoffnung auf einen Neuanfang schöpfen lassen. Es erscheinen neue Charaktere auf der Bildfläche, welche neue Dynamiken in die Handlung bringen. Mit zwei Vätern im Haus und zwei Love Interests wird es plötzlich recht voll in Lias Leben. Es gibt viele tolle Figuren, die ich mit der Zeit immer mehr ins Herz schloss. Ich fand es schön, auch tiefere Einblicke zum Beispiel in das Leben von Lias Tochter Celie sowie ihrem Stiefvater Gene zu erhalten, sodass ich auch hier mithoffte, dass auch sie ihr Glück finden werden. Auch wenn es mir Lila als Protagonistin nicht immer einfach gemacht hat, so ist „Zwischen Ende und Anfang“ insgesamt ein warmherziger Roman mit einer guten Mischung aus unterhaltsamen und nachdenklich stimmenden Szenen, den ich gerne weiterempfehle.


Donnerstag, 12. Dezember 2024

Rezension: Unsichtbar von Eloy Moreno

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Unsichtbar
Autor: Eloy Moreno
Übersetzerin: Ilse Layer
Erscheinungsdatum: 15.03.2023
als Serie auf Disney+ ab 13.12.2024
Verlag: Sauerländer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783737372152
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Lange hat der junge Protagonist des Romans „Unsichtbar“ von Eloy Moreno geglaubt, dass er eine Superkraft entwickelt hat, dank der er vor allen Augen verschwinden kann. Aber leider funktioniert seine Fähigkeit nicht immer zur rechten Zeit. Was sich wie eine Fantasy anhört, ist eine Geschichte, wie sie täglich passieren  kann und unter die Haut geht. Die Vorstellung des Jungen, sich unsichtbar machen zu können, entspringt seinem Wunsch, es seinen Comic-Helden gleichzutun. Die Gegenwart ist für ihn mit derartigen Ängsten vor weiterem Mobbing verbunden, dass er Zuflucht in einer Illusion sucht.

Am Beginn des Buchs lernte ich in einem kurzen Kapitel eine Frau kennen, die sich ein großes Kunstwerk auf ihren Rücken tätowieren lässt. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht ahnen, dass es sie erinnert, ihr gleichzeitig aber die Kraft verleiht, Beobachtungen zu hinterfragen und unbequeme Schritte zu gehen. Sie kommt für den Protagonisten fast zu spät. Das nächste Kapitel wird von dem Jungen selbst erzählt. Er liegt im Krankenhaus und versucht einen Panikanfall zu überwinden. Er hatte einen Unfall und kann sich nicht daran erinnern, was danach geschah.

Die Erzählperspektive wechselt immer wieder zu einem auktorialen Erzähler, der dem Lesenden Informationen über Freunde, Bekannte, Familienmitglieder und Lehrende gibt, indem er gegenwärtige Szenen schildert. Später schaut er auf Ereignisse, die vor dem Unfall liegen und führt aus, wie es dazu kam. Der Schreibstil des Autors ist kreativ. Die kurzen Kapitel sind prägnant und ermöglichen einen schnellen Lesefluss.

Nachdem der im Krankenhaus liegende Junge über mehrere Tage hinweg den Mut gefasst hat, sich einer Person anzuvertrauen, die bisher nicht zu seinem Umfeld gehörte, beginnt er zu erzählen, wie er gemobbt wurde. Bewusst gibt Eloy Moreno dem Jungen keinen Namen, denn das, was ihm geschieht, könnte jedem passieren. Er ist vor kurzem auf eine weiterführende Schule gewechselt, lebt in einer intakten Familie, hat Freunde und erhält gute Noten, sehr gute sogar. Er ist nicht besonders auffallend, weder im Äußeren noch durch Äußerungen. Was ihm widerfährt ist berührend und verstörend. Es entwickelt sich eine Spirale der Angst.

Der Autor nimmt nicht nur das Opfer in den Fokus, sondern beschäftigt sich auch mit dem oder den Tätern, dessen oder deren Handlung dadurch bestätigt wird, wenn sie ohne Konsequenzen bleibt. Er blickt ebenfalls auf diejenigen, die wegschauen, weil sie meinen, dafür einen Grund zu haben, sei es aufgrund ihrer Unbeholfenheit oder ihrer eigenen Unfreiheit. „Alle können zwischen Gut und Böse, Spaß und Demütigung, Spiel und Mobbing unterscheiden. Aber keiner weiß, wie man […] stoppen soll, ohne sich selbst zu schaden.“ (S. 188) Dennoch schenkte der Autor mir als Leserin im zunehmenden Gefühlsaufruhr einen Funken Hoffnung.

Eloy Morenos Roman „Unsichtbar“ ist eine emotional mitreißende Geschichte über einen gemobbten Jungen, der sich lieber für sein Umfeld unsichtbar machen möchte als weiterhin seinen Ängsten ausgesetzt zu sein. Es ist ein wichtiges Buch, das zur Pflichtlektüre in Schulen werden sollte. Der Protagonist ist Schüler, aber ähnliche Situationen sind auch für Erwachsene denkbar zum Beispiel im beruflichen Umfeld. Daher empfehle ich den Roman nicht nur an jugendliche Lesende ab 14 Jahren, sondern auch an Ältere. Ich schätze es, dass im Anhang einige wichtige Aspekte zum Mobbing erklärt werden. 


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