Phoebe Stone hat nicht damit gerechnet, dass sie ausgerechnet
an dem Tag, an dem sie beschlossen hat zu sterben, mitten in eine trubelige Hochzeitsgesellschaft
geraten wird. Sie ist eine der beiden Protagonistinnen des Romans „Wedding
People“ der US-Amerikanerin Alison Espach. Als Professorin für Literatur des
19. Jahrhunderts lehrt sie in St.Louis/ Missouri und ist 40 Jahre jung. Vieles
in ihrem Leben ist nicht nach Wunsch verlaufen. Ein Luxushotel im zweitausend
Kilometer entfernten Newport/Rhode Island, das bisher für einen Urlaub aufgrund
der hohen Kosten für sie nicht in Frage kam, soll ihr Glücksort sein. Doch will
sie ihre letzten Stunden verbringen.
Die zweite Protagonistin ist Delilah Lancaster, von allen kurz
Lila gerufen. Sie steht kurz vor ihrer Heirat mit ihrem Freund Gary. Um den
Anlass ausgiebig zu feiern, hat Lila für ihre Gäste eine ganze Woche lang alle
Zimmer eben jenes Hotels in Newport gemietet. Die 28-Jährige stammt aus einer
großen Familie, hat ein beträchtliches Vermögen geerbt, arbeitet in der
nahegelegenen Kunstgalerie ihrer Mutter und die Festwoche bis ins Detail
geplant. Sie glaubt, dass es ein Irrtum sein muss, wenn nun ausgerechnet Phoebe
das schönste aller Zimmer erhält. Nachdem sie von Phoebes Plänen erfahren hat,
will sie diese um jeden Preis verhindern.
Für ihren Lebenstraum hat Phoebe beruflich zurückgesteckt,
doch sie ist in manchem gescheitert. Einmal jedoch möchte sie es sich
uneingeschränkt gut gehen lassen. Lila hingegen erfüllt sich dank ihrer soliden
finanziellen Lage jeden Wunsch und macht gern auch anderen eine Freude. Wenn
sie erst einmal von etwas begeistert ist, redet sie endlos darüber.
Was zunächst so erscheint, als ob beide keine gemeinsame
Gesprächsebene finden, erweist sich später als ein Glücksfall, dass sie
einander begegnet sind. Lila hat zwar einige FreundInnen, aber niemanden, der
ihr offen begegnet und sie auch in schwierigen Momenten stützt. Phoebe erkennt
das sehr schnell. Weil sie einander fremd sind, erzählen sie sich Dinge, die
man Nahestehenden nicht anvertrauen würde, ohne Risiko für Ansehen oder
Beziehungen, da ihre Probleme keine Berührungspunkte haben. Endlich hat Lila
jemanden, mit der sie über ihre eigene und die Familie ihres Auserwählten reden
kann. Beide Protagonistinnen haben ihre Ecken und Kanten, die sie auf ihre ganz
eigene Weise interessant machen.
Zu Beginn wirkte der Roman wegen Phoebes Plan auf mich bedrückend.
Doch Alison Espach schafft es, genau die richtige Dosierung Zynismus und Witz
in die Geschichte einzubringen, ohne ihr die inhaltliche Tiefe zu nehmen. Jedem
Tag der Hochzeitswoche ist ein eigenes Kapitel gewidmet, dessen Titel das
jeweilige Highlight der anstehenden Aktivitäten verrät. In Rückblenden erfährt
man, wieso Phoebes Ehe mit Matt, ihre Arbeit an der Universität und ihr Wunsch
nach einem eigenen Kind dazu geführt haben, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Ebenso
liest man von Lilas Verlust des Vaters und wie sie ihren zukünftigen Mann
kennenlernte. Bald verweben sich die beiden zunächst getrennten
Handlungssträngen zu einer gemeinsamen Erzählung, in der immer wieder Neues und
Unerwartetes geschieht.
Der Roman „Wedding People“ überrascht mit zwei
Protagonistinnen, die sich trotz unterschiedlicher Charakterzüge und
verschiedener Ansichten über manche Dinge dennoch gut austauschen können. Alison
Espach bringt eine Fülle von Gefühlen zum Ausdruck: von bitterer Enttäuschung
bis zu ausgelassener Freude, von Respekt bis zu Liebe und Anerkennung. Die
Geschichte bewegt, unterhält und hallt nach, weswegen ich gerne eine
Leseempfehlung vergebe.