Montag, 19. Februar 2024

Rezension: Die Gemeinheit der Diebe von Alem Grabovac

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Die Gemeinheit der Diebe
Autor: Alem Grabovac
Erscheinungsdatum: 19.02.2024
Verlag: Hanserblau
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783446279384
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Alem Grabovac hat mit seinem Buch „Die Gemeinheit der Diebe“ eine Fortsetzung seines Debütromans „Das achte Kind“ geschrieben, das man aber auch eigenständig lesen kann, denn auch ich kannte das Debut nicht. Beide Bücher sind autofiktional geschrieben. Smilja, die leibliche Mutter des Autors entwickelte mit über 70 Jahren Wahnvorstellungen. In einem Gespräch mit ihrem Sohn wirft sie die Frage auf, was im Leben bleibt, das nie gelebt wurde. Der Autor versucht in Erinnerungen zu ergründen, wer die Lebenszeit der Mutter im übertragenen Sinn gestohlen hat. Sein eigenes Leben ist unweigerlich mit dem seiner Mutter verbunden, weswegen er auch von dem erzählt, was er selbst seit Kindertagen erlebt hat wie zum Beispiel das Ringen um die deutsche Staatsbürgerschaft, sein Studienaufenthalt in England und seine Reise nach Nordamerika.

Smilja will als Heranwachsende den ärmlichen Verhältnissen des kleinen kroatischen Dorfs, in dem sie aufwächst, entkommen. Sie bewirbt sich, während sie in Zagreb als Küchenhilfe arbeitet, auf eine Stellenanzeige in Würzburg und wird eingestellt. Damit beginnt ihr Leben in Deutschland, bei dem sie zunächst noch von weiteren Migrant(inn)en umgeben lebt. In einen von ihnen verliebt sie sich, heiratet ihn und wird bald darauf mit ihrem Sohn schwanger. Ihr Mann erweist sich als unzuverlässig, so dass sie selbst wieder arbeiten gehen will. Daher gibt sie ihren Sohn in Pflege und ist fortan für ihn eine Mutter am Wochenende und in den Ferien. Seither steht sie in einer Fabrik am Fließband und lässt nicht ab von ihrem großen Traum, für den sie ständig etwas von ihrem Lohn beiseitelegt.

Später hat sie einen neuen Partner, der das Mutter-Sohn-Verhältnis aufreibt. Ihrem Wunsch rückt sie Stück für Stück näher, doch verschiedenste Ängste begleiten sie auf ihrem Weg. Ihre Arbeit verschlingt Stunde um Stunde, so dass der Autor sich oft mehr Zeit mit ihr wünscht. Alem Grabovac vollzieht die Gründe der Entscheidungen seiner Mutter nach, die die Weichen in ihrem Leben gestellt haben. Smilja ist stolz auf ihren Sohn, auf sein Abitur und sein Studium. Doch dann überrascht er sie mit seiner Berufswahl.

Der Autor ist ein guter Beobachter, der in unprätentiösem Stil interessante, erzählenswerte Ereignisse aus seinem und dem Leben seiner Mutter beschreibt. Er drückt seine Empfindungen in bestimmten Situationen aus, was diese nachvollziehbar macht. Im Zusammenspiel seiner Erfahrungen mit seinem Wissen kann er den gesellschaftlichen Hintergrund der Migration in Deutschland mit dem anderer Länder vergleichen. Der offene Ton, den Alem Grabovac in seiner Geschichte anschlägt, ließ mich über Parallelen zu Lebenswegen von Migrant(inn)en in meinem Umfeld reflektieren.

Am Leben seiner aus Kroatien stammenden Mutter verdeutlicht Alem Grabovac, dass diese sich durch ihre Einwanderung in Deutschland ein Stück vom Glück erhoffte und über viele Schwierigkeiten hinweg nie darin nachließ, ihr Ziel aufzugeben. Es zeigt sich immer wieder, dass wir als Menschen die Folgen unseres Handelns nicht immer richtig einschätzen. Die Geschichte dieser schwierigen Beziehung zwischen Mutter und Sohn berührt und stimmt nachdenklich. Gerne empfehle ich das Buch weiter.


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