Sonntag, 30. Oktober 2022

Rezension: Das Glück hat acht Arme von Shelby Van Pelt


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Das Glück hat acht Arme
Autorin: Shelby Van Pelt
Übersetzerin: Andrea Fischer
Hardcover: 464 Seiten
Erschienen am 28. September 2022
Verlag: FISCHER Krüger

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Marcellus ist ein Pazifischer Riesenkrake, der sich seit 1299 Tagen in Gefangenschaft im Aquarium von Sowell Bay befindet. Keiner seiner täglichen Besucher ahnt, dass er extrem intelligent ist und sich in vielen Nächten aus seinem Becken schleicht, um sich leckere Snacks wie Seegurken zu gönnen. Eines Abends befreit ihn Tova jedoch aus einer misslichen Lage. Die 70-jährige arbeitet als Putzfrau im Aquarium, obwohl sie das Geld nicht benötigt. Sie hat keine Familie mehr, denn seit kurzem ist sie verwitwet und ihr Sohn Erik ist bereits vor vielen Jahren kurz nach seinem 18. Geburtstag spurlos verschwunden. Im Gegensatz zu ihr behält der 30-jährige Cameron keinen Job sonderlich lange. Er hat gerade wieder eine Kündigung erhalten und wurde daraufhin von seiner Freundin aus der Wohnung geworfen. Als er in den Sachen seiner seit Jahren verschwunden Mutter Hinweise auf seinen Vater findet, kommt er nach Sowell Bay, um diesen aufzuspüren.

Die Geschichte beginnt mit einem Kapiel aus der Sicht von Marcellus, einer Pazifischen Riesenkrake. Er sprach mich als Leserin direkt an und erklärt, dass seine Art eine Lebenserwartung von vier Jahren hat und er diese bald erreicht hat. Er hat fast sein ganzes Leben im Aquarium verbracht und dabei nicht nur gelernt, wie er unauffällig sein Becken verlässt, sondern auch die Menschen ausführlich beobachtet. Ich habe im letzten Jahr mit großer Begeisterung "Mein Lehrer, der Krake" auf Netflix gesehen und war deshalb sehr gespannt auf diese ungewöhnliche Erzählperspektive. Sicherlich ist das Ausmaß der Intelligenz hier überspitzt dargestellt, ähnlich wie zuletzt zum Beispiel beim Hund Halbsieben in "Eine Frage der Chemie". Ich habe mich auf diesen kreativen Kniff gerne eingelassen und fand die kurzen, dafür aber häufig eingeschobenen Kapitel aus Marcellus' Sicht sehr unterhaltsam.

Marcellus ist der nicht so heimliche Star der Geschichte, die sich hauptsächlich um Tova und Cameron dreht. Zu Beginn ist offen, ob und wie die beiden sich begegnen werden. Die beiden liebenswerten Protagonisten müssen allerlei Situationen bewältigen, in die sie sich oftmals ganz allein hineinmanövriert haben. Das Erzähltempo ist langsam und ich erhielt ausführliche Einblicke in ihre Lebensumstände, die mich nachdenklich stimmten, wie es für sie weitergehen kann. Vor allem die erste Buchhälfte hätte man aus meiner Sicht straffen können. Dank Marcellus hatte ich einen deutlichen Wissensvorsprung, wodurch ich auf ein konkretes Ereignis hinfiebern konnte, was gleichzeitig aber Spannung aus der Geschichte nahm. 

Wenn ihr Lust auf einen emotionalen und humorvollen Wohlfühlroman habt, der zum Teil aus der Perspektive eines Kraken geschrieben ist, dann seid ihr hier genau richtig!

Samstag, 29. Oktober 2022

Rezension: Brombeerfuchs - Der Zauber von Sturmauge von Kathrin Tordasi

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Brombeerfuchs Band 2 - Der Zauber von Sturmauge 
Autorin: Kathrin Tordasi
Erscheinungsdatum: 28.09.2022
Verlag: Sauerländer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover
ISBN: 9783737359245
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Portia Beale und Ben Rees, die inzwischen 13 Jahre alt sind, erleben in der Fantasy „Brombeerfuchs – Der Zauber von Sturmauge“ von Kathrin Tordasi ihr zweites Abenteuer in der Anderswelt. Sie gehören ebenso wie der titelgebende Brombeerfuchs, zu dem der Gestaltwandler Robin wird, zu einer Gruppe unterschiedlicher Lebewesen, die nach Sturmauge finden, dem Wohnsitz eines mächtigen Magiers. Dort wollen sie Schlimmes verhindern.

Für ihre Ferien bei ihren Großtanten Rose und Bramble in Wales hat Portia bereits alles gepackt. Doch plötzlich steht Ben vor der Haustür ihrer Familie in London. Ben kann sich nicht daran erinnern, wie er dorthin gekommen ist. In seiner Hosentasche findet er einen Schlüssel und ein zusammengefaltetes Stück Papier, auf dem eine Landkarte skizziert und eine verwischte Botschaft zu lesen ist. Auf der gemeinsamen Fahrt nach Wales bemerkt Ben, dass mit seiner linken Hand etwas Seltsames geschieht. Zusammen mit Portias Großtanten beschließen sie, dass die Anderswelt ihnen Antworten auf die eigentümlichen Vorkommnisse liefern wird, denn Rose und Bramble vermuten, dass Magie im Spiel ist.

Portia und Ben sind seit ihrem letzten Abenteuer erfahrene Weltenwanderer und daher ahnen die beiden, dass in der Anderswelt etwas Wichtiges geschehen sein muss. Entgegen ihrem Versprechen, die Fantasywelt, in der für die Bewohner von Wales seit jeher die Feen wohnen, nicht mehr zu betreten, öffnen die Großtanten gemeinsam mit den Freunden ein Portal. Schon nach wenigen Buchseiten las ich davon, dass jenseits der Tür magische Kräfte zerstörerisch gewaltet haben. Die Wesen der Anderswelt waren ohnmächtig dagegen.

Der kleinen Gruppe aus Menschen stellen sich die Fragen, ob der Zauber aktuell immer noch eine Gefahr darstellt, ob sich die Quelle dazu finden lässt und ob es ihnen möglich ist, die Magie zu beherrschen. Wenig später werden sie auch von der Königin der Feen entdeckt. Sie gibt den Menschen die Schuld an den verursachten Schäden. Portia, Ben, Rose und Bramble müssen nun zusätzlich zu den übrigen Problemen auch noch beweisen, dass sie nicht für die Verwüstungen verantwortlich sind.

Die Spannung baut sich durch den turbulenten Beginn schnell auf. Mit dem Betreten der Anderswelt sind für die Menschen immer Gefahren verbunden, dass wissen nicht nur Portia und ihre Lieben, sondern auch die Lesenden des ersten Teils. Dennoch benötigt man zum Verständnis nicht dessen Kenntnis. In diesem zweiten Band der Reihe liegt das Augenmerk auf Zaubereien, sei es mittels Runen oder auch Sprüchen.

Auch in der Fortsetzung der „Brombeerfuchs-Reihe“ zeigt Kathrin Tordasi wie stark eine Gemeinschaft ist, wenn man einander vertraut und jeder bei der Problemlösung das einsetzt, was er oder sie am besten kann. Während Portia mit ihrer Identität kämpft, weil sie gewisse Neigungen zum Gestaltwandeln in sich spürt, entwickelt Ben zunehmend mehr Selbstsicherheit durch erste kleine Erfolge, die dazu führen, dass er sich immer mehr zutraut. Die Geschichte fordert dazu auf, Neues zu erlernen und schon an kleinen Fortschritten beständig zu wachsen. Außerdem gibt sie einen guten Ratschlag zur Verarbeitung von Verlusten.

Ich liebe die Romane von Kathrin Tordasi und habe mich auch diesmal wieder gerne verzaubern lassen, darum vergebe ich gerne eine Leseempfehlung für Kinder ab 10 Jahren ebenso wie für Ältere jeden Alters. 


Freitag, 28. Oktober 2022

Rezension: Das kleine Bücherdorf - Winterglitzern von Katharina Herzog


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Das kleine Bücherdorf - Winterglitzern
Autorin: Katharina Herzog
Broschiert: 352 Seiten
Erschienen am 18. Oktober 2022
Verlag: Rowohlt Polaris

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Vicky ist eine ambitionierte Kunsthändlerin, die für das Auktionshaus ihres Vaters arbeitet. Eines Tages fällt ihr zufällig der Brief eines Jungen in die Hände, den dieser per Luftballon an seine tote Mutter geschrieben hat. Im Hintergrund des beigelegten Fotos ist eine seltene Erstausgabe von Alice im Wunderland zu sehen. Ihr Vater beauftragt Vicky, die Ausgabe zu beschaffen, dann erhält sie die lange erhoffte Beförderung. Und so reist sie von München nach Schottland in das charmante Dörfchen Swinton-on-Sea, das sich durch seine zahlreichen Buchhandlungen einen Namen gemacht hat. Ihr Aufenthalt dort gestaltet sich jedoch ganz anders, als sie es erwartet hätte.

Das verschneit-buchige Cover verspricht eine gemütliche Wohlfühlgeschichte und ich war zu Beginn der Lektüre neugierig, was Vicky in Schottland wohl erleben wird. Schon nach wenigen Seiten ist sie mit einer beruflichen Mission auf dem Weg dorthin. Die meisten Kapitel sind aus ihrer Perspektive erzählt, doch von Beginn an wechselt die Perspektive auch regelmäßig zu dem verwitweten Buchhändler Graham, dem Besitzer der ältesten Buchhandlung im Dorf und Vater von Finlay, dessen Brief Vicky gelesen hat. Dadurch erhielt ich gleich einen Einblick in das Dorfleben und freute mich, die einzelnen Charaktere genauer kennenzulernen.

Vicky wird bei ihrer Ankunft von den meisten Dorfbewohnern herzlich empfangen. Eigentlich hatte sie einen Tagestrip geplant, doch aus verschiedenen Gründen wird daraus ein längerer Aufenthalt. Im vorweihnachtlichen Swinton-on-Sea warten allerlei Aktivitäten wie Schlittenfahren und Eisbaden auf sie. Mir hat es Spaß gemacht, die mehr über die einzelnen Bewohner zu erfahren und im Hinblick auf die Liebesgeschichte, die sich allmählich entwickelt, mitzufiebern. 

Der wahre Grund für Vickys Reise gerät dabei nie ganz in Vergessenheit. Der Verlauf der Geschichte ist recht vorhersehbar. Die ein oder andere Überraschung hätte ich schön gefunden, allerdings gibt es auch noch zwei Geheimnisse, die vermutlich in weitern Bänden gelüftet werden. Letztlich bietet das Buch alles, was man für eine cozy Winter Love Story braucht: Zwei sympathische Protagonisten, ein bezaubernder Ort voller Bücher, liebenswürdiger Einwohner und einige Hindernisse, die es zu überwinden gilt. 

Mittwoch, 26. Oktober 2022

Rezension: Die Wunderfrauen - Wünsche werden wahr von Stephanie Schuster

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Die Wunderfrauen - Wünsche werden wahr
Band 4 von 4 der Reihe "Die Wunderfrauen"
Autorin: Stephanie Schuster
Erscheinungsdatum: 28.09.2022
rezensierte Buchausgabe: Broschur mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783596707447
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Es ist der Heilige Abend im Jahr 1991 zu dem Stephanie Schuster mich als Leserin ihres Romans „Die Wunderfrauen – Wünsche werden wahr“ auf eine Reise in die Vergangenheit mitnimmt. Die älteste der vier Freundinnen Luise, Marie, Helga und Annabel, die bereits in den vorigen drei Büchern der Serie als Wunderfrauen im Mittelpunkt standen, ist inzwischen Anfang 70. Jede von ihnen kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Im wohlverdienten Ruhestand ist noch keine von ihnen.

Im Prolog offenbart ein Dieb sein Ansinnen, doch es dauert fast bis zum Ende der Geschichte, bis er geschnappt wird. Dabei konnte ich Annabel mit ihrem kriminalistischen Gespür in ihrem Element erleben. Die Erzählung erhält ebenfalls eine hintergründige Spannung durch die hochschwangere Josie, der Tochter von Luise, die sich mit ihrer Familie auf den Weg von Starnberg aus nach Berlin zum Vater ihres Ehemanns macht, um dort das Weihnachtsfest zu feiern. Unliebsame Überraschungen bereiten der Familie auf ihrer Fahrt einiges an Unbill. Noch dazu hat Josie sich vorher mit ihrer Mutter gestritten und ihre Gedanken kreisen um das, was Luise ihr vorgeworfen hat. Währenddessen versuchen die Wunderfrauen ihre Vorbereitungen für Weihnachten fertig zu stellen, damit sie das Fest wie verabredet gemeinsam verbringen können.

Obwohl die Geschichte nur an einem einzigen Tag spielt, erleben die Wunderfrauen erneut Höhen und Tiefen, auch im Rückblick auf vergangene Ereignisse. Als Leserin erfuhr ich, was seit den Begebenheiten in den 1970er, die im vorigen dritten Band der Serie geschildert wurden, geschehen ist. Im höheren Alter steht jede der Freundinnen mitten im Leben und gibt gerne seine Erfahrungen an die jüngere Generation weiter. Darum kam es auch zum Streit zwischen Luise und ihrer Tochter, bei der es um die verschiedenen Auffassungen der beiden zur Rolle der Frau in der Ehe geht. Luise ist zwar immer noch beruflich äußerst engagiert, jedoch sucht sie sich Freiräume und schätzt zunehmend jeden schönen Moment.

Alle Kinder der Wunderfrauen haben sich inzwischen für einen Beruf entschieden und entwickeln sich darin weiter oder nutzen ihre Kenntnisse, um diese in anderen Gebieten anzuwenden. Ihre Mütter sind stolz auf sie, jedoch auch ängstlich über deren Wohlergehen beispielsweise, wenn sie sich auf einer Reise im Ausland ohne festes Ziel befinden. Keine von ihnen fürchtet sich davor, im Alten allein zu sein, sondern sie erkennen, dass die Liebe nicht aufhört und ein Partner an ihrer Seite ihnen angenehme Momente schenken kann. Außerdem ist ihnen ihre Freundschaft viel Wert und sie wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können.

Zwar führt Luise kein Ladenkundebuch mehr, aber sie schreibt weiterhin alles für sie Interessante auf und daher finden sich im Buch auch diesmal wieder zeitgeschichtliche Informationen, Anleitungen und Tipps aus ihrem Notizheft als Einschübe zwischen den Kapiteln. Nebenbei lässt die Autorin aktuelle Musik, Spiele, Markenartikel und anderes in ihre Geschichte einfließen, die zu einem passenden Stimmungsbild beitragen. 

In ihrem Roman „Die Wunderfrauen – Wünsche werden wahr“ erzählt Stephanie Schuster ein letztes Mal von den vier Freundinnen aus Starnberg, die für den Heiligen Abend im Jahr 1991 eine gemeinsame Feier geplant haben. Sie blicken voller Hoffnung und in ruhiger Erwartung auf ihre Zukunft. Gerne vergebe ich auch diesmal eine Leseempfehlung. 


Dienstag, 25. Oktober 2022

Rezension: Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit von Natasha Pulley

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit
Autorin: Natasha Pulley
Übersetzer aus dem Englischen: Jochen Schwarzer
Erscheinungsdatum: 24.09.2022
Verlag: Klett-Cotta (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783608986365
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Im Roman „Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit“ lässt die britische Autorin ihren Protagonisten Joe im 19. Jahrhundert alternative Zeitgeschichte erleben. Im Original heißt der Roman „The Kingdoms“ und er trifft genau wie der deutsche Titel den Kern der Erzählung. Zum einen steht ein Portal zum Zeitreisen, das sich in der Nähe eines Leuchtturms befindet, im Fokus, andererseits erfasst die englische Bezeichnung die Besonderheit, dass kleine Veränderungen in der Weltgeschichte aufgrund von Ränkespielen sowie Schlachten zu Lande und zur See zu dramatischen Verschiebungen der politischen Situation in den Königreichen von Großbritannien, Frankreich und Spanien führen können. Bei Zeitreisen in beide Richtungen ergeben sich dadurch jedes Mal neue Umstände.

Joe findet sich an einem Morgen des Jahres1898 an einem Londoner Bahnsteig wieder. Er kann sich zwar an seinen Namen erinnern, aber nicht an seine Vergangenheit. Einzig eine Frau mit dem Namen Madeline fällt ihm ein. Sein Gedächtnis wird in einer Klinik untersucht, die eine Suchanzeige für ihn aufgibt. Nach einiger Zeit meldet sich dort ein fein gekleideter Mann, der behauptet sein Herr zu sein. Die ihn begleitende jungen Frau behauptet, mit ihm verheiratet zu sein. Einige Monate später erhält er von seinem Herrn die wohlverdiente Freiheit.

Wenige Zeit danach trifft ein mysteriöser Brief ein, der 93 Jahre vorher bei der Post aufgegeben wurde. Er enthält eine Postkarte mit einem Leuchtturm vor der Küste Schottlands und der Aufforderung, nach Hause zu kommen, wenn er sich erinnert. Der Appell ist mit einem einfachen M unterschrieben. Zwei Jahre später ergreift Joe die Gelegenheit und meldet sich, als ein Techniker zur Reparatur eben jenes Leuchtturms gesucht wird. Bestimmt wird er bald wieder mit Madeline vereint sein, die nach seiner Vermutung seine frühere Geliebte war.

Natasha Pulley zeigt auf faszinierende Weise wie das Verhalten bereits einer einzelnen Person sich auf das große Spiel der Mächtigen auswirken kann. Joe droht sich aufgrund seiner Amnesie selbst zu verlieren. Von Anfang an spürt er eine innere Sehnsucht und obwohl er sich an wenig erinnert, verblasst diese nie. Auch eine glückliche Gegenwart kann ihm nicht sein tiefes Verlangen nehmen. Er macht sich auf die Suche nach dem, was er verloren zu haben scheint und findet sich in einer Umgebung wieder, die ihm fremd ist und sich doch bekannt anfühlt.

Neben der Figur des Joe, der viele Facetten zeigt, glänzt vor allem der Charakter des Kapitäns Missouri Kite. An Bord seines Schiffs lernt Joe dessen Härte gegenüber seiner Mannschaft und die Unwägbarkeiten der See kennen. Während Joe sich entsprechend seiner Rolle, die ihm die weltgeschichtlichen Ereignisse zuweisen, verändert, zeigt Kite seine wechselhaften Seiten in Abhängigkeit von seiner Stellung und seinen Erfahrungen. Natasha Pulleys Frauenfiguren wirken eigenständig, obwohl sie ihrer Zeit entsprechend schlechte Anerkennung finden.

Dank sehr guter Recherche beschreibt die Autorin das Leben an Bord eines Schlachtschiffes vorstellbar mit all ihren Härten, die nicht nur im Kampf bestehen, sondern auch beim Wachdienst, dem Segelsetzen und dem Plankenschrubben auf Hoher See. Es finden sich an Bord weitere interessante Figuren, die durch ihre Entwicklung zu losen Enden in der Geschichte beitragen, die über die Zeiten hinweg zum Ende hin von der Autorin zusammengefügt werden.

„Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit“ ist eine Steampunk-Fantasy von Natasha Pulley, die hierin mit der Möglichkeit der Zeitreise spielt. Sie zeigt, wie heftig das Verlangen sein kann, der Liebe zu folgen, die tief im Inneren verwurzelt ist, und dafür alles zurückzulassen, was inzwischen an Wichtigkeit gewonnen hat. Erst zum Schluss zeigt sich im Rückblick, wie gekonnt die Autorin die einzelnen Aspekte ihrer Geschichte zusammengefügt. Gerne empfehle ich das Buch an alle Fantasy-Lesende mit Interesse an Weltgeschichte weiter. 



Montag, 24. Oktober 2022

Rezension: Die Legenden von Andor - Varkurs Erwachen von Timo Grubing und Jens Baumeister

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Die Legenden von Andor - Varkurs Erwachen
Sript: Jens Baumeister 
Illustration: Timo Gruning
Erscheinungsdatum: 15.10.2022
Verlag: Kosmos (Link zur Buchseite des Verlags)
ISBN: 9783440174951
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„Die Legenden von Andor – Varkurs Erwachen“ ist eine Graphic Novel, die von Jens Baumeister gescriptet und von Timo Gruning illustriert wurde. Die Geschichte ist, wie der Name schon sagt, im Fantasy-Universum von Andor angesiedelt, einer Brettspielwelt, die von Michael Menzel und Stefanie Schmitt erdacht wurde. Kenntnisse des Spiels sind für das Lesen nicht erforderlich. Auf den Buchklappen vorne und hinten sind vier Karten enthalten, die als Erweiterung des Basisspiels gemeinsam eine Legende bilden, die mit dem Andor-Brettspiel gespielt werden kann, das man zu diesem Zweck besitzen sollte.

Varkur ist ein Magier. Die Graphic Novel thematisiert seine Vergangenheit bis zum Erwachen seiner dunklen Kräfte. Eines Tages wird er an der Küste von Andor ohne Erinnerung an seine Vergangenheit von Ranja, einer Fischerin aus dem anliegenden Ort, aufgefunden. Sie kümmert sich um ihn. Einer der Dorfbewohner hat ein Auge auf sie geworfen und wird eifersüchtig. Später wird dieser Mann zum eifrigsten Verfolger von Varkur. Der Magier flieht gemeinsam mit Ranja, um herauszufinden, wer er wirklich ist. Ranja geht aus Neugierde mit, um die Welt von Andor jenseits des Fischerdorfs kennenzulernen. 

Auf dem Reiseweg begegnen ihnen Kreaturen, die Übles im Sinn haben. Varkur kann zur Verteidigung seine Kräfte zeigen, von denen er selbst überrascht ist. Dadurch beginnt er, sich selbst zu hinterfragen.

Beim Lesen entfaltete sich eine spannende Geschichte, bei der Wesen der Andorwelt wie im Brettspiel zur Bedrohung der Bevölkerung werden. Die Illustrationen in schwarz-weiß schaffen eine dunkle Atmosphäre. Durch Flashbacks erfuhr ich mit und mit mehr über die Ereignisse, die dazu führten, dass Varkur nach Andor kam. Ein offenes Ende gibt Spielraum für eine Fortsetzung. Für alle Andor-Fans ist das Buch ein Muss. 


Samstag, 22. Oktober 2022

Rezension: Kat Menschiks und des Psychiaters Doctor Medininae Jakob Hein Illustriertes Kompendium der Psychoaktiven Pflanzen


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Kat Menschiks und des Psychiaters Doctor Medininae Jakob Hein Illustriertes Kompendium der Psychoaktiven Pflanzen
Autor: Jakob Hein
illustriert von Kat Menschik
Hardcover: 112 Seiten
Erschienen am 6. November 2022
Verlag: Galiani Berlin

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Welche Pflanzen sind eigentlich psychoaktiv? Sicherlich fallen jeden gleich einige Klassiker ein wie Tabak, Cannabis und Absinth. In der Welt der Pflanzen kann man aber noch viel entdecken. Im vierzehnten Band der Lieblingsbücher-Reihe von Kat Menschik gibt der Schriftsteller und Psychiater Jakob Hein anhand zahlreicher Beispiele einen Einblick ins Thema.

Der Autor hat aus hunderten psychoaktiven Pflanzen eine subjektive Auswahl getroffen, die er seinen Leser:innen näher bringen will. In neun Kapiteln präsentiert er sowohl die Geschichten von Pflanzen, die allseits für ihre Wirkung bekannt sind als auch Wirkungen von mehr oder weniger bekannten Pflanzen, die mir bis dato nicht bekannt waren. Ich erfuhr beispielsweise mehr über Tabak, Absinth und alkoholische Gärung und lernte, was Coca-Blätter mit Coca Cola in der heutigen Form zu tun haben und was es mit dem "Pepper High" auf sich hat. Die Themenvielfalt ist riesig und reicht von Narkotika über Halluzinogene bis hin zu Aphrodisika.

Im Vorwort erwähnt Jakob Hein, dass er Kat Menschik die Idee des Buchs nach der Veröffentlichung des illustrierten Tierlebens vorgeschlagen hat, welches diese mit Mark Benecke erstellt hat. Das "Pflanzenbuch" enthält viele interessante und überraschende Fakten und war für mich eine kurzweilige Lektüre. Im direkten Vergleich zum "Tierbuch" fand ich es jedoch etwas schwächer. Die Informationen werden recht dicht präsentiert und ich hätte mir noch mehr Storytelling gewünscht, das "Tierbuch" hat letztlich fast doppelt so viel Text.

Kat Menschiks Illustrationen unterscheiden sich in beiden Büchern deutlich, was man gleich sieht, wenn man beide Cover nebeneinander legt. Während sie im "Tierbuch" naturgetreue Illustrationen auf schwarzen Hintergründen präsentiert, ist dieses "Pflanzenbuch" ein bunter Rausch, der von der Farbe pink dominiert wird. Ein Hinweis hinten im Buch gibt an, dass hier mit sechs einzeln angemischten Echtfarben gedruckt wurde. Es gibt viele Illustrationen von Pflanzen, Kat Menschik zeigt aber auch Menschen beim Konsum oder greift Stichwörter wie "Superhelden", "Beatles" oder "betrunkene Affen" auf. Optisch ist dieses Buch wieder ein echtes Highlight, bei dem man gleichzeitig allerlei Wissenswertes aus der Welt der psychoaktiven Pflanzen erfährt.

Dienstag, 18. Oktober 2022

Rezension: Das kleine Bücherdorf - Winterglitzern von Katharina Herzog

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Das kleine Bücherdorf - Winterglitzern
Autorin: Katharina Herzog
Erscheinungsdatum: 18.10.2022
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 978349900947
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Der Untertitel „Winterglitzern“ des Romans „Das kleine Bücherdorf“ von Katharina Herzog und die verschneite Umschlaggestaltung weisen darauf hin, dass die Geschichte in der kalten Jahreszeit spielt. Der Haupthandlungsort Swinton-on-Sea in Schottland ist zwar fiktiv, aber einem real existierenden Dorf nachempfunden.

Als Büchermensch fühlte ich mich hier sehr wohl. Mit dazu beigetragen hat, dass es mehrere Buchhandlungen im Ort gibt, von denen einer von einem der Protagonisten betrieben wird. Auf der vorderen Innenklappe ist eine wunderschöne Illustration von Imke Trostbach zu sehen, die die für die Erzählung wichtigsten Häuser in Swinton in einer schematischen Anordnung zeigt und dadurch eine stimmungsvolle Atmosphäre erzeugte, wann auch immer ich sie anschaute.

In der Geschichte spielen nicht nur Personen eine Hauptrolle, sondern auch das Buch „Alice im Wunderland“. Es erinnert die Protagonistin Vicky an schöne Stunden in ihrer Kindheit. Sie arbeitet in München im Auktionshaus ihres Vaters, der sie damit beauftragt, in Swinton eine Erstausgabe des Buchs anzukaufen, von dessen Existenz sie durch Zufall erfahren haben. Bei Erfolg wird Vicky eine Beförderung erhalten.

Die kostbare Ausgabe gehört dem Buchhändler Graham in dem kleinen schottischen Ort. Es erscheint ihr die beste Lösung zu sein, den ausgeschriebenen Aushilfsjob im Laden von Graham anzunehmen, denn ihr wird klar, dass es ihr nicht auf direktem Weg gelingen kann, das Buch anzukaufen. Aber im Zeitablauf wird es immer schwieriger, ihr berufliches Anliegen zu verschweigen und sich der Sache auf sensible Weise anzunähern, denn bei ihr erwachen zunehmend Gefühle für Graham und seinen kleinen Jungen.

Die Geschichte spielt in der Gegenwart, aber in einigen Szenen erinnerten sich die Dorfbewohner an zurückliegende Begebenheiten, die ihr Leben prägten oder durch die sich ihr Leben maßgeblich geändert hat. Sie sind fast alle sympathisch und bei denjenigen, die weniger liebenswert waren, findet sich für ihr Verhalten eine Erklärung in der Vergangenheit. Die Figuren sind abwechslungsreich gestaltet und haben je ihre eigenen Ecken und Kanten. Vicky gelingt es, über ihren Schatten zu springen und ihr bis dahin im Privatbereich professionelles Auftreten abzulegen. Dadurch erlangt sie den Respekt der Einwohner von Swinton und wird von ihnen in ihren Alltag mit einbezogen. Auch in diesem Roman lässt die Autorin wieder Ereignisse und Erfahrungen aus ihrem eigenen Leben einfließen, was der Geschichte noch mehr Glaubwürdigkeit verleiht.

Es sind nicht nur die schönen Beschreibungen der Umgebung, in der Vicky in Schottland agiert und die eine atmosphärische Stimmung zum Wohlfühlen trotz der Kälte verursachen. Auch über Aktivitäten im Ort zu lesen, die jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit stattfinden und an dem sich nahezu alle Bewohner beteiligen, fand ich interessant und ansprechend. Bei mir wurde der Wunsch geweckt, selbst nach Swinton zu reisen. Vicky nimmt den Zusammenhalt der Bewohner wahr und die bisherigen Vorstellungen ihres weiteren Lebens geraten ins Wanken. Immer mehr gerät sie in einen Zwiespalt zwischen beruflicher Pflicht und einem Wunsch nach Veränderung, wozu Graham erheblich beiträgt.

Neben vielen schönen Momenten, die Katharina Herzog mir in ihrem Roman „Das kleine Bücherdorf – Winterglitzern“ schenkt, erlebt ich auch manch ernste oder traurige Situation, die mich berührte. Aber die Autorin hat ein Händchen dafür, dem Lesenden nach bewegenden Szenen gleich wieder ein paar geschriebene Sonnenstrahlen zu schicken und ihn aufzuheitern. Gerne empfehle ich den unterhaltsamen Roman, der durch manche unvorhersehbare Wendung überrascht, an alle Leser und Leserinnen von Liebesromanen weiter.

Montag, 17. Oktober 2022

Rezension: Zwischen heute und morgen von Carmen Korn

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Zwischen heute und morgen 
Drei-Städte-Saga 2 von 2
Autorin: Carmen Korn
Erscheinungsdatum: 13.09.2022
Verlag: Kindler (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783463407050
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In ihrem Roman „Zwischen heute und morgen“ schildert Carmen Korn Entwicklungen und Begebenheiten in den fiktiven Familien Canna in San Remo, Aldenhoven in Köln und Borgfeldt in Hamburg jeweils in den 1960er Jahren. Ich habe die Familienmitglieder bereits im Roman „Und die Welt war jung“, dem ersten Band der Dilogie der „Drei-Städte-Saga“, kennengelernt und liebgewonnen. Inzwischen hat auch der Nachwuchs sich im Beruf etabliert und einen Partner oder eine Partnerin gefunden. Einige haben ihrerseits bereits ein Kind oder erwarten eines.

Um an den drei Handlungsorten eine lebendige Geschichte zu gestalten, sind eine Vielzahl an Personen notwendig. Auf den ersten Seiten des Buchs steht ein hilfreiches Personenverzeichnis. Im übersichtlichen Stammbaum konnte ich immer wieder nachschlagen, welche Figur in welcher Beziehung zu den anderen steht. Eine größere Rolle übernimmt Pips, ein Musiker und Freund der Familie, der immer noch schwer an den Misshandlungen trägt, die er im Zweiten Weltkrieg erlitten hat. Es zeigt sich nicht nur bei ihm, dass der Krieg auch jetzt noch seine langen Schatten wirft.

Bar und Blumenhandlung der Protagonisten in Italien florieren genauso wie die Galerie und die Schneiderei der Aldenhovens in Köln, während in Hamburg bereits der Ruhestand in Aussicht steht. Für die Älteren steht die Frage im Raum, ob sie ihr Leben nach ihren Vorstellungen gelebt haben und ob es jetzt noch physisch und psychisch möglich ist, sich ausstehende Wünsche zu erfüllen.

Es war wieder eine schöne Zeitreise für mich. Diesmal habe ich es besonders genossen, weil ich mich an einige Ereignisse zum Ende des Jahrzehnts hin noch aus eigener Erfahrung ein wenig erinnern konnte. Auch diesmal bleibt die Autorin nah an ihren Figuren, die im Wandel der Zeiten sich selbst auch weiterentwickeln. In den Jahren 1960 bis zur Mondlandung 1969 fließen in die Erzählung der Mauerbau, die Sturmflut in Hamburg, die Ermordung J.F. Kennedys, die Studentenbewegung und viele andere weltbewegende Geschehnisse mit ein. Aber auch Kunst, Musik, Film und Literatur kommen nicht zu kurz. Ich erfuhr, welche Gerichte regional typisch auf den Tisch kommen und freute mich über das Kölner Platt, dass die Autorin immer wieder mal einfließen lässt und der Geschichte Lokalkolorit gibt.

Kurze Kapitel, viele Dialoge und eine zeitliche Entwicklung mit mehr oder weniger großen Sprüngen prägen den Schreibstil der Autorin. Durch die Angabe von Jahr, Monat und Tag bei den Textabschnitten wusste ich beim Lesen immer, in welcher Zeit ich mich befinde.

Im Roman „Zwischen heute und morgen“, dem zweiten und abschließenden Band ihrer Drei-Städte-Saga zeigt Carmen Korn ihre Figuren beeinflusst von der Vergangenheit, in der Gegenwart lebend und auf die Zukunft ausgerichtet. Der Roman ist für Carmen Korn-Fans ein Muss und für jeden Lesenden historischer Roman ein interessanter Ausflug in die Vergangenheit der 1960er Jahre. 



Sonntag, 16. Oktober 2022

Rezension: Wiederentdeckt: Die Schätze aus Omas Backbuch

 


 


 


 


 


Rezension von Ingrid Eßer


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Titel: Wiederentdeckt: Die Schätze aus Omas Backbuch
Sonderausgabe der Originalausgabe von 2012
von Rosenmehl initiiert
Erscheinungsdatum: 28.09.2022
Verlag: bassermann (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover 
ISBN: 9783809441458

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Das Buch „Wiederentdeckt: Die Schätze aus Omas Backbuch“ bietet mehr als 100 Backrezepte, die bereits unsere Vorfahren kannten und aufgeschrieben haben. Das bayrische Unternehmen Rosenmehl, das zum Verbund der Aurora Mühlen gehört, hat vor einige Jahren dazu aufgerufen, Familienrezepte einzusenden. In ihrer Backstube wurden die Rezepte nachgebacken und in Hinsicht auf Zutaten, Zubereitung, Herdeinstellung und damit verbundener Backzeit auf den neuesten Stand gebracht. Selbstverständlich kann auch Mehl des gleichen angegebenen Typs jeden anderen Unternehmens verwendet werden.

Nach einem Vorwort werden in einem Inhaltsverzeichnis acht Kategorien gelistet, damit jeder Lesende eine erste Auswahl für den gegebenen Anlass, für den gebacken werden soll, treffen kann. Es kann unter Obstzeit, Schmalzgebackenes, Kuchen für jeden Tag, Sonntagskuchen, Kleines und Feines, Käsekuchen, Adventszeit sowie Mehlspeisen und Strudel ausgesucht werden. In einem alphabetisches Rezeptregister auf den letzten Seiten des Buchs finden diejenigen schnell ihr Backprojekt, die bereits eine genauere Vorstellung davon haben.

Jedes Rezept wird appetitlich präsentiert. Die Fotos von Oliver Brachat unter Assistenz von Steffi Neff und in Szene gesetzt von Jutta Deutscher, machen Lust aufs Nachbacken. Zusätzlich gibt es bei jedem Kuchen, Torte, Gebäck, Mehlspeise oder Strudel eine Ablichtung des aufgeschriebenen und eingesandten Originalrezepts und die Angabe der Einreicherin oder des Einreichers sowie eine Kindheitserinnerung im Zusammenhang mit der Rezeptverfasserin. Außerdem findet sich fast immer ein altes Originalfoto auf der Seite, meist schwarzweiß, auf dem die Bäckerin und beziehungsweise oder der jeweils Einsendende zu sehen ist. Mir kommt es entgegen, dass das Resultat ansehnlich, aber ohne Schnickschnack im Styling ist, denn ich lege viel mehr Wert auf den Geschmack.

Für mich war es wichtig, dass die Angaben der Zutaten, der Zubereitung und auch die Arbeits- und Backzeit stimmig ist. Die Rezepturen erschienen mir beim Durchlesen passend. Zum Probebacken habe ich mir „Wilmis schneller Apfelkuchen“ aus der Kategorie Obstzeit und „Oma Annis Überraschungskuchen“ als Kuchen für jeden Tag ausgesucht. Das Ergebnis war überzeugend. Es sind bestimmt nicht die letzten Kuchen, die ich nachgebacken habe. Stattdessen kann ich mich kaum entscheiden, welches Rezept ich als nächstes auswählen soll.

Das Buch „Wiederentdecktes: Die Schätze aus Omas Backbuch“ macht gestalterisch einen hochwertigen, ansprechenden Eindruck. Die Rezepturen aus früherer Zeit wurden von Fachleuten nachgebacken und aktualisiert. Die von mir ausprobierten Kuchen schmeckten mir und meiner Familie sehr gut. Daher kann ich das Buch jedem empfehlen. 

Samstag, 15. Oktober 2022

Rezension: Succession Game von Anika Beer


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Succession Game
Autorin: Anika Beer
Broschiert: 496 Seiten
Erschienen am 29. September 2022
Verlag: Piper

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Der Zentralballungsraum Berlin im Jahr 2054: In Kürze wird das beliebte "Succession Game" in die zwölfte Staffel gehen. Jedes Jahr erfreut sich das Spiel großer Beliebtheit und wird von zahlreichen Zuschauer_innen gestreamt. Die zehn Kandidat_innen nehmen für die Dauer des Spiels andere Persönlichkeiten an und müssen sich durch fünf Stages kämpfen, denn nur eine oder einer von ihnen kann gewinnen. Der aktuelle Successor Théo ist seit vier Staffeln ungeschlagen. Wird er erneut den Sieg davontragen? Und welchen Plan verfolgt Clue, die im Spiel als Privatdetektivin antritt? Die Student_innen Yezmin und Hathaichanok ahnen noch nicht, dass sie in diesem Jahr nicht bloß zuschauen werden. Währenddessen macht der Mediziner Rafael im Game Ship erschreckende Entdeckungen.

Auf den ersten Seiten des Buches wurde ich zunächst mit zahlreichen Informationen versorgt. Die Geschichte ist in der Zukunft angesiedelt, wobei man über die Gesellschaft nur einige grundlegende Dinge erfährt. Die Menschen leben in Zentralballungsräumen und haben die Auffassung von Geschlecht als Spektrum statt binäres Konzept verinnerlicht, was sich in ihrer Sprache ausdrückt. Im Succession Game können die Spieler_innen eine andere Persönlichkeit annehmen und vergessen währenddessen, wer sie eigentlich sind. Die Spielregeln und die zehn Charaktere der diesjährigen Staffel wurden mir vorgestellt und machten mich startklar für den Spielbeginn.

Das Succession Game beginnt spannend und durch die Perspektiven von Théo und Clue war ich hautnah dabei. Eine ganze Weile hatte ich keine Ahnung, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird. Währenddessen fieberte ich mit, wer die nächste Stage im Spiel erreichen wird und erhielt durch die Außenperspektiven des Mediziners Rafael und der Student_innen Yez und Hathi erste Hinweise darauf, dass irgendetwas hier ganz und gar nicht in Ordnung ist. 

Bald gibt es eine erste schockierende Entwicklung, durch die Dinge ins Rollen gebracht werden. Im weiteren Verlauf wird der Sci-Fi Teil der Geschichte immer relevanter, denn ich erhielt zunehmend Informationen darüber, wie der Persönlichkeitswechsel der Spieler_innen und das Spiel an sich funktioniert. Die Fachsimpelei über futuristische Neurobiologie und Programmierung ist zum Teil ziemlich detailliert und komplex. Ein ungefähres Verstehen reicht aber aus, um den Erst der Lage zu realisieren.

Ich fand es unterhaltsam, die Spieler_innen durch die Stages zu begleiten und zu überlegen, wer wohl wie weit kommen wird. Es sind höchst unterschiedliche Charaktere dabei, die für einige Überraschungen gut sind. Außerhalb des Spiels habe ich Yez und Hathi schnell liebgewonnen, während ich mit Rafael und seinem Umfeld meine Probleme hatte. Ich habe die Gründe für seine Entscheidungen nicht immer nachvollziehen können und wunderte mich, dass man ihn so frei agieren lässt. Zum Ende hin zieht das Tempo noch mal stark an und ich wurde fast abgehängt während meiner Versuche, zu verstehen, was da technisch und biologisch passiert. Ich entschloss mich, das auszublenden, um das spannende Finale wirken zu lassen. Gerne empfehle ich "Succession Game" an alle Sci-Fi Leser_innen weiter, die Lust haben, die Geheimnisse des Spiels peu a peu zu lüften.

Freitag, 14. Oktober 2022

Rezension: The Atlas Six von Olivie Blake


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The Atlas Six
Autorin: Olivie Blake
Übersetzerinnen: Alexandra Jordan und Heide Franck
Hardcover: 544 Seiten
Erschienen am 28. September 2022
Verlag: FISCHER Tor

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Fast alle Menschen glauben, dass das Wissen der Bibliothek von Alexandria verloren ist, doch das ist nicht korrekt. Alle zehn Jahre wählt die Alexandritische Gesellschaft die sechs talentiertesten Magier aus, die für einen Platz in ihren Reihen in Frage kommen. Im ersten Studienjahr erhalten sie bereits Zugang zu den einigen Unterlagen von großer Macht und unschätzbarem Wert erhalten. Doch danach werden nur fünf von ihnen initiiert und werden ein weiteres Jahr lang ausgebildet.

Die Geschichte ist abwechselnd aus der Sicht der sechs ausgewählten Kandidaten geschrieben. Zu Beginn erhielt ich einen kurzen Einblick in ihre bisherigen Leben und wurde Zeugin der ersten Begegnung zwischen ihnen und dem Kurator Atlas Blakely, der alle zu einem ersten Treffen einlädt, um das Angebot der Gesellschaft zu unterbreiten. Die Fähigkeiten der sechs sind sehr unterschiedlich, ebenso wie ihre kulturellen und familiären Hintergründe.

Libby und Nico sind Physiomagier, die gerade ihren Abschluss an der New York School of Magic gemacht haben. Sie können sich nicht leiden, doch ihre Fähigkeiten ergänzen einander. Parisa ist eine Telepathin und verführt andere gern, um in ihre Gedanken zu schlüpfen, während Callum als Empath Gefühle erkennen und manipulieren kann. Tristan kann Illusionen durchschauen und Reina kann mit ihrer Energie Pflanzen zum wachsen bringen.

Ich fand es interessant, mehr über die einzelnen Charaktere und ihre Beweggründe zu erfahren, mit denen sie das Angebot von Atlas annehmen. Während einige die Aussicht auf möglichst viel Wissen anzieht, suchen andere nach ganz bestimmten Antworten. Was sie im ersten Jahr genau erwartet, weiß jedoch niemand so recht. Gleich nach ihrer Ankunft kommt es zu einem unerwarteten, spannenden Zwischenfall, der klar machte, dass sich die Geschichte nicht nur um das trockene Studieren alter Bücher drehen wird. 

Sehr schnell ist klar, dass nur fünf aus der Runde nach dem ersten Jahr initiiert werden und sie selbst entscheiden werden, wer von ihnen nicht dabei sein wird. Deshalb beginnen die Charaktere bald damit, Allianzen zu schmieden und zu überlegen, wen es treffen könnte. Neben diesem gemeinsamen Thema hat jeder eigene Ziele, die er verfolgt. Ich fand es interessant, zu sehen, wie die Sechs ihre Fähigkeiten allein, miteinander und gegeneinander einsetzen. Sie können Gedanken und Gefühle, aber auch Raum und Zeit manipulieren. Um die Gesetzmäßigkeiten ihrer Welt und ihre Kräfte zu verstehen, braucht es bisweilen Konzentration, um den längeren Ausführungen zu folgen.

Nach dem ersten Spannungsmoment zu Beginn ist die Story lange Zeit eher ruhig. Ich erfuhr mehr über die Ziele der einzelnen und beobachtete das sich verändernde Geflecht der Beziehungen zueinander. Eine Weile hatte ich das Gefühl, dass die Handlung nicht richtig von der Stelle kommt und ähnliche Überlegungen immer wieder gemacht werden. Schließlich wird ein Geheimnis von großer Tragweite gelüftet, das eine höchst brenzlige Situation herbeiführt. Eine überraschende Wendung lässt schließlich einiges in neuem Licht erscheinen und weckte meinte Neugier auf die beiden weiteren Bände dieser Trilogie. Gerne empfehle ich diesen magischen Dark Academia Roman voller Geheimnisse, Bündnisse und Verrat weiter.

Donnerstag, 13. Oktober 2022

Rezension: Unsre verschwundenen Herzen von Celeste Ng

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Unsre verschwundenen Herzen
Autorin: Celeste Ng
Übersetzerin: Brigitte Jakobeit
Erscheinungsdatum: 05.10.2022
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783423290357
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In ihrem Roman „Unsre verschwundenen Herzen“ beschreibt Celeste Ng, warum die Protagonistin Margaret Miu, die Mutter von Bird, in einer nahen Zukunft ihren Sohn in der Obhut ihres Ehemanns zurücklässt. Sie hat dabei das Bestmögliche für Bird im Sinn und ist damit nicht die Einzige, die sich von ihrer Familie absetzt. Mütter und Väter sind voller Angst vor der staatlichen Kontrolle, die über angemessenes Verhalten urteilt. Sie kommen unangemeldet zum Wohnort der Familie, nehmen die Kinder mit und geben sie in Pflegefamilien. Doch die Liebe der Eltern bleibt in den Herzen ihres Nachwuchses. Das Cover spiegelt eine Situation wider, wie manche besorgte Person der Erzählung sie inzwischen tagtäglich wiederholt: Ein vorsichtiger Blick durch die Gardine nach draußen, ob Gefahr in Form der Ordnungshüter im Anmarsch ist.

Margaret hat asiatische Vorfahren. Vor mehreren Jahren hat sie ungewollt die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen und schließlich in Konsequenz dazu Ehemann und Sohn verlassen. Inzwischen ist Bird zwölf Jahre alt. Sein Vater hat dafür gesorgt, dass sie an einem neuen Wohnort innerhalb der Stadt einen Neuanfang starten können. Eines Tages erhält Bird einen Brief mit einer Zeichnung. Er erkennt, dass seine Mutter sie für ihn gemalt hat. Zum Glück ist die Post nicht konfisziert worden. Bird glaubt fest daran, dass Margaret ihm etwas mitteilen möchte. Darum beginnt er damit einen Plan für die Suche nach seiner Mutter zu erdenken, den er schließlich umsetzt.

Celeste Ng schafft ein beängstigendes Szenario. Die Geschichte ist zwar eine Dystopie, basiert aber auf einer Vergangenheit, die die unsere ist. Beim Lesen wurde mir klar, dass bestimmte Begebenheiten nicht mehr auf sich warten lassen, sondern bereits jetzt Realität sind. Im Roman fordert die USA dazu auf, Gründe für die Wirtschaftskrise zu finden. Irgendwann kanalisiert sich die Meinung, dass Mitbürger mit asiatischen Wurzeln die Schuld tragen. Bereits ihr Aussehen erregt das öffentliche Ärgernis. Es ist erschreckend darüber zu lesen, aber auch bei uns gegenwärtig, dass so viele sich eine solche Ansicht unreflektiert zu eigen machen.

Von Beginn an entwickelt sich eine hintergründige Spannung darüber, ob die Suche von Bird erfolgreich sein wird. Er entdeckt Bibliotheken als einen Ort, an dem sich Widerstand regt, wodurch ein Stück Hoffnung gegeben wird. Die Autorin zeigt, welche Macht Worte ausüben können, im positiven wie im negativen Sinne. Sie nutzt einen Schreibstil, der die wörtliche Rede nicht mit Anführungszeichen versieht. Aber sie ist nah an ihren Figuren und es gelang ihr, mir deren Gefühle zu übermitteln. Ich empfand die Ohnmacht und Hilflosigkeit der zu Unrecht Beschuldigten. Einige Male überraschte mich der Roman mit einer Wendung.

„Unsre verschwundenen Herzen“ von Celeste Ng ist ein dystopischer Roman mit einer unerwartet großen Nähe zu unserer Gegenwart. Die Autorin zeigt auf berührende Weise anhand des Beispiels einer Mutter-Sohn-Beziehung, was Blindgläubigkeit in Verbindung mit Stigmatisierung bewirken kann. Es war ein beeindruckendes und ergreifendes Lesen. Gerne empfehle ich das Buch weiter.



Dienstag, 11. Oktober 2022

Rezension: Demon in the Wood. Schatten der Vergangenheit: Die Vorgeschichte des Dunklen


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Demon in the Wood. Schatten der Vergangenheit: Die Vorgeschichte des Dunklen
Autorin: Leigh Bardugo
Illustratorin: Dani Pendergast
Übersetzerin: Michelle Gyo
Broschiert: 208 Seiten
Erschienen am 4. Oktober 2022
Verlag: Knaur

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Der Dunkle ist eine der zentralen Figuren des Grishaverse. Doch wie ist er zu dem Charakter geworden, den ich in den Romanen kennenlernte? In dieser Graphic Novel gibt Leigh Bardugo zusammen mit der Illustratorin Dani Pendergast einen Einblick in die frühen Jahre des Aleksander Morozova. Gemeinsam mit seiner Mutter reist er von Ort zu Ort und nimmt jedes Mal eine neue Identität an. Gerade sind die beiden als Eryk und Madraya auf dem Weg zu einem Grisha-Lager, in welchem sie hoffen, überwintern zu können. Doch die andersartigen Kräfte der beiden sorgen bei den anderen Grisha für Argwohn. Und Aleksander hat ein Geheimnis, das um jeden Preis gewahrt werden muss.

Als Fan des Grishaverse freue ich mich über jede neue Story, welche die von Leigh Bardugo geschaffene Welt erweitert. Die Idee, die Vorgeschichte des Dunklen in Form einer Graphic Novel zu veröffentlichen, hat mir gefallen. Die winterlichen Illustrationen von Dani Pendergast versorgen die Geschichte mit der passenden Atmosphäre. Je nach Situation und Stimmung sind die Seiten mal in kühlen, mal in warmen Farben gestaltet. Sie laden dazu ein, das Buch immer wieder zur Hand zu nehmen und sich durch die Szenen zu blättern.

Der Verlauf der Geschichte stimmte mich nachdenklich im Hinblick auf die Frage, ob der Weg des Dunklen von Beginn an vorgezeichnet war oder er erst durch das Erlebte auf den mir aus den Romanen bekannten Pfad geschickt wurde. Ich lernte hier einen Jungen kennen, der sich nach Freundschaft und Anerkennung sehnt. Doch die schrecklichen Dinge, die er miterleben und selbst tun muss, werden sein weiteres Leben prägen. 

Mir hat diese Graphic Novel geholfen, ein besseres Verständnis für den Dunklen zu entwickeln. Wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wenn sein Umfeld in den entscheidenden Momenten dieser Geschichte anders reagiert hätte? Hätte das langfristig etwas geändert? Sehr gern empfehle ich "Demon in the Wood" an alle Fans des Grishaverse weiter!

Montag, 10. Oktober 2022

Rezension: Das Wunder küsst uns bei Nacht von Gabriela Engelmann


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Das Wunder küsst uns bei Nacht
Autorin: Gabriela Engelmann
Erscheinungsdatum: 01.09.2022
Verlag: Knaur (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783426526231
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Mit der Geschichte des Romans „Das Wunder küsst uns bei Nacht“ von Gabriella Engelmann reiste ich ein drittes und letztes Mal zum fiktiven kleinen Küstenort nach Lütteby. Der Titel nimmt Bezug auf die Situation, in der sich die Protagonistin und Ich-Erzählerin Lina und ihr aktueller Freund sich nähergekommen sind und an die sie sich gerne erinnert.

Lina hadert damit, dass ihre Mutter Florence plötzlich in Lütteby erschienen ist. Sie lebt schon seit einer gewissen Zeit in einem Ort, der nicht weit entfernt ist. Für die beiden beginnt ein schwieriger Annäherungsprozess, den Gabriella Engelmann sensibel beschrieben hat. Erst als ihre Mutter ihr von ihrer Jugend und der Zeit danach erzählt, fängt Lina an, die Gründe zu verstehen, warum Florence sie als Kleinkind zurückgelassen hat. Aus ihrer jetzigen, neu gewonnenen Sicht ändert sich die Rolle ihrer Großmutter Henrikje und sie hinterfragt deren Verhalten. Als sie erfährt, dass auch ihre Oma in Liebesdingen ein Geheimnis hütet, fragt sie sich, ob die Frauen der Familie Hansen überhaupt die große Liebe erleben können.

Lange musste ich darauf warten, endlich den Namen von Linas Vater zu erfahren. Die Autorin versteht es geschickt, ihre Figuren vor einer Klärung immer wieder ausweichen zu lassen, was eine gewisse Hintergrundspannung erzeugt. Aber Linas Welt ist auch in Sachen Beruf im Umbruch. Liebesleben und Jobwechsel bringen sie dazu, sich selbst zu hinterfragen. Für sie wird es Zeit einen Neuanfang zu wagen und ihr Leben auf die Zukunft auszurichten. Bewegend beschreibt Gabriella Engelmann die widerstreitenden Gefühle ihrer Protagonistin. Ein Unglück hätte mir als Leserin beinahe das gewünschte Ende verleidet, aber dann konnte ich doch noch aufatmen.

Natürlich fehlt auch diesmal nicht der Charme von Lütteby im Roman. Gabriella Engelmann führte mich als Leserin wieder an bezaubernde Schauplätze. Trotz einiger Ecken und Kanten sind die Bewohner Lüttebys sympathisch. Für die Verstimmung bestimmter Personen gibt es glaubhafte Erklärungen. Eine Liebesgeschichte, die vor sechzig Jahren spielt, unterbricht in kursiver Schrift einige Male die Kapitel und trägt zum tieferen Verständnis der Vergangenheit einer der Hauptfiguren bei.

Der Roman „Das Wunder küsst uns bei Nacht“ führt die Reihe „Zauberhaftes Lütteby“ von Gabriella Engelmann zu einem freundlichen Ende. Einfühlsam beschreibt die Autorin die inneren Konflikte der Protagonistin Lina, die sich ihrer feinfühligen Mutter behutsam annähert. Mit einem kleinen Aufreger zum Ende hin überraschte mich die Geschichte, die dann aber zum Wohlfühlen endete. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter. Für alle Lütteby-Fans ist das Lesen ein Must-Read.

 

Sonntag, 9. Oktober 2022

Rezension: Stille blutet von Ursula Poznanski


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Stille blutet
Autorin: Ursula Poznanski
Broschiert: 400 Seiten
Erschienen am 1. September 2022
Verlag: Knaur

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Nadine Just arbeitet in Wien als Nachrichtensprecherin bei Quick-TV. Mit ihrer provozierenden Art hat sie schon so manchen gegen sich aufgebracht, insbesondere in den Sozialen Medien, wo sie mit Hohn und Spott nicht spart. Eines Abends geschieht das Unglaubliche: Vor laufender Kamera liest sie die Ankündigung ihres eigenen Todes vom Teleprompter ab. Kurz darauf findet ihr Ex-Freund Tibor sie gemeinsam mit einer Redakteurin ermordet in ihrer Gaderobe vor.

Fina Plank ist neu bei der Wiener Mordkommission und die einzige Frau im Team. Gemeinsam mit Oliver, der sich mit ihr als neuer Partnerin noch schwer tut, werden sie zum Tatort gerufen. Wer könnte den Text auf den Telepromter geschmuggelt und anschließend den Mord begangen haben? Eigentlich kommt dafür nur ein Insider in Frage. Doch dann wird ein Journalist tot aufgefunden, dessen Ermordung auf seinem Blog angekündigt wurde. Vor der Wohnung des Toten treffen sie ausgerechnet Tibor Glaser an. Hat er mehr mit den Morden zu tun als zunächst vermutet?

Nach dem Abschluss der Vanitas-Trilogie war ich gespannt, welches Setting Ursula Poznanski für ihre neue Reihe entwickeln wird. "Stille bluet" spielt wieder in Wien und ist zum einen aus der Sicht der jungen Ermittlerin Fina erzählt, die sich in der Mordkommission inmitten ihrer ausschließlich männlichen Kollegen behaupten muss, und zum anderen aus der Sicht von Tibor, dem Ex-Freund des ersten Opfers, dessen Rolle bei den Morden viele Fragen aufwirft. Der Titel ist einem Gedicht von Georg Trakl entnommen, das hinten im Buch abgedruckt ist. 

Die Geschichte beginnt mit hohem Tempo. Im Prolog kündigt Nadine Just ihren Tod an und schon wenige Seiten später wird sie ermordet aufgefunden und die Polizei trifft am Tatort ein. Fina als Ermittlerin hat mir sehr gut gefallen. Sie ist aufmerksam und hat gute Ideen, muss sich ihr Ansehen in der Mordgruppe aber erst erarbeiten. Tibor hingegen war ein Charakter, bei dem ich immer auf der Hut geblieben bin, denn ich fragte mich, ob in den Kapiteln aus seiner Sicht wichtige Informationen zu seiner wahren Rolle bei den Morden verschwiegen werden oder nicht.

Nach dem Fund der zwei Toten entwickelt das Buch einige Längen. Die Ermittlungen der Polizei drehen sich ausschließlich um Tibors Rolle, während Tibor damit beschäftigt ist, seinen Namen rein zu waschen. Auch wenn die Ermittlungen auf mich einen authentischen Eindruck machten, war das für meinen Geschmack zu einseitig. Erst zum Ende hin kommt wieder Schwung ins Geschehen und in kürzester Zeit werden alle Erklärungen geliefert und ein Motiv enthüllt, das für mich nicht zu der hinter den Morden steckenden Logistik passte.

Wer die Erzählstimme ist, die in kurzen Abschnitten zu Wort kommt und ebenfalls ein Verbrechen begeht, wird nicht geklärt und vermutlich in der Fortsetzung aufgegriffen. Ich fand dieses Buch etwas schwächer als die vorherigen Bücher der Autorin. Dennoch freue ich mich auf die Fortsetzung, da ich den Charakter der Fina Plank für vielversprechend halte und auf ihren nächsten Fall gespannt bin.

Freitag, 7. Oktober 2022

Rezension: Das irrationale Vorkommnis der Liebe von Ali Hazelwood


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Das irrationale Vorkommnis der Liebe
Autorin: Ali Hazelwood
Übersetzerinnen: Christine und Anna Julia Strüh
Broschiert: 453 Seiten
Erschienen am 20. September 2022
Verlag: Aufbau

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Für Dr. Bee Königswasser geht ein Traum in Erfüllung: Sie ist zur Leiterin eines Forschungsprojekts für Neurotechnik ernannt worden, bei dem die NASA zusammen mit ihrem Forschungsinstitut, dem NIH, kooperiert. Als Bee jedoch erfährt, wer ihr Co-Leiter von der NASA ist, weicht Ernüchterung der Euphorie. Es ist ausgerechnet Dr. Levi Ward, der ihr schon während der Promotion bei jeder sich bietenden Gelegenheit gezeigt hat, wie wenig er sie mag. Die ersten Tage in Houston schließen an diese Erfahrung an: Levi hat ihr kein Equipment besorgt, weist sie auf die Kleidungsvorschriften hin und schnappt ihr den einzigen veganen Donut vor der Nase weg. Emotionale Unterstützung erhält sie durch ihre Twitter-Gemeinschaft, wo sie anonym als @WhatWouldMarieDo unterwegs ist und Frauen in der Wissenschaft zusammenbringt, die sich dort über ihre Erfahrungen austauschen. Als die Situation im Büro sich weiter verschärft, muss Bee sich entscheiden, wie ihre berufliche Zukunft aussehen soll.

Nachdem mich Ali Hazelwood im Frühjahr mit ihrem Debütroman begeistern konnte, habe ich mich sehr gefreut, dass nun schon ihr zweites Buch ins deutsche übersetzt wurde. Auch dieses Buch hat ein wissenschaftliches Setting, diesmal zieht die Protagonistin Bee vorübergehend nach Houston, um an einem Helm zu arbeiten, der Astronauten unterstützen soll. Durch das Wiedersehen mit ihrer alten Nemesis Dr. Levi Ward ist ein emotionales Chaos vorprogrammiert.

Die Geschichte hat mich sehr gut unterhalten können. Bee ist eine intelligente und ehrgeizige Protagonsitin, die Levi endlich die Stirn bieten will. Ich habe mitgefiebert, ob sie ihr Projekt trotz der Steine, die ihr in den Weg gelegt werden, zum Erfolg führen kann. Die Szenen zwischen Bee und Levi sind wirklich amüsant. Auch Bees wissenschaftliche Mitarbeiterin Rocío, die Gothic und Sarkasmus liebt, schloss ich mit ihrer unvergleichlichen Art schnell ins Herz.

Sicherlich lassen sich viele Entwicklungen vorausahnen, doch der Weg ist hier das Ziel und diesen fand ich gelungen. Neben der Liebesgeschichte spielen auch Themen wie Familie und Freundschaft eine wichtige Rolle. Das wissenschaftliche Setting empfand ich als authentisch und ich mir hat gefallen, dass die Autorin ihre Stimme nutzt, um Testverfahren wie die GRE kritisch zu hinterfragen. Zum Ende hin wird die Dramatik sehr hochgeschraubt, was für meinen Geschmack in diesem Ausmaß gar nicht hätte sein müssen. Ingesamt ist Ali Hazelwood mit "Das irrationale Vorkommnis der Liebe" wieder ein sehr schöner, unterhaltsamer Liebesroman gelungen, den ich sehr gerne weiterempfehle.

Donnerstag, 6. Oktober 2022

Rezension: Der Zirkel - Sie wollen dich. Sie finden dich. von Leon Sachs

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Der Zirkel - Sie wollen dich. Sie finden dich. 
Autor: Leon Sachs
Erscheinungsdatum: 14.09.2022
Verlag: Penguin Verlag (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Broschur mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783328107552
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In seinem Thriller „Der Zirkel“ konfrontierte Leon Sachs mich als Leserin mit einem Gedankenspiel großen Maßstabs, denn es geht um nichts Geringeres als die Manipulation der Bundestagswahl in Deutschland. Unser X wird an der richtigen Stelle der Listung der Kandidaten und Parteien benötigt. Der Untertitel des Buchs „Sie wollen dich. Sie finden dich“ spiegelt die Radikalität der Gruppierung wider, die in der Geschichte im Fokus steht.

„Der Zirkel“ ist als Reihe angekündigt, bei der Johanna Böhm und Rasmus Falk ermitteln. Im ersten Band wird es für die 29-jährige Anfängerin auf der Polizeiakademie sehr persönlich, denn die Bedrohung führt mitten ins Herz ihrer Familie. Allerdings hat sie sich bereits vor Jahren von dieser gelöst. Es geschehen drei Morde in drei verschiedenen Ländern und Johanna erkennt einen Zusammenhang, der in einem Ereignis in der Vergangenheit liegt. Auch der frühere Geheimdienstler und IT-Experte Rasmus kennt die Verbindung und hat ein privates Interesse daran, die Hintergründe aufzuklären. Er übt Druck auf Johanna aus, die ihre Gefühle in der Regel im Griff hat, um sie zur Mitarbeit zu motivieren. Dadurch leidet ihr Vertrauensverhältnis, obwohl sie sich in manchen Situationen aufeinander verlassen müssen.

Leon Sachs baut von Beginn an Spannung auf. Zunächst wird es ein wenig mystisch und bleibt es auch weiterhin in Bezug auf den Geheimbund. Gleichzeitig ist es beängstigend darüber zu lesen, welche Möglichkeiten es gibt, manipulativ tätig zu werden. Verschleierungstaktiken sind an der Tagesordnung. Um seinen Willen durchzusetzen, finden sich Hintermänner, die vor Gewalt nicht zurückschrecken. Es gibt Personen, die sich mit Technik und Software auskennen, und die die meisten Barrieren online und offline überwinden können. Der Autor beschreibt ein komplexes Gefüge. Im Mittelteil gönnt er dem Lesenden eine kurze Pause, um danach die Spannung wieder anzuziehen und in mehreren, für die Protagonisten gefährlichen Szenen, zur überraschenden Aufdeckung der Verschwörung zu führen.

Die Figuren sind vorstellbar gestaltet und vor allem Johanna wirbt um Sympathie. Es ist jedoch erschreckend, vermutlich aber durchaus realistisch, wie schnell Gewalt zur Durchsetzung gewisser Interessen angewendet wird. Mehr als einmal nimmt die Erzählung eine unerwartete Wendung. Zeitungsberichte aus aller Welt unterstützen die Glaubwürdigkeit der dargestellten Ereignisse, die dadurch umso beunruhigender wirken.

Das Buch „Der Zirkel“ von Leon Sachs ist ein Thriller, dessen Szenario auf beeindruckende Weise darstellt, wie es möglich wäre, die Grundfeste der Demokratie zu unterwandern. Er zeigt die Schwierigkeiten auf, die Drahtzieher eines Komplotts zu finden. Gerne empfehle ich ihn weiter, vor allem an Krimilesende mit Interesse an Politik.


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