Sonntag, 26. Dezember 2021

Rezension: Polizeiärztin Magda Fuchs: Das Leben, ein großer Rausch von Helene Sommerfeld

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Polizeiärztin Magda Fuchs Das Leben ein großer Rausch
Band 2 von 3
Autoren: Helene Sommerfeld
Erscheinungsdatum: 20.10.2021
Verlag: dtv (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783423220033
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Der Roman „Das Leben, ein großer Rausch“ von Helene Sommerfeld ist der zweite Teil der Trilogie „Polizeiärztin Magda Fuchs“. Es ist das Jahr 1922. Die 31 Jahre alte Magda lebt inzwischen seit zwei Jahren in Berlin. Sie hat die gynäkologische Praxis des verstorbenen Ehemanns ihrer Pensionswirtin übernommen. Allerdings muss sie die Sprechstunden stark beschränken, weil ihr auch noch ihrer Tätigkeit als Polizeiärztin beim Gesundheitsamt nachgeht

Eines Tages wird die ebenfalls in der Pension eingemietete Doris, die eine Karriere als Schauspielerin anstrebt, im Gewühle des Silvesterballs, von einem Messer schwer verletzt. Magdas Freund Kuno und seine Kollegen vom Kommissariat übernehmen die Ermittlungen und schnell stellt sich heraus, dass der Angriff leider kein Einzelfall war. Unterdessen intensiviert sich das Verhältnis von Celia, der Tochter der Pensionswirtin, zu ihrem betuchten Galan Edgar. Wie in Band eins konnte ich neben den vertrauten Figuren Magda, Doris und Celia ebenfalls über die in der Pension lebende Journalistin Erika, die manchmal eng mit Magda arbeitende Fürsorgerin Ina und die Anwältin Ruth lesen.

Anhand der Schicksale ihrer Figuren zeigt das Berliner Autorenehepaar Licht und Schattenseiten in der Hauptstadt zu Beginn der 1920er Jahre. Einige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg freuen sich die Berliner, die es sich leisten können, über Theateraufführungen, Kinofilme und Besuche in Etablissements mit Musik und Tanz. Das Leben erscheint nach den entbehrungsreichen Jahren wie ein Rausch, den es zu genießen gilt. Vor allem Celia und Doris machen gerne davon Gebrauch, wobei sie dabei unterschiedliche Ziele verfolgen. Doris sucht bei den Gelegenheiten nach einem passenden Ehemann, während es für Celia ein Ausdruck ihrer Selbstständigkeit ist. Überhaupt hadert sie mit ihrer Beziehung zu Edgar, der gelegentlich eine schlechte Seite an ihm zeigt. Außerdem möchte sie sich keineswegs erneut in eine Ehe begeben, in der sie nur den Anweisungen ihres Manns zu folgen hat.

Neben dem damals allgemeinen Streben der Frauen nach Gleichberechtigung nimmt das Thema Verhütung im Roman großen Platz ein. Eine Aufklärung der Frauen ist nur in engem Rahmen möglich, weil man ansonsten gegen das Gesetz verstößt. Magda setzt sich vehement gegen Abtreibung ein. Mit ihrer Pensionswirtin, die ihr die Akten in der Praxis führt, gerät sie dabei in Streit. Helene Sommerfeld beleuchtet anhand mehrerer Schicksale verschiedene Seiten des Problems und sorgt jedes Mal bei Magda für eine Auseinandersetzung mit ihrem Gewissen. Es zeigt sich, dass ungewollte Schwangerschaften sowohl bei reichen wie auch armen Familien eine große Sorge sind, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die zunehmende Geldentwertung führt zu immer größerer Armut in der Bevölkerung. Magdas Praxis steht dadurch auf dem Spiel, denn die Kosten sind hoch.

Im Roman „Das Leben, ein großer Rausch“ gelingt es dem Autorenehepaar unter dem Pseudonym Helene Sommerfeld erneut, das Leben in Berlin zu Beginn der 1920er lebendig werden zu lassen. Die Protagonistinnen, die in unterschiedlichen Arbeitsgebieten tätig sind, verfolgen mit Selbstbewusstsein ihre Ziele und überraschen manchmal mit ihren Entscheidungen. Auch der vorliegende zweite Band endet wie der erste mit einem Cliffhanger und macht neugierig auf den abschließenden Teil. Ich fühlte mich von der Geschichte bestens unterhalten und empfehle das Buch daher gerne an Lesende historischer Erzählungen.


Donnerstag, 23. Dezember 2021

Rezension: Das Therapiezimmer von Aimee Molloy

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Das Therapiezimmer
Autorin: Aimee Molloy
Übersetzerin: Katharina Naumann
Broschiert: 336 Seiten
Erschienen am 13. November 2021
Verlag: Rowohlt Polaris

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Sam und Annie sind seit dreizehn Wochen verheiratet und aus New York zurück in Sams Heimat Chestnut Hill gezogen. Dort hat Sam im Soutterain seine Praxis als Psychotherapeut eingerichtet. Was er nicht ahnt: Durch einen Lüftungsschlitz in der Decke können seine Gespräche mitangehört werden. Kurz nachdem er eine französische Gaststudntin als neue Patientin angenommen hat, die unverhohlen mit ihm flirtet, verschwindet Sam spurlos...

„Das Therapiezimmer“ ist eins der Bücher, die umso besser funktionieren, je weniger man vor der Lektüre über sie weiß. Schon im ersten Kapitel erhielt ich einen Vorgeschmack auf Aimee Molloys Künste in Sachen Plottwists. Diese sind die eindeutige Stärke des Buches, wie sicherlich viele andere auch erlebte ich am Ende des ersten Buchteils eine eiskalte Überraschung, die ich überhaupt nicht habe kommen sehen. Nach dieser hatte ich lauter Fragezeichen im Kopf und musste erst einmal zurückblättern, um dessen Plausibilität zu prüfen. Durch geschicktes Erzählen und Nicht-Erzählen ist der Plan der Autorin bei mir aufgegangen und ich konnte bald schon nachvollziehen, was eigentlich geschehen ist.

Auch in den beiden weiteren Teilen warteten noch einige Überraschungen auf mich. Es kommt immer wieder zu brisanten Momenten, wobei die Autorin im Hinblick auf den Spannungsbogen noch mehr aus der Geschichte hätte herausholen können. Etwas gestört haben mich die häufigen Verweise auf „Sie“ von Stephen King, da ich das Buch nicht kenne und entsprechend wenig damit anfangen konnte. Weil ich unbedingt wissen wollte, wie die ganze Sache ausgeht, flog ich dennoch und die Seiten und habe das Buch in kurzer Zeit beenden können. „Das Therapiezimmer“ ist ein Buch für alle Thriller-Leser, die Plottwists lieben!

Sonntag, 19. Dezember 2021

Rezension: Das Zeitalter der Drachen von Jenny-Mai Nuyen

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Das Zeitalter der Drachen
Autorin: Jenny-Mai Nuyen
Erscheinungsdatum: 27.10.2021
Verlag: Fischer Tor (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783596706327
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Das Buch „Das Zeitalter der Drachen“ ist ein High-Fantasy Roman von Jenny-Mai Nuyen, der in der Sphäre von Tana, der Welt von Tag und Nacht, spielt. Tana wird bewohnt von Menschen, Grauen und Weißen Elfen sowie Zwergen. Sie haben Furcht vor Drachen, die ebenfalls auf Tana heimisch sind. Mit ihrem Feueratem können sie Lebewesen, Fauna, Flora und Gebäude vernichten. Die Hoffnung der Einwohner von Tana liegt bei den Erzmagiern der Völker, von denen sie erwarten, dass diese ihre Zauberkünste dazu einsetzen, die Bedrohung durch die Drachen zu bannen.

Nireka ist eine junge unverheiratete Frau, die bei den Zwergen in Ydras Horn unter der Erde lebt. Ihr Vater ist ein bedeutender Mann bei ihnen. Jedes Mal wenn ein Bewohnender der Zwergenfestung von einem Geisterschatten befallen wird, kommt ein Drache nach Ydras Horn, der die Herausgabe der Person verlangt, damit er sich daran nähren kann. Aber das Volk der Zwerge steht zusammen. Sie bewahren sich ihre Würde und nehmen lieber Hunger und Ungemach in Kauf als einen von sich, so wie andernorts üblich, zum Fraß auszuliefern.

Als die Geisterschatten Nireka heimsuchen, beschließt sie, sich dem Drachen zu opfern. Sie gelangt über das offene Meer an einen Turm, in dem seit Jahrhunderten ein Ei eingeschlossen ist, aus dem sich ein Drachen entwickeln wird. Ihr Schicksal nimmt nicht den von ihr erwarteten Verlauf. Der Drache Aylen, der aus dem Ei schlüpft, will überraschenderweise niemanden fressen, sondern verbündet sich mit ihr im Kampf um seine Artgenossen. Aylens Anliegen findet seinen Grund in der eigenen und der Vergangenheit von Tana.

Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. In einem einführenden Prolog macht die Autorin in einer Rückblende neugierig darauf, warum Aylen sich zu dem entwickelt hat, wie Nireka sie aktuell wahrnimmt. Früher war Aylen eine verachtete Hexe mit hohen Ansprüchen an sich. Begleitet wird sie von einem verzauberten Gegenstand, der für noch mehr Tiefe und einem manchmal amüsanten Anklang in der Erzählung sorgt. Ohne bestimmte geistige Eigenschaften mit einem Volk zu verknüpfen, zeigt die Autorin wie unterschiedlich an verschiedenen Orten in der von ihr erdachten Welt das tägliche Leben bestritten wird. Dabei stellt sie den ungleichen Umgang mit den Drachen besonders heraus.

Jenny-Mai Nuyen gestaltet ihre Figuren wandelbar. Die Protagonistinnen finden sich nicht mit der ihnen zugedachten Rolle ab, sondern hinterfragen die Handlungen ihres Volkes und die damit verbundenen Konsequenzen. Sowohl Nireka wie auch Aylen setzen sich mit moralischen Bedenken auseinander. Hinter allem steht das Streben des Einzelnen nach Unsterblichkeit. Demgegenüber stellt die Autorin die damit möglicherweise verbundenen Einbußen und wirft die Frage auf, wie ein ewig lebendes Wesen von anderen wahrgenommen beziehungsweise wie es selbst mit Sterblichen umgehen wird. Sie stellt den Drang nach Macht und Anerkennung gegen das Bestreben nach dem Wohl eines ganzen Volks. Auch fantastische Zaubereien und magische Kämpfe kommen im Roman nicht zu kurz.

In ihrem Fantasy-Roman „Das Zeitalter der Drachen“ beschreibt Jenny-Mai Nuyen den Kampf der Zwerge, Menschen und Elfen gegen Drachen, die sich an ihnen nähren. Dabei verdeutlicht sie das Bestreben der verschiedenen Wesen nach dem für sie Bestmöglichen, auch über moralische Bedenken hinweg. Die Geschichte hat meiner Ansicht nach mehr Tiefgang in der Figurengestaltung als ich sie von anderen Erzählungen des Genres her kenne. Das hat mir sehr gut gefallen und darum empfehle ich das Buch gerne an Lesende von Fantasie weiter. 

Mittwoch, 15. Dezember 2021

Rezension: Blue - Wo immer du mich findest von Nikola Hotel

 


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Blue - Wo immer du mich findest
Autorin: Nikola Hotel
Broschiert: 432 Seiten
Erschienen am 14. Dezember 2021
Verlag: Kyss

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Jane Rivers hat eine schwere Zeit hinter sich, denn ihre Mutter ist vor vier Monaten verstorben. Statt ihr Studium zu beginnen, ist sie Kellnerin in einem Diner geworden, denn es fehlte am nötigen Geld. Vor kurzem hat sie jedoch erfahren, dass der Gouverneurskandidat William Hayden ihr leiblicher Vater ist. Dank seiner anderen Tochter Abbi, welche die Freundin ihres Bruders David ist, hat sie nun keine finanziellen Sorgen mehr. Dass ihr Vater nichts mit ihr zu tun haben will, schmerzt sie jedoch sehr. Von ihrem Bruder fühlt sie sich verraten und schläft seit Tagen auf einer Couch im Diner statt in der gemeinsamen Wohnung. Und dann ist da noch der Studentent Alex, der fast jeden Tag zu Gast im Diner ist und sie mit seinen gemeinen Sprüchen zum explodieren bringt.

Schon im ersten Band der Reihe lernte ich Jane als Schwester von David kennen, die nach dem Tod ihrer Mutter deren Job im Diner übernommen hat. Ich freute mich darauf, mehr über sie zu erfahren. Der Diner ist zu Beginn des Buches der zentrale Handlungsort, denn nach einem Streit mit ihrem Bruder arbeitet sie nicht nur tagsüber dort, sondern schläft auch seit Tagen heimlich im Büro ihres Chefs. Dass sich David als Freund von Haydens Tochter Abbi freiwillig auf einem Familienfoto ablichten lässt, während ihre Existenz als uneheliche zweite Tochter geheim gehalten wird, ist für sie nicht nachvollziehbar. Wenigstens kann sie mit dem Geld der Haydens nun ohne Kredit ein Studium antreten, sofern es mit der erneuten Bewerbung klappt.

Auch Alex, einer der Stammgäste im Diner, hatte im ersten Band schon einen kleinen Auftritt. In Janes Augen ist er ein Nörgler, dem sie es einfach nicht recht machen kann. Mit seinen Kommentaren treibt er Jane immer wieder bis zur Weißglut, sodass sie aus der Rolle der höflichen Kellnerin herausfällt und nicht anders kann, als zurückzuschießen. Hinter Alex Fassade des arroganten Politikstudenten steckt jedoch ein höchst verletzlicher Charakter. Durch einige Kapitel aus seiner Sicht erfuhr ich mehr über sein schwieriges Verhältnis zu seiner Familie. Diese wohnt auf einer Farm und kann nicht verstehen, wozu er Politik studiert. Doch es bleibt nicht bei harten Worten bezüglich seines Lebensweges. Mit der Zeit erfuhr ich, dass noch viel mehr dahinter steckt.

Es sind deutlich mehr Kapitel aus der Sicht von Jane als aus der von Alex geschrieben, wodurch ich mich ihr näher fühlte. Ich hätte weitere Einblicke in Alex’ Gefühlswelt schön gefunden. Mit der Zeit wurde für mich als Leserin genauso wie für Jane deutlich, dass ein großer Teil seines Verhaltens dem Selbstschutz dient. Allmählich lässt er hinter seine Fassade blicken und hat mit Jane eine empathische Person gefunden, sie Verständnis und Geduld mitbringt. Die Geschichte ist ruhig und die beiden tasten sich gemeinsam voran. Was sich für mich nicht ganz rund angefühlt hat war die charakterliche Entwicklung von William Hayden. Diese wird zwar begründet, fühlte sich für mich aber im Vergleich zum restlichen Tempo der Geschichte zu schnell an.

„Blue. Wo immer du mich findest“ ist eine ruhige Liebesgeschichte, bei denen beide Charaktere sehr unterschiedliche, aber gleichermaßen schmerzhafte Erfahrungen mit ihrer Familie gemacht haben, die sie nachhaltig geprägt haben und bis heute stark beeinflussen. Jane und Alex haben mir zusammen gut gefallen. Den ersten Band der Dilogie fand ich aber noch ein Stück besser.

Rezension: Der süße Himmel der Schwestern Lindholm von Andrea Russo

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Der süße Himmel der Schwestern Lindholm
Autorin: Andrea Russo
Erscheinungsdatum: 14.12.2021
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch mit Klappen
ISBN: 9783499004018
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Im Roman „Der süße Himmel der Schwestern Lindholm“ nimmt Andrea Russo die Lesenden mit nach Schweden. Dort befindet sich auf der Kulla-Halbinsel an der Küste des Öresunds das Café „Söta Himlen“, auf Deutsch „Süßer Himmel“, das in den 1930ern von den Schwestern Lindholm gegründet wurde.

Inzwischen führt Britt das Café, das anfangs nur eine Bäckerei war, in der dritten Generation. Eines Tages trifft ein Brief aus Deutschland ein. Eine gewisse Julia hat den Brief geschrieben und behauptet, mit der Familie verwandt zu sein. Sie hat ein Notizbuch beigefügt, dass eine Rezeptsammlung aus den 1930er Jahren enthält. Britt weiß, dass es damals entwendet wurde und sie hat auch sogleich eine Vermutung darüber, wie Julia in den Besitz der Rezepte gekommen ist.

Im Folgenden wechselt die Autorin in die Vergangenheit und ich erfuhr mehr über die Familiengeschichte und die Gründung des Cafés. Im Jahr 1936 war das Leben für die fünf Geschwister Hannah, Ingrid, Mathilda, Ebba und Ulla Lindholm noch eher unbeschwert. Ihr Vater hatte zwar vor einiger Zeit seine Arbeitsstelle verlorenen und arbeitete seitdem in einem Erzbergwerk in seiner Geburtsstadt im Norden von Schweden, doch die Eltern hatten sich damit arrangiert. Das Geld, das der Vater schickte und die Einnahmen aus der Bäckerei reichten zum Leben aus.

Während die beiden ältesten Schwestern Hannah und Ingrid anfangs mit ihrem Zuhause stark verbunden sind und sich nicht vorstellen können, den kleinen Ort je zu verlassen, träumt Matilda von einer Schauspielkarriere. Die beiden Zwillinge Ebba und Ulla sind noch Schülerinnen und beneiden oft den Zusammenhalt ihrer drei ältesten Geschwister. Nebenan wohnen die Großeltern. Bereits die Großmutter hat die Bäckerei betrieben und hilft immer noch mit. Hannah und Ingrid haben sich in der Backstube und im Verkauf einen Platz gesucht. Für sie ist es nicht immer leicht sich zu behaupten, nicht nur untereinander, sondern auch gegenüber der Kritik von Mutter und Oma.

Als Hannah sich in Karl verliebt, der in Berlin beheimatet ist, ändern sich ihre Pläne und auch Ingrid und Matilda müssen für sich wichtige und schwierige Entscheidungen für die kommende Zeit treffen. Zur Absicherung ihrer Einnahmen beschließen alle gemeinsam, die Bäckerei um ein Gartencafé zu erweitern. Währenddessen befindet sich Deutschland politisch weiterhin in einem Umbruch, der seine langen Schatten aufgrund der Beziehung von Hannah zu Karl auch auf die Familie wirft.

Andrea Russo zeigt, wie nah sich Schwestern stehen können, auch wenn sie vom Charakter her verschieden sind. Trotz immer neuer Sorgen halten alle in der Familie zusammen und stehen, so gut es geht, füreinander ein. Das reicht soweit, dass sie auch in der Bäckerei mal die Arbeit einer anderen übernehmen bis hin zu konstruktiven gemeinsamen offenen Aussprachen.

Da die Perspektiven zwischen den Figuren wechseln, werden einige Ereignisse manchmal aus der Sicht von mehr als einer Person erzählt, was zu kleinen Längen führt. Bis zum Schluss hin erklären sich schließlich die Fragen, die im Prolog aufgeworfen wurden. Dennoch bleibt vieles offen, was in der Generation zwischen den Cafégründerinnen und der heutigen Inhaberin Britt geschehen sein mag und Thema in der Fortsetzung sein wird.

„Der süße Himmel der Schwestern Lindholm“ von Andrea Russo ist ein Roman über den Zusammenhalt in einer Familie in den 1930ern in Schweden. Die rundum sympathischen Figuren haben Verständnis füreinander, sind bereit zu vergeben und verhalten sich nach außen hin tolerant. Gerne vergebe ich ein Leseempfehlung für diese unterhaltsame Geschichte.


Dienstag, 14. Dezember 2021

Rezension: Der süße Himmel der Schwestern Lindholm von Andrea Russo

 

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Der süße Himmel der Schwestern Lindholm
Autorin: Andrea Russo
Broschiert: 416 Seiten
Erschienen am 14. Dezember 2021
Verlag: rororo

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Im Sommer 1936 im kleinen Örtchen Arild in Schweden träumen fünf Schwestern davon, ein eigenes Gartencafé zu eröffnen. Die ältesten Schwestern Hannah und Ingrid helfen ihrer Großmutter schon lange in der Backstube. Statt wie bislang vor allem Brot an die umliegenden Hotels zu liefern, sollen nun Gebäckstücke und Kuchen zusammen mit Kaffeee im Garten angeboten werden. Matilda, die bislang in einem Hotel gearbeitet hat, soll die süßen Speisen servieren, und auch die Zwillinge Ulla und Ebba, die noch zur Schule gehen, wollen an den Nachmittagen mithelfen. Doch Hannah ist in Karl verliebt, der sie darum bittet, mit ihm nach Stockholm zu kommen. Können die Schwestern den Traum dennoch in die Tat umsetzen?

Das blau-weiße Cover lädt zu einer Lektüre ein, in welcher das Backen eine zentrale Rolle spielt. Die Geschichte startet in der Gegenwart im Café Söta Himelen - Süßer Himmel. Dort serviert die Inhaberin Britt Gebäck, das schon ihre Oma Ingrid geliebt hat. Britts Mutter Astrid besucht das Café mit Neuigkeiten: Sie hat einen Brief aus Deutschland erhalten von einer Frau, die behauptet mit ihnen verwandt zu sein und die im Besitz des Original-Rezeptbuchs der Lindholm-Schwestern ist.

Nach diesem kurzen Prolog springt die Geschichte ins Jahr 1936, wo ich besagte Lindholm-Schwestern kennenlernte und erfuhr, wie ihre Idee, ein Café zu eröffnen, entstanden ist. Die fünf Schwestern wohnen mit ihrer Mutter und deren Eltern in einem Haus, zu dem bislang eine Bäckerei gehört. Ihr Vater hat durch die Wirtschaftskrise seinen Job verloren, weshalb er nun im Erzbergwerk in Kiruna in Lappland arbeitet und nur selten zu Hause ist. Es hat mir Spaß gemacht, ins trubelige Familienleben einzutauchen.

Der Fokus liegt auf den drei ältesten Schwestern Hannah, Ingrid und Matilda, die dreiundzwanzig, einundzwanzig und neunzehn Jahre alt sind. Neben der Gründung des Cafés spielt vor allem die Liebe eine wichtige Rolle. Hannah ist eigentlich mit Gunnar zusammen, hat sich aber in Karl aus Deutschland verliebt, der in Kürze nach Stockholm ziehen wird und sich dort mit ihr ein neues Leben aufbauen möchte. Später werden sich auch Ingrid und Matilda verlieben und ein Auf und Ab der Gefühle durchlaufen.

Der Roman spielt in den Jahren 1936, 1938 und 1940, wobei ich die Figuren jeweils nur über einen kurzen Zeitraum von wenigen Tagen begleitete. Dadurch passiert sehr viel auf einmal. Ich hätte es schöner gefunden, wenn den Charakteren wenigstens ein paar Tage Zeit gegeben wird, um einige Erlebnisse zu verarbeiten, bevor die nächste Neuigkeit für Aufregung sorgt. Ebenfalls vermisst habe ich zwischendurch oder am Ende einen erneuten Ausflug in die Gegenwart, der die Brücke zum Anfangskapitel schlägt. Wenn man dieses am Ende noch einmal liest ist vieles klarer, dennoch bleiben einige offene Fragen. Für das nächste Jahr ist allerdings schon eine Fortsetzung geplant, die sicherlich einige Antworten liefern wird und auf die ich mich schon freue!

Freitag, 10. Dezember 2021

Rezension: Ein neuer Horizont von Maiken Nielsen

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Ein neuer Horizont 
Autorin: Maiken Nielsen
Erscheinungsdatum: 19.10.2021
Verlag: Wunderlich (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783805200721
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In ihrem Roman „Ein neuer Horizont“ schreibt Maiken Nielsen über den turbulenten Alltag der Kriegsreporterin Nellie zu Beginn der 1950er Jahre. Während sie vor einigen Jahren einen sehr wichtigen Menschen in ihrem Leben verloren hat, steht sie jetzt vor wesentlichen Entscheidungen in ihrem Leben, zwischen Karriere und Familiengründung.

Nellie ist mit ihrem Zwilling Laura auf einem Schiff groß geworden, ähnlich wie die Autorin selbst. Die Eltern leben mittlerweile getrennt. Ihr Vater ist ein amerikanischer Kapitän, ihre Mutter Hanna ist Deutsche, die nun im Ostteil Berlins wohnt. Die Zwillinge standen sich immer sehr nah. Sie entwickelten sogar eine eigene Sprache. Obwohl Nellies Eltern nach Lauras spurlosem Verschwinden von deren Tod überzeugt sind, hofft Nellie darauf, ihren Zwilling eines Tages wiederzusehen.

Im Jahr 1950 ist Nellie 26 Jahre alt und als Auslandskorrespondentin für die Chicago Post tätig. Bei ihrer Tätigkeit steht für sie im Vordergrund, der Öffentlichkeit die Wahrheit zu berichten. Als einzige Frau unter den Journalisten ist sie im Krieg zwischen Nord- und Südkorea vor Ort. Bewusst sucht sie das Abenteuer, das hat sie ihrer Schwester versprochen. Sie will über den Einsatz von Brandwaffen schreiben und bei der Zündung einer Atombombe dabei sein.

Maiken Nielsen zeigt, dass Nellie es bei ihren Reportagen in Kriegsgebieten nicht leicht hat. Sie kämpft nicht nur ebenso wie ihre Kollegen gegen widrige Bedingungen bei Unterkunft, Verpflegung und Transportmittel, sondern auch gegen die Konventionen der damaligen Zeit in Bezug auf Frauen als Kriegsberichterstatterinnen. Mit eisernem Willen widersetzt sie sich allen Hindernissen, die ihr in den Weg gelegt werden. Als Vorbild für ihre Protagonistin dient der Autorin die Journalistin Marguerite Higgins, die so wie Nellie in Korea im Einsatz war und sich gegenüber ihren männlichen Kollegen behaupten musste.

Anhand der Lebensumstände der Mutter von Nellie stellt Maiken Nielsen den in Berlin zunehmenden Konflikt zwischen dem Ost- und dem Westteil Deutschlands dar. Hanna wohnt im Ostteil der Stadt und arbeitet im Westen, was aber aufgrund der Verschärfung der Grenzregelungen zunehmend erschwert wird. Nellies große Liebe Jake hat eine schwierige Jugend erlebt, weil seine Familie denunziert wurde. Durch ihn zeigt die Autorin ein trauriges Stück deutscher Realität in den 1940ern. Jakes Aufenthalt in Berlin bringt ihn seiner Vergeltung ein Stück näher.

Die Autorin bindet unterschiedliche Konflikte ihrer Figuren in den Roman ein. Sie schafft es, durch eine geschickte Konstruktion der Handlung jedes Thema aus verschiedenen Sichten zu betrachten. Dadurch wird deutlich, dass jeder auf seine Art danach strebt, glücklich zu sein. Leider wird dabei viel zu oft das Schicksal anderer nicht bedacht, die durch das eigene Tun Leid erfahren.

Der Roman „Ein neuer Horizont“ von Maiken Nielsen beschreibt meiner Meinung nach, die Arbeit einer Kriegsberichterstatterin zu Beginn der 1950er Jahre authentisch und nachvollziehbar. Die Autorin bleibt nah an der Seite ihrer Protagonistin Nellie, wodurch ihre Schilderungen mich sehr berührt haben. Durch Nellies Umfeld greift sie weitere bewegende Themen der damaligen Zeit auf. Gerne empfehle ich das Buch weiter.


Dienstag, 7. Dezember 2021

Rezension: Reality Show von Anne Freytag

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Reality Show
Autorin: Anne Freytag
Erscheinungsdatum: 20.10.2021
rezensierte Buchausgabe: Broschur mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783423263030
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In ihrem Roman „Reality Show“ bringt Anne Freytag an einem Heiligabend in nicht allzu ferner Zukunft die Zuschauer gemeinsam vor einer unplanmäßigen, ungewöhnlichen Sendung, die auf allen Programmen läuft, vor dem Fernseher zusammen. In einer Liveausstrahlung werden sie Augenzeuge eines irreal erscheinenden Gerichts, dessen Richter sie selbst sein sollen. Dazu wurden zehn Personen in Deutschland ausgewählt, die den größten Einfluss in verschiedensten Branchen haben, wodurch ihre Macht auch bei der Bevölkerung zum Tragen kommt. Sie sind angeklagt, ihre Stellung in der Gesellschaft nur unter Ausnutzen von Menschen, Ressourcen oder Gesetzeslücken erlangt zu haben. Die Zuschauer entscheiden, wer von ihnen und wie bestraft werden soll.

Zu Beginn des Romans baut Anne Freytag schnell Spannung auf. Es gibt durchaus Ähnlichkeiten zwischen den fiktiven angeklagten Figuren und realen Personen in der Öffentlichkeit. Daher war es interessant zu verfolgen, wie Anklage, Verteidigung und Verurteilung durch die Zuschauer nun erfolgen sollten. Vor allem stand aber auch die Frage im Raum, wer die Show veranlasst hat und warum. Die Sendung verlangte einige Jahre Vorbereitung und konnte nur von mehreren Personen unter strengster Geheimhaltung ausgeführt werden.

In kurzen Kapiteln werden die zehn Angeklagten einzeln vorgestellt, wie sie gerade den Heiligabend verbringen, meist im Kreis der Familie. Es folgen Rückblicke auf die Vorbereitung des Abends mit Blick auf die einzelnen Täter. Im Laufe der Planungen haben sie sich ab einem bestimmten Zeitpunkt Decknamen gegeben. Dazwischen werden auch beispielhaft Zuseher vorgestellt, die gerade die Sendung vor dem Fernseher verfolgen. Der Kreis der handelnden Personen wurde immer zahlreicher. Verbunden mit den Zeitsprüngen und den Pseudonymen war es schwierig der Handlung zu folgen. Die aufgebaute Spannung versandete wieder. Meiner Meinung nach waren es zu viele angeklagte Machtmenschen.

Den Grundgedanken des Romans fand ich ansprechend. Anne Freytag betrachtet ganz verschiedene Themen wie Fast Fashion, Datenverkauf, Missbrauch von Sportlerinnen und Erwerb jüdischen Eigentums in Zeiten des Nationalsozialismus. Durch ihre Protagonisten übt sie Gesellschaftskritik am sozialen Machtgefüge. Gerne hätte ich noch mehr über das Für und Wider des Tuns der Angeklagten erfahren. Stattdessen baute die Autorin die Hintergründe für die Entstehung der Show weiter aus, was aber auch richtig und wichtig war. Durch die Beschreibung der Reaktionen der Zuschauer spricht sie an, welche Ideale heute vorherrschen und wie beeinflussbar jeder aufgrund einer guten Darstellung von Argumenten ist ohne die Gründe der Gegenseite zu kennen, was mich erschreckt hat.

Anne Freytag spielt in ihrem Roman „Reality Show“ mit der Sensationslust der Menschen und ist damit am Puls der Zeit. Die Autorin wirft unterschiedliche, gesellschaftlich relevante, problematische Themen auf, die mich als Leserin nachdenklich stimmten. Die Umsetzung der Sendung ist überspitzt dargestellt, die Konstruktion der Geschichte mit einer hohen Anzahl Personen, die die Überschaubarkeit der Handlung einschränkten, konnte mich aber nicht vollends überzeugen.


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