Mittwoch, 30. Dezember 2020

Rezension: Im Bauch der Königin von Karosh Taha

 


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Im Bauch der Königin
Autorin: Karosh Taha
Hardcover: 250 Seiten
Erschienen am 29. April 2020
Verlag: DuMont Buchverlag

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In „Im Bauch der Königin“ von Karosh Taha wächst Younes ohne seinen Vater auf. Seine Mutter ist den anderen kurdischen Frauen ein Dorn im Auge, weil sie sich freizügig kleidet, grell schminkt und mit verschiedenen Männern schläft. Seit er zu einem Berg herangewachsen ist traut sich allerdings niemand mehr, ihn deshalb zu beschimpfen oder zu schlagen.

Raffiq ist Younes bester Freund. Bald hat er sein Abitur, doch er weiß nicht, was er danach machen soll, ganz im Gegensatz zu seiner Freundin Amal, die große Pläne ohne ihn schmiedet. Sein Vater würde gerne mit seiner ganzen Familie in den Iran zurückkehren, um dort als Architekt zu arbeiten, aber dorthin will Raffiq nicht, das weiß er sicher.

Amal ist Yournes beste Freundin. Von dem gemeinen Raffiq und seiner Gruppe halten die beiden sich fern. Ihr Vater hat die Familie verlassen, um im Iran wieder als Architekt zu arbeiten. Sie vermisst ihn und fragt sich, wie ihr Leben im Iran wohl aussehen würde.

Die Autorin hat gemeinsam mit dem Verlag ein Wendebuch gestaltet, das zwei ähnliche und doch unterschiedliche Geschichten erzählt. Der Dreh- und Angelpunkt ist Younes, dessen Mutter Shahira wechselnde „Onkel“ in ihr Heim und Bett holt und dessen Vater in Frankfurt lebt. In der einen Geschichte ist Raffiq sein engster Freund, in der anderen Amal. Sowohl auf Raffiq als auch auf Amal übt die Andersartigkeit von Shahira, die von den anderen kurdischen Frauen verachtet wird, eine seltsame Art der Faszination aus.

Ich fand es interessant, die Überlegungen der Charaktere zu verfolgen, wo in der Welt ein Platz für sie ist. Vor allem im Hinblick auf ein mögliches Leben im Iran unterscheiden sich die Erfahrungen und Standpunkte von Raffiq und Amal in den beiden Geschichten. Raffiq schließt ein Leben dort kategorisch aus, während Amal sich Gedanken macht, wie es ihr dort wohl ergehen würde.

Als Leser wird man jeweils mitten in die Geschichten hineingeworfen und ich brauchte einige Zeit, um mich zu orientieren. Belohnt wurde ich mit vielfältigen Einblicken in die Welt der Charaktere. Ein Buch über Familie und Freundschaft, Erwachsenwerden und Heimat, das ich gerne weiterempfehle.

Rezension: Miss Bensons Reise von Rachel Joyce

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Miss Bensons Reise
Autorin: Rachel Joyce
Übersetzerin: Maria Andreas
Erscheinungsdatum: 30.12.2020
rezensierte Buchausgabe: Leseexemplar
ISBN: 9783810522337

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In ihrem Roman „Miss Bensons Reise“ erzählt die Engländerin Rachel Joyce von dem großen Wunsch ihrer Protagonistin Margery Bensons, den goldenen Käfer von Neukaledonien zu finden. Titel und Cover weisen darauf hin, dass die Verwirklichung ihres Anliegens nicht im eigenen Land umsetzbar ist, sondern ihr eine lange Fahrt mit dem Schiff bevorsteht. Aber sie begibt sich nicht allein auf ihre große Reise. Die Frage, ob sie sich über ihre Begleitung freuen oder eher verzweifeln soll, macht einen Teil des Romans aus und gibt ihm einen besonderen Leseanreiz.

Margery war zehn Jahre alt, als ihre Familie die Nachricht vom Tod der im ersten Weltkrieg gefallenen vier Brüder erhielt, woraufhin der Vater sich erschoss. Just zu dieser Zeit beschäftigte er sich damit, den goldenen Käfer zu finden. Fünf Jahre nach dem zweiten Weltkrieg ist Margery Mitte Vierzig, weiterhin alleinstehend, unterrichtet als Lehrerin und hat infolgedessen wenig Mittel zur Verfügung. Nach einem alptraumhaften Morgen in der Schule beschließt sie, sich nun endlich ihren Wunsch zu erfüllen und in Neukaledonien nach dem Käfer zu suchen. Um vor Ort professionell zu wirken, benötigt sie eine Assistenz. Eine Stellenanzeige hat wenig Resonanz. Margery gibt sich bei den Bewerbungsgesprächen kultiviert und wählt schließlich Enid Pretty aus, eine junge Frau, die in Vielem das Gegenteil von ihr selbst ist. Auch Enid hat einen Traum, den sie sich erfüllen möchte. Aber sie verbirgt auch ein Geheimnis, dessen Schatten den Weg bis nach Neukaledonien findet.

Rachel Joyce lässt in ihrem Roman ihrer Fantasie vielfach blühen und bringt ihre Protagonistin in manche ungewöhnliche Situation. Sicherlich ist das nicht immer realistisch, aber sehr unterhaltsam und oft amüsant. Sie überdeckt damit die Sorgen und Probleme ihrer Figuren, die sie dennoch immer wieder in den Blick des Lesers hebt und ihn dadurch auf ihre ganz eigene Weise dazu auffordert, sich auch mit den weniger schönen Dingen und Ereignissen in der Welt zu beschäftigen. Ihre Geschichte hat sie in die 1950er Jahre eingebunden. Die britischen Konventionen und Werte der damaligen Zeit fließen in die Handlung ein. Selbst im fernen Neukaledonien finden die Lebensvorstellungen bei den im Land wohnenden Briten ihre Anwendung, wie Margery und Enid erfahren müssen.

Durch ihre einfühlsame Beschreibung der handelnden Personen gelingt ihr die Darstellung abwechslungsreicher Charaktere, die je ihr eigenes Päckchen zu tragen haben, sich aber ihren weiteren Weg mit viel Mut, Zuversicht und Hoffnung bahnen. Deutlich stellt sie heraus, wie viel es bedeutet, jemanden an seiner Seite zu haben, der sich auch mal uneigennützig kümmert und auf den man sich verlassen kann, auch wenn man nicht immer eine Meinung teilt. Eventuell gelingt es sogar, dadurch seinen Horizont zu erweitern. Obwohl man seine Vergangenheit nicht ändern kann, ist es möglich, sich und seine Ansichten zu ändern und dadurch sein zukünftiges Leben zu beeinflussen.

Zahlreiche unerwartete Wendungen und eine mit vielen kreativen dramatischen wie auch erfreulichen Ideen gespickte Geschichte, manchmal mit einem Augenzwinkern erzählt, machen „Miss Bensons Reise“ von Rachel Joyce zu einer großen Leseempfehlung für jeden.


Montag, 28. Dezember 2020

Rezension: Hinter diesen Türen von Ruth Ware

 

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Hinter diesen Türen
Autorin: Ruth Ware
Übersetzerin: Stefanie Ochel
Broschiert: 368 Seiten
Erschienen am 28. Dezember 2020
Verlag: dtv

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Als Rowan Caine die Stellenanzeige des Ehepaars Elincourt sieht, klingt das ganze für sie geradezu perfekt. Die beiden leben im schottischen Hochland und suchen eine Nanny für ihre vier Kinder, die mit im Haushalt leben soll und dafür ein großzügiges Gehalt bezieht. Was für ein Unterschied zu ihrem Job in der Kleine-Strolche-Kita in London! Nach dem Vorstellungsgespräch erhält sie zügig eine Zusage und zieht schon kurz darauf ins Heatherbrae House ein. Dort wartet eine herbe Überraschung auf sie: Die Elincourts verkünden, dass sie sich schon am nächsten Morgen auf eine mehrtägige Dienstreise begeben müssen. Ohne Eingewöhnungsphase ist Rowan allein mit den Kindern in einem Haus, dessen Smart Home Funktionen sie nicht beherrscht und in dem unheimliche Dinge vor sich gehen. Da Rowan die Geschichte aus dem Gefängnis heraus erzählt ist klar, dass etwas Schreckliches geschehen wird...

Die Protagonistin Rowan lernt man als Leser aus den Briefen kennen, die sie an einen Anwalt namens Mr Wrexham schreibt in der Hoffnung, dass er sich Zeit für ihren Fall nimmt und ihr beim anstehenden Prozess zur Seite steht. Jemand ist gestorben, und Rowan beharrt auf ihre Unschuld. Sie bittet darum, ihr zuzuhören und die ganze Geschichte zu verstehen. An Rowans Seite reist man zurück zu ihrer Bewerbung auf die Stelle, dem Vorstellungsgespräch und schließlich dem Moment, in dem sie ihren neuen Job antritt.

Schon in der schriftlichen Einladung zum Vorstellungsgespräch wird Rowan darauf hingewiesen, dass in den letzten vierzehn Monaten vier Nannys gekündigt haben. Angeblich haben die Spukgeschichten, die sich um das abgelegene Heatherbrae House ranken, sie zu sehr beunruhigt. Was steckt dahinter? Rowan ist skeptisch, doch dann verschwinden Gegenstände, sie hört nachts komische Geräusche und das Smart Home spielt verrückt. Das Ehepaar Elincourt ist nur schwer zu erreichen und sie weiß auch nicht so recht, wie sie all das erklären soll, ohne hysterisch zu klingen. Zum Glück gibt es noch Jack, der ebenfalls im Heatherbrae House arbeitet und Verständnis zeigt. Aber kann sie ihm wirklich vertrauen?

Die Atmosphäre der Geschichte ist schnell angespannt, ohne dass die Situation eskalieren würde. Es geschehen lauter merkwürdige und unheimliche Dinge, welche für psychologische Spannung sorgen und mich miträtseln ließen, was wohl dahinter steckt. Hinzu kommt das Verhalten der Kinder, die alles andere als kleine Engel sind. Die achtjährige Maddie verweigert die Kooperation und stiftet ihre fünfjährige Schwestern Ellie an, das gleiche zu tun. Das zerrt zusätzlich an den Nerven der übernächtigten Rowan und lässt sie unbedacht agieren, was die Situation weiter verschärft. Das Wissen, dass die Eltern jederzeit über die installierten Kameras zuschauen könnten, setzt sie zusätzlich unter Druck.

Die Lage verschärft sich immer weiter und ich wartete gespannt auf den Moment, in dem endgültig alles schief geht. Eine überraschende Enthüllung wirft viele neue Fragen auf und schließlich kommt es zur erwarteten Katastrophe. Aber wie hängt nun alles zusammen, was steckt wirklich dahinter? Das wird erst auf den allerletzten paar Seiten erklärt. Auch wenn ich mir eine ausführlichere Aufarbeitung gewünscht hätte werden alle wichtigen Fragen schlüssig beantwortet.

„Hinter diesen Türen“ nimmt den Leser mit in ein unheimliches Haus in den schottischen Highlands, wo die Protagonistin Rowan als neue Nanny nach einem einzigen Tag mit den Kindern allein gelassen wird. Die Geschichte konnte mich zunehmend packen, weil ich wissen wollte, was hinter den mysteriösen Vorfällen und dem merkwürdigen Verhalten der Kinder steckt. Ich gebe eine klare Leseempfehlung für alle Fans psychologischer Spannungsromane!

Rezension: Hinter diesen Türen von Ruth Ware

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Hinter diesen Türen
Autorin: Ruth Ware
Übersetzerin: Stefanie Ochel
Erscheinungsdatum: 28.12.2020
ISBN: 9783423262712

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Der Thriller „Hinter diesen Türen“ von Ruth Ware führte mich nach Schottland. Dort sitzt die Protagonistin und Ich-Erzählerin Rowan Caine seit geraumer Zeit in einem Frauengefängnis und wartet auf ihren Prozess, denn sie soll ein Kind umgebracht haben. Jetzt sucht sie aus ihrer prekären Lage heraus nach einem Anwalt, der sie dabei vertritt, denn sie fühlt sich von dem ihr zur Seite gestellten Rechtsbeistand missverstanden.

Rowan ist 27 Jahre alt und gelernte Erzieherin. Sie war mit ihrer Arbeitsstelle in einer Kita in London unzufrieden. Als sie bei einer Google-Suche auf ein Stellenangebot im Internet stößt, entschließt sie sich spontan zu einer Bewerbung. Gesucht wird ein erfahrenes Au-Pair-Mädchen zur Betreuung der vier Kinder der Familie, die in einem abgelegenen, aber mit modernstem High-Tec ausgestatteten Haus im schottischen Hochland lebt. Besonders reizen Rowan die Höhe des Jahresgehalts und die zusätzlichen Leistungen. Gleich bei Antritt der Stelle wird ihr ganzes pädagogisches und kreatives Geschick gefragt, denn das Arbeitgeber-Ehepaar fährt einige Tage auf Dienstreise und Rowan bleibt mit den Kindern und zwei Hunden allein im Haus zurück.

Das gesamte Buch ist als Brief gestaltet. Ruth Ware baut von Anfang an Spannung an und spiegelte mir die Verzweiflung Rowans durch die von ihr begonnenen Briefe an ihren Anwalt auf den ersten Seiten des Buchs wieder. Die Protagonistin ist sich bewusst, dass ihre Aussage unschuldig zu sein, auf dem Prüfstand steht. Als Kindsmörderin hat sie im Gefängnis einen besonders schwierigen Stand. Obwohl sie sich wünscht, dass ihr Fall so schnell wie möglich aufgeklärt wird, nimmt sie sich die Zeit sämtliche Ereignisse, von der Bewerbung an bis zu den verstörenden Geschehnissen in jener Schicksalsnacht. Sie weiß, dass der Anwalt und damit auch ich als Leser nur auf diese Weise ihr Handeln verstehen und sich damit ihre Unschuld bestätigen wird.

Die Autorin spielt gekonnt mit der Angst, die viele empfinden, wenn sie allein im dunklen Zimmer ein unbekanntes Geräusch wahrnehmen, was besonders gruselig ist, wenn man sich in einem Haus befindet, dass abgelegen ist und keine Erwachsene zur Hilfe in der Nähe. Außerdem fand ich es beängstigend, sich rund um die Uhr den Möglichkeiten einer Smart Home Systems ausgesetzt zu sein, die natürlich auch ihre Vorteile bietet. Des Weiteren werden viele Leser die täglichen Herausforderungen kennen, die ein Haushalt mit mehreren Kindern bringt, auch hieraus ergeben sich einige brisante Situationen. Es gibt einige Menschen, die es gut mit Rowan meinen, oder vielleicht doch nicht?

Rowan fühlte sich als Kind oftmals unverstanden und möchte in ihrem Job einiges besser machen. Aber es ist unter den Bedingungen schwierig, ihren eigenen Ansprüchen zu entsprechen, so dass sich ihre Unzufriedenheit mit sich selbst ihre Nerven zusätzlich reizt. An einigen Stellen fügt die Autorin kurze Bemerkungen ihrer Protagonistin ein, die einen ganz kleinen unvollständigen Ausblick auf das bieten, was noch passieren wird und dadurch die Spannung noch zusätzlich steigern.

Im Thriller „Hinter verschlossenen Türen“ brilliert die Autorin durch die Erzeugung von Ängsten, die sich in unserem Alltag finden. Obwohl wir wissen, dass die meisten unbegründet sind, so gibt es doch eine Möglichkeit durch die unsere Angst bestätigt werden könnte.

Ruth Ware schreibt mit zunehmender Spannung auf den Punkt, an dem sie mit einer furiosen Wendung alles verändert. Fesselnd und schaurig bringt sie moderne alltägliche Probleme auf einen neuen verstörenden Level. Unbedingt lesen!


Montag, 21. Dezember 2020

Rezension: Auch die große Liebe fängt mal klein an von Sylvia Deloy

 

 
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Auch die große Liebe fängt mal klein an
Autorin: Sylvia Deloy
Taschenbuch: 349 Seiten
Erschienen am 21. Dezember 2020
Verlag: Bastei Lübbe

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Marie gehört das Restaurant Petite Pauline in Köln, wo sie wie schon ihr Vater und ihr Großvater vor ihr am Herd steht und ihren Gästen Gänse als Spezialität des Hauses serviert. Nötige Brandschutzmaßnahmen und ein Bescheid des Finanzamts zwingend sie jedoch dazu, das Restaurant zu schließen, bis sie das nötige Geld beisammen hat. Sie erhält einen Job im Brauhaus Sankt Josef, wo sie am ersten Tag jedoch auf ihren Exfreund Anton trifft, der dort ebenfalls als Koch angestellt ist. Er hat sie und Köln zwei Jahre zuvor ohne Erklärung verlassen und ist erst seit kurzem wieder in der Stadt. Kann die Zusammenarbeit mit ihm funktionieren? Und wird Marie einen Weg finden, um ihr geliebtes Restaurant zu retten?

Nachdem mit das Debüt der Autorin, „Das Glück ist zum Greifen da“ im Januar diesen Jahres sehr gut gefallen hat, freute ich mich auf eine neue Geschichte aus ihrer Feder. Schauplatz der Geschichte ist erneut Köln, wo der Leser diesmal Einblicke in die Welt der Gastronomie erhält. Protagonistin Marie erlebt einige Tiefschläge hintereinander, sodass sie schon nach kurzer Zeit ihr Restaurant schließen muss und in der Küche des Brauhauses Sank Josef Bratkartoffeln macht.

Die Dinge kommen schnell in Bewegung. Maries Begegnung mit ihrem Ex-Freund Anton lässt sie grübeln, ob sie ihren neuen Job direkt wieder kündigen soll. Will sie ihn wirklich jeden Tag bei der Arbeit sehen? Zum Glück hat sie Freunde, die ihr im Angesicht der zu treffenden Entscheidungen zur Seite stehen. Da ist zum einen ihre Freundin Swantje, die einen Blumenladen besitzt und mit ihrer Tochter Alva bei Marie wohnt, und zum anderen ihr bester Freund Klaus, der als Redakteur bei RTL Explosiv arbeitet und statt über misslungene Schönheits-OPs viel lieber über das englische Königshaus berichten würde.

Die Geschichte erzählt auf amüsante Weise vom Trubel einer Brauhausküche, hat aber auch ernste Momente, wenn Marie über die Zukunft ihres Restaurants nachgrübelt. Traurig und schön zugleich sind die Szenen mit ihrem Opa, der immer vergesslicher wird, aber dafür immer einen Spruch auf den Lippen hat. Mein Lieblingscharakter war der royal-verrückte, leicht überdrehte Klaus, während im Hinblick auf Anton der Funke bei mir leider nicht ganz übergesprungen ist. Die Seiten verflogen im Nu, und auch wenn die Geschichte ziemlich vorhersehbar war, hat mir die Art und Weise der Erzählung gut gefallen.

Ein schöner Roman vor kölscher Brauhauskulisse für alle Leserinnen romantischer Komödien!

Sonntag, 20. Dezember 2020

Rezension: Das letzte Licht des Tages von Kristin Harmel

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Das letzte Licht des Tages
Autorin: Kristin Harmel
Erscheinungsdatum: 02.11.2020
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783426227121

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In ihrem Roman „Das letzte Licht des Tages“ erzählt Kristin Harmel auf zwei Zeitebenen. Einerseits schildert sie die Geschichte von Inès und Céline ab Mai 1940, andererseits steht Liv im Jahr 2019 im Mittelpunkt.

Inès ist eine junge Waise, die den Winzer Michel durch ihre beste Freundin Edith kennenlernt. Nach der baldigen Heirat folgt sie ihm auf sein Weingut in die Champagne. Michel kann sich auch zu Kriegszeiten auf seinen Kellermeister Théo und seine Frau Céline verlassen, während Inès sich aufgrund ihrer geringen Kenntnisse über die Weinproduktion häufig unnütz fühlt. Als sie herausfindet, dass Michel sich der Resistance angeschlossen hat, beginnt sie sich verstärkt für das politische Geschehen zu interessieren und hadert mit ihrer eigenen Einstellung. Währenddessen fühlt sie immer mehr Distanz zu ihrem Ehemann. Während sie selbst nach mehr Zuneigung sucht, ahnt sie nicht, was unterdessen das Herz von Michel bewegt.

Die in New York lebende, frisch geschiedene Liv folgt ihrer hochbetagten Großmutter Edith nach deren spontanem Besuch in die Heimat nach Frankreich. Edith verbirgt ein Geheimnis, steht aber kurz davor, es ihr mitzuteilen. Nur langsam entschlüsselt sich ihre Vergangenheit, während der attraktive Enkel einer renommierten Anwaltskanzlei, zu der Edith vollstes Vertrauen hat, an Livs Seite ist und sich gemeinsam mit ihr auf Spurensuche nach familiären Ereignissen im Zweiten Weltkrieg begibt.

Kristin Harmel nahm mich als Leser mit in die Champagne nach Reims und Umgebung. Mit viel Leidenschaft beschreibt sie dank sehr guter Recherche einige Details zu verschiedenen Produktionsschritte, die bei der Manufaktur von Champagner anfallen. Daneben greift sie mit dem Widerstand im Zweiten Weltkrieg in eben jenem Gebiet rund um Reims ein weniger beachtetes Thema der Geschichte auf, das deswegen besonders dramatisch ist, weil auch der Erste Weltkrieg in der Gegend große Schäden hinterlassen hat, in personeller wie auch materieller Hinsicht. Allerdings beschränkt sich die Autorin im Zusammenhang mit der Résistance allein auf Ereignisse, wie sie das Weingut und die dort lebenden Personen betroffen haben könnten, ohne die Fakten in einen größeren Zusammenhang zu stellen.

Die Figuren sind erfreulich wandlungsfähig, auch aufgrund der Geheimnisse, die vor allem die Widerstandskämpfer mit sich trugen. Zwar waren die Handlungen von Inés für mich nicht immer verständlich, aber die Autorin versucht ihr Vorgehen bestens zu begründen. Mit viel Empathie beschreibt sie die Beziehungen und Gefühle zwischen den Charakteren. Sie zeigt, wie schwierig es ist, mit einer langen zurückliegenden Schuld zurecht zu kommen und diese zu verarbeiten. Liebe, Hoffnung und Vertrauen, aber auch Missgunst und Unverständnis zwischen den Protagonisten ziehen sich durch das Geschehen.

Kristin Harmel führt ihren Roman „Das letzte Licht des Tages“, über einige unerwartete, manchmal tragische Wendungen auf beiden Zeitebenen zu einem überraschenden erfreulichen Ende. Die Geschichte hat einen hohen Unterhaltungswert und daher empfehle ich ihn gerne an Leser von Romanen mit Familiengeheimnis weiter.


Donnerstag, 17. Dezember 2020

Rezension: Die Kunst der Großzügigkeit von Susanne Kippenberger

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Die Kunst der Großzügigkeit - Geschichten einer leidenschaftlichen Schenkerin
Autorin: Susanne Kippenberger
Erscheinungsdatum: 19.10.2020
Verlag: Hanser Berlin (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover
ISBN: 9783446267916

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Mit ihrem Buch „Die Kunst der Großzügigkeit“ führte Susanne Kippenberger mir vor Augen, was ich bereits ahnte und nun durch die Lektüre bestätigt fand: Sorglos großzügig zu sein ist schwierig. Woran das liegt, führt die Autorin in Einzelheiten aus.

Schenken sollte bedingungslos sein, wird aber manchmal mit einer Verpflichtung verbunden und oft denkt der Schenker schon beim Überreichen daran, bald selbst zum Beschenkten zu werden. Ein Geschenk muss nicht immer einen materiellen Wert besitzen, sondern kann auch z.B. in Worten, Gesten oder Zeit bestehen.

Vor allem sollte Schenken Freude bereiten, dem Schenkenden und Nehmenden. Dazu gehört, dass das Geschenk zur Person und zur Situation passt. Susanne Kippenberger geht auf bestimmte Geschenkanlässe gesondert ein, wie beispielsweise Hochzeiten und Geburtstage, erzählt von ihren persönlichen Erfahrungen. Entsprechend des Untertitels ist die Autorin eine leidenschaftliche Schenkerin. Mit ihrer eigenen Meinung, zu den von ihr aufgegriffenen Themen, hält sie sich nicht zurück.

Kompliziert wird es nicht nur bei der Auswahl eines passenden Geschenks, sondern auch bei der angemessenen Reaktion des Beschenkten, denn Schenken transportiert immer Gefühle. Neben Hoffnung und Freude auf die kommende Gabe gibt auch häufig Enttäuschung, wenn der Empfänger anderes erwartet hat.

Rechnet man mit einem Präsent, beginnt die Überlegung, wie man darauf reagieren soll, nicht nur im Moment des Erhalts, sondern auch darüber, wie man sich revanchieren könnte.

 „Die Kunst der Großzügigkeit“ ist eine informative Übersicht nicht nur über Fakten, sondern auch die zwischenmenschlichen Aspekte des Schenkens, die mich manchmal schmunzeln ließen, mich aber auch zum Grübeln brachte.


Dienstag, 15. Dezember 2020

Rezension: Der Mädchenwald von Sam Lloyd

 

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Der Mädchenwald
Autor: Sam Lloyd
Übersetzerin: Katharina Naumann
Broschiert: 448 Seiten
Erschienen am 15. Dezember 2020
Verlag: Rowohlt Polaris

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Die dreizehnjährige Elissa ist eine erfolgreiche Schachspielerin, die in Kürze in die englische Nationalmannschaft aufgenommen werden könnte. Doch während des entscheidenden Turniers wird sie in der Pause in einen Lieferwagen gezerrt und entführt. Detective Superintendent Mairéad MacCullagh wird mit der Leitung des Falls betraut und ist fest entschlossen, Elissa zu finden. Im Gegensatz zu ihr weiß der zwölfjährige Elijah, der mit seiner Familie in einem Cottage im Wald lebt, wo sich Elissa befindet. Sie ist nicht die erste, die er in dem unterirdischen Gefängnis findet. Zwar will er dem Mädchen auf seine Weise helfen, doch befreien kann er sie nicht...

Die zahlreichen positiven Stimmen nach der Veröffentlichung des Originals haben mich neugierig auf dieses Debüt aus England gemacht. Von der ersten Seite an entwickelt die Geschichte dank kurzer, flotter Kapitel eine Sogwirkung. Man begegnet Elijah an Tag 6, wo er nach einer kurzen Befragung auf der Polizeiwache von seinem Vater nach Hause gebracht wird. Warum er überhaupt dort war wird nicht erklärt, denn Elijahs einzige Sorge gilt der Frage, ob dieser Zwischenfall das Mädchen in ihrem Gefängnis im Wald in Gefahr gebracht hat.

Danach springt das Buch zu Tag 1 und beschreibt zunächst aus der Perspektive von Elissa und danna us der von Mairéad den Tag der Entführung. Wer ist der Täter, und was hat er mit Elissa vor? Die Ereignisse bringen in kurzer Zeit nervenaufreibende Spannung in die Geschichte. Elissa ist ein intelligentes und analytisch denkendes Mädchen, das im Angesicht ihrer Situation große Ängste aussteht, gleichzeitig aber versucht, einen kühlen Kopf zu bewahren und zu Elijah durchzudringen, dessen Verhalten zahlreiche Fragen aufwirft. Mairéad geht unterdessen körperlich bis an ihre Grenze und darüber hinaus, um die Ermittlungen voranzutreiben.

Ein Zitat auf der Innenseite der Buchdeckel versprach einen überraschenden Twist, auf den ich neugierig wartete. Während ich mitfieberte, ob Elissa einen Weg aus ihrer Gefangenschaft findet oder Mairéad entscheidende Hinweise erhält, entwickelte ich so einige Theorien. Tatsächlich lag ich mit einigen Vermutungen gar nicht so weit daneben, die Kombination der verschiedenen Enthüllungen hat mich aber dennoch überraschen können. Der Autor spielt geschickt mit der Frage, was Realität ist und was nicht, wodurch er mich in die Irre führen konnte.

Aus dem Charakter der Emittlerin Mairéad hätte man noch mehr machen können. Sie macht sich selbst unglaublich viel Druck und hört nicht auf ihren Körper, doch in Summe erfährt man wenig über sie. Der Fokus des Buches liegt außerdem sehr auf dem Geschehen im Mädchenwald, ich hätte mir aber vor allem zum Ende hin eine ausführlichere Auseinandersetzung mit der Motivation der Handelnden gewünscht.

Die zahlreichen Fragezeichen, die mir am Anfang im Kopf herumschwirrten, werden nach und nach beantwortet. Das macht das Buch zu einem Pageturner, denn das nächste Puzzlestück ist immer nur wenige Seiten entfernt und das Gesamtbild trotzdem lange nicht zu erkennen. Wer temporeiche, atmosphärisch erzählte Thriller mit Rätselfaktor mag, der ist im Mädchenwald von Sam Lloyd genau richtig!

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