Sonntag, 5. Mai 2019

Rezension: Alte Sorten von Ewald Arenz


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Alte Sorten
Autor: Ewald Arenz
Erscheinungsdatum: 18.03.2019
Verlag: Dumont (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover
ISBN: 9783832183813
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Alte Obstsorten sind robust und unempfindlicher im Vergleich zu neuen, so sagt man. Im Roman „Alte Sorten“ von Ewald Arenz spielen Birnen unterschiedlicher Sorten, die es schon viele Jahrzehnte gibt, eine Rolle. Die Protagonistinnen der Geschichte sind die 17-jährige Sally und die etwa 45-jährige Liss, die sich durch Zufall kennen lernen. Von Beginn an war ich gespannt, ob sich im Laufe der Erzählung herausstellen wird, dass die nachgesagte erwähnte Eigenschaft der alten Sorten sich auf die beiden Frauen übertragen lässt. Ohne Frage macht das schlichte Cover auf das Buch aufmerksam und ließ mich daran denken, dass die Geschichte im ländlichen Bereich angesiedelt sein wird.

Dementsprechend fand die erste Begegnung zwischen Sally und Liss im Weinberg statt, dort lernen sie sich kennen. Sally ist wütend auf ihr Leben. Sie hat von irgendwo Reißaus genommen und freut sich, dass ihr niemand gefolgt ist. Liss ist mit ihrem Traktor unterwegs. Bei einem Wendemanöver benötigt sie Hilfe und fragt kurzerhand Sally. An der Art wie Liss ihre Frage stellt und sich im Folgenden verhält, unterscheidet sie sich von denjenigen, die ständig in Sallys Leben eingreifen. Sie folgt Liss auf deren Hof und hilft ihr gegen Kost und Logis bei einigen Arbeiten. Sally versucht ihre Herkunft vor Liss zu verbergen und diese schweigt im Gegenzug über ihre bewegte Vergangenheit. Im Laufe mehrerer Tage lernen sich beide nicht nur besser kennen, sondern auch einander zu schätzen. Doch Worte wiegen schwer und falsch gesetzte zerstören die fragile Oberschicht des Vertrauens zueinander und führen zu ungewollten Einblicken.

Sally sucht nach einer Möglichkeit frei zu leben nach ihrem eigenen Willen. Schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass sie auf verschiedene Weise in den letzten Jahren durch Regeln und Normen geprägt wurde, gegen die sie sich aufgelehnt. Dadurch ist auch ihre abwehrende Haltung entstanden, die sie mit sich trägt wie einen Schutzschild. Alles und jedes wird von ihr in Frage gestellt. Doch der ruhige Ton von Liss, die sie um ihre Hilfe bittet, die tatsächlich benötigt wird, und ihr dann einfach die zur Hilfestellung notwendigen Abläufe erklärt, setzen ihre Misstrauen vorläufig außer Kraft. Liss zeigt ihr eine Seite des Lebens mit der Sally bisher wenig in Berührung gekommen ist. Die Feldarbeit und der Weinanbau, die Hühnerzucht und der Obstgarten mit den alten Birnensorten berühren auf ganz besondere Weise die Sinne der jungen Frau. Während der Umstand des Essens in Sallys Vergangenheit für sie krankhaft unbedeutend wurde, genießt sie nun die Frische der Speisen und den Geschmack.

Es dauert eine Weile bis Sally Vertrauen zu Liss aufgebaut hat und umgekehrt. Die grundsätzliche Einstellung zum Leben von Liss ist zu bewundern und auch die Energie die sie aufbringt um den Hof ganz allein zu bewirtschaften. Doch aus den ersten Reaktionen in ihrem Umfeld lässt sich herauslesen, dass sie trotz ihres einfühlsamen Charakters nicht besonders beliebt im Ort ist. Dahinter habe ich ganz richtig ein Geheimnis vermutet, dass Liss mir als Leser und auch Sally gegenüber erst zum Ende hin offenlegt und auch ihre seelische Verwundbarkeit zeigt. Bis dahin erzeugte die Heimlichkeit eine gewisse hintergründige Spannung. Trotz der Konflikte im Umgang der beiden Protagonistinnen miteinander beschreibt der Autor in ruhigen Worten die täglichen, manchmal kräftezehrenden Verrichtungen und erzeugt auf diese Weise einen friedlichen Gegenpol.

„Alte Sorten“ von Ewald Arenz ist ein gefühlvoll geschriebener Roman, der zeigt wie zwei ganz unterschiedliche Frauen von ihrer Umwelt so geprägt wurden, dass sie diese zwar letztlich akzeptieren, aber dennoch auf ihre Weise für die Durchsetzung ihrer eigenen Vorstellungen kämpfen. Sehr gerne empfehle ich das Buch uneingeschränkt weiter.

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