Dienstag, 6. August 2019

[Rezension] Der Gesang der Flusskrebse - Delia Owens


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Der Gesang der Flusskrebse
Autorin: Delia Owens
Übersetzer: Ulrike Wasel & Klaus Timmermann
Hardcover: 464 Seiten
Erschienen am 22. Juli 2019
Verlag: Hanserblau
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North Carolina, 1969: Im Marschland lebt Kya Clark allein in einem abseits gebauten Haus. Als sie sechs war, hat ihre Mutter ihren gewalttätigen Ehemann und die Kinder ohne ein Wort verlassen, kurz darauf folgten alle vier Geschwister. Zurück blieb nur Kya, die von ihrem Vater gerade genug Geld für die allernötigsten Lebensmittel erhielt, während er den Rest in Alkohol investierte. Inzwischen ist die Mittzwanzigerin seit vielen Jahren auf sich selbst gestellt. Die Flora und Fauna des Marschlandes kennt sie besser als jeder andere. Als Chase Andrews, der beste Quarterback der Stadt, tot am Fuß des Feuerwachturm gefunden wird, tappt die Polizei zunächst im Dunkeln. Ist er allein vom Turm gefallen oder wurde er gestoßen? Bald bringt jemand das Marschmädchen ins Spiel, das häufiger mit Chase gesehen wurde. Ist nicht gerade die Abwesenheit jeglicher Spuren ein Beweis dafür, dass sie den Mord verübt hat?!

Das Cover zeigt ein Mädchen im einem Boot, das durch eine weitläufige Landschaft fährt und der dabei nur die Vögel Gesellschaft leisten. So sieht das Leben von Kya Clark aus, auf die man als Leser zum ersten Mal trifft, als ihre Mutter gerade die Familie verlässt. Einfühlsam wird beschrieben, wie Kya sich durch ihren Weggang fühlt. Auch ihre älteren Geschwister halten es nicht länger zu Hause aus, sie alle suchen anderswo ihr Glück, wo sie nicht vom Vater geschlagen werden.

Zurück bleibt eine Siebenjährige, die sich und ihren Vater mit einem verschwindend geringen Geldbetrag versorgen soll. Schließlich steht ihr nicht einmal der mehr zur Verfügung. Doch vor der Vorstellung, irgendwo anders untergebracht zu werden, graut es ihr. Sie ist entschlossen, um ihre Unabhängigkeit zu kämpfen. Hilfe erhält sie nur von wenigen Menschen. Zum einen von Jumper, einem Schwarzen, der ihr Muscheln gegen Benzin und Lebensmittel abkauft. Zum anderen von Tate, einem ehemaligen Freund ihres Bruders, der selbst oft im Marschland unterwegs ist und der von Kyas Wesen fasziniert ist.

Ich wurde mitgenommen in die 1950er und 1960er Jahre, in denen ich Kya aufwachsen sah. Es war interessant, ihre Entwicklung zu verfolgen. Sie ist eine soziale Außenseiterin, die nie irgendwo dazugehört hat und stark davon geprägt wurde, immer wieder verlassen zu werden. Ich konnte gut verstehen, dass sie hin- und hergerissen ist, ob sie Tate wirklich vertrauen kann. Hat er dabei Hintergedanken oder ist er wirklich nur freundlich? Gleichzeitig zeichnet sie ihre Klugheit und Naturverbundenheit aus. Sie lässt sich in ihren Entscheidungen von ihrem Instinkt und dem leiten, was die Natur ihr zeigt, denn gesellschaftliche Normen sind ihr fremd. Ihre Beobachtungen sind dabei überaus treffend, denn sie ist alles andere als auf den Kopf gefallen. Die Beschreibungen von Kyas Streunen durch das Marschland werden intensiv und sehr atmosphärisch beschrieben, sodass ich tief in die Geschichte eintauchen konnte.

Die Kapitel rund um Kyas Erwachsenwerden wechseln sich ab mit solchen aus dem Jahr 1969, in denen es um den Tod von Chase Andrews geht. Zwei Polizisten nehmen hier die Ermittlungen auf, wobei nichts eindeutig darauf hindeutet, dass es sich wirklich um Mord handelt. Bald werden Stimmen laut, die Kya für verdächtig halten. Das es das Marschmädchen war, an dessen Tür zu klopfen früher als Mutprobe galt und mit der Chase eine Zeit lang etwas hatte, erscheint vielen plausibel.

Während mir der Coming of Age-Part des Romans sehr gut gefallen hat, zogen sich die Ereignisse rund um den Tod von Chase Andrews für mich zunehmend in die Länge. Sie dominieren vor allem das letzte Drittel des Buches mit einem ausführlichen Ausflug ins amerikanische Rechtssystem. Das Ende konnte mich überraschen, lässt mich aber mit einigen Fragezeichen zurück.

Insgesamt überzeugt „Der Gesang der Flusskrebse“ mit einer besonderen Protagonistin, die als Außenseiterin um Unabhängigkeit, Sicherheit und Erfüllung kämpft. Kya ist eins mit der Natur des Marschlandes, das durch die gelungenen Beschreibungen der Autorin greifbar wird. Ein gelungener Entwicklungsroman, den ich gerne weiterempfehle!

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