Die Protagonistin des Debütromans „Furye“ von Kat Eryn Rubik
ist 38 Jahre alt, erfolgreiche Managerin in der von Männern dominierten Neoklassikbranche,
Single, kinderlos und kurz vor dem Burnout. Ihren realen Namen erfährt man
nicht. Ebenso bleibt der Ort unbenannt, an dem sie lebt. Nachdem ein
Herzenswunsch von ihr für immer zerplatzt zu sein scheint, begibt sie sich auf
eine Reise in den Süden ans Meer. Die Schriftart lässt den Lesenden erkennen,
ob die Handlung in der Gegenwart oder der Vergangenheit spielt.
Das Ziel der Hauptfigur ist die Stadt, in der sie
aufgewachsen ist. Dort begibt sie sich auf die Spuren ihrer Vergangenheit. Vor
etwa zwanzig Jahren hat sie alles zurückgelassen, was ihr in diesem letzten
heißen Sommer vor Ort wichtig gewesen ist. Damals hat sie sich mit dem beiden
mit ihr befreundeten Mitschülerinnen „Die Furien“ genannt, weil sie
entsprechend der Vorbilder aus der griechischen Mythologie Rache üben wollten
an denen, die es ihrer Meinung nach verdient haben. Von diesem Moment an
bezeichnet sie sich mit der Kurzform des Namens ihrer Heldin als Alec. Ihre
Freundinnen nennen sich Tess und Meg. Sie kommen aus gut betuchtem Hause, haben aber gestörte
Verhältnisse zu ihren Eltern.
Alec ist die Tochter von Migranten, deren akademische Qualifikationen
im neuen Heimatland keine Anerkennung erhalten. Beim Lesen wird die soziale
Ungleichheit immer wieder deutlich. Dennoch haben die Freundinnen ein offenes
Verhältnis zueinander gefunden, bei dem sie die verschiedenen Probleme im
jeweiligen im Elternhaus nicht verschweigen, sondern diskutieren und dadurch
einander helfen, indem sie füreinander da sind. Alec erhält besonders von Meg Unterstützung.
Von ihr kann sie sich auch zu bestimmten Anlassen, Kleidung borgen, leistet ihr
im Gegenzug aber manch einen Gefallen. Während Tess als ruhender Pol erscheint,
nimmt Meg kein Blatt vor den Mund, ist impulsiv und echauffiert sich für
Gerechtigkeit auf vielen Ebenen. Wie sich letztlich zeigt, macht Geld alleine
allerdings nicht immer glücklich.
Zu Alecs intensivsten Erinnerungen gehört jedoch nicht nur
die gemeinsam erlebte Zeit mit Meg und Tess, sondern auch ihre Beziehung zu dem
von ihr umschwärmten, ein Jahr älteren Romain. Es war für mich als Leserin
schwierig einzuordnen, ob er ehrlich an Alec interessiert ist oder sie nur eine
nette Abwechslung für ihn ist. Romain wirkt charmant, empathisch und zugewandt,
offenbart jedoch im späteren Verlauf Seiten, die nachdenklich stimmen.
Alec hat in ihrer Jugend eine folgenreiche Entscheidung
getroffen. Es bleibt nicht das einzige Geheimnis im Roman. Nicht nur das gut
verborgene Unausgesprochene lässt eine hintergründige Spannung aufkommen. Es
ist ebenso faszinierend, Alec auf den Spuren ihrer Vergangenheit zu folgen und
zu erfahren, welche ihrer früheren Bekanntschaften noch in ihrer alten Heimat
am Meer leben und ob die Gegend noch so ist, wie sie sie in Erinnerung hats.
„Furye“ ist ein eindrucksvolles Debüt von Kat Eryn Rubik über einen länger zurückliegenden, aber prägenden Sommer voller schmerzlicher wie auch schöner Erfahrungen, deren Nachwirkungen die Protagonistin bis in die Gegenwart begleiten. Es handelt von Herkunft, Identitätssuche, Erwartungen und die Frage, inwieweit der Lebensweg von äußeren Umständen und eigenen Überzeugungen bestimmt wird. Die dramatischen Ereignisse sind berührend und bleiben im Gedächtnis. Sehr gerne empfehle ich dieses bewegende Buch weiter.