Sonntag, 7. Oktober 2018

[Rezension Hanna] Liebe Mrs. Bird - A.J. Pearce



[Werbung]
Liebe Mrs. Bird
Autorin: A.J. Pearce
Übersetzerin: Silke Jellinghaus
Hardcover: 416 Seiten
Erscheinungsdatum: 25. September 2018
Verlag: Kindler Verlag

-----------------------------------------------------------------------

Emmeline Lakes großer Traum ist es, Kriegsreporterin zu werden. 1940 befindet sich die Welt im Krieg, und das ist auch in London spürbar. Als sie eine Anzeige sieht, in der ein Verlag des London Evening Chronicle eine Gehilfin sucht, sieht sie ihre Chance gekommen. Nach einem kurzen Bewerbungsgespräch, in der sie nur gefragt wird, ob sie mit einer zänkischen alten Frau zusammenarbeiten kann, ist sie eingestellt. Und zwar so schnell, dass sie nicht gefragt hat, was sie überhaupt tun soll. An ihrem ersten Tag ist die Überraschung und Ernüchterung groß, als sie feststellt, dass sie bei einer Frauenzeitschrift arbeitet, die zum Verlag gehört, und dort die Kummerkastenbriefe vorsortieren soll. Ihre Chefin Mrs. Bird hat strenge Vorgaben, was sie beantwortet. Liebe? Beziehung? Bloß nicht! Doch Emmy berühren die Briefe so sehr, dass sie beginnt, auf eigene Faust zurückzuschreiben…

Das Buch beginnt mit einer Zeitungsanzeige, die das Leben von Emmeline Lake, kurz Emmy, gehörig auf den Kopf stellen wird. Als Emmy die Anzeige entdeckt, ist ihre Aufregung groß, denn endlich sieht sie ihre Chance gekommen. Sie berichtet all ihren Freunden von ihrer Bewerbung und dass sie die Stelle tatsächlich bekommen hat. Insofern konnte ich gut nachvollziehen, wie peinlich ihr die Offenbarung an ihrem ersten Arbeitstag ist, dass sie jetzt Kummerkastenbriefe vorsortieren soll.

Emmy ist eine Frau, die zu Kriegszeiten anpacken und ihren Beitrag leisten will. Seit dem Beginn des Blitzkrieges hat sie angefangen, als Freiwillige bei der Hilfsfeuerwehr zu arbeiten. Drei Nächte in der Woche nimmt sie seither Telefonanrufe entgegen. Doch sie will noch mehr tun, weshalb sie davon träumt, Kriegsberichte zu schreiben, die zahlreiche Menschen erreichen. In ihrem neuen Job arbeitet sie nun zwar im selben Gebäude wie viele wichtige Journalisten, ist ihrem Traum ansonsten aber nicht näher gekommen. Doch Emmy ist niemand, der einfach aufgibt. Sie versucht, das Beste aus ihrer Lage zu machen.

Die Kummerkastenbriefe und die Vorgabe ihrer Chefin Mrs. Bird, alle unzüchtigen Briefe zu zerschneiden, machen ihr zu schaffen. Denn nach Mrs. Birds Kriterien sind das fast alle. Emmy liest die verzweifelten Zeilen und kann sich nicht vorstellen, nichts zu tun. Es kommt wenig überraschend, dass sie bald beginnt, Briefe aus dem Büro zu schmuggeln und selbst zu antworten.

Die Geschichte rund um die Kummerkastenbriefe gerät im weiteren Handlungsverlauf etwas in den Hintergrund. Stattdessen rücken zwei andere Themen in den Vordergrund. Zum einen wird die Stadt heftig bombardiert und Emmy hat Angst um den Feuerwehrmann William, den Freund ihrer besten Freundin Bunty, der sich zum Retten von Menschenleben immer wieder in die Trümmer stürzt. Rund um die Angriffe gibt es viele dramatische Momente und die Geschichte wird zunehmend emotional. Zum anderen geht es auch um Emmys eigenes Liebesleben, bei dem Bunty nachhelfen will.

Zwar war klar, dass die Geschichte während des zweiten Weltkriegs spielt, aufgrund der Buchbeschreibung hatte ich aber erwartet, dass die Geschichte rund um die Kummerkastenbriefe mehr Raum einnimmt. Das ist jedoch nicht der Fall, hier gibt es keine großen Überraschungen und irgendwann passiert genau das, womit ich gerechnet habe. Die Geschichte rund um Emmys Liebesleben bleibt auf halber Strecke in der Luft hängen mit ungewissen Ausgang. Trotz schöner und unterhaltsamer Momente wird die Atmosphäre des Buchs durch die Bombardierungen und deren Konsequenzen immer bedrückender. Angst, Trauer und der weite Weg, bis neuer Mut geschöpft werden kann, stehen bis zum Schluss im Vordergrund.

„Liebe Mrs. Bird“ bietet Humor, Liebe und viel Drama, das die Stimmung des Buches zunehmend bestimmt. Ich fand es schade, dass die Geschichte rund um die Kummerkastenbriefe so vorhersehbar abgehandelt wird. Stattdessen erhält der Leser eine eher klassische Kriegsgeschichte, in der die Bombardierung Londons beschrieben wird und wie die Bevölkerung damit umgeht. Emmy ist eine sympathische Person, die helfen will und damit ein gelungenes fiktives Beispiel für die vielen Frauen, die zu jenen dramatischen Zeiten mit anpackten. Doch auch hier braucht man nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, was passieren wird. Das Buch ist ein gutes Debüt über ein Frauenschicksal während des zweiten Weltkriegs, das mich jedoch nicht so recht packen konnte.
-->