Donnerstag, 2. Dezember 2021

Rezension: Das Buch der verschollenen Namen von Kristin Harmel

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Das Buch der verschollenen Namen
Autorin: Kristin Harmel
Übersetzerin aus dem amerikanischen Englisch: Veronika Dünniger
Erscheinungsdatum: 01.10.2021
Verlag: Knaur (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Broschur mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783426227138
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In ihrem Roman „Das Buch der verschollenen Namen“ führt die US-Amerikanerin Kristin Harmel den Lesenden in die Vergangenheit zu einem dunklen Kapitel der Geschichte. Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen. Durch die Begebenheiten in der Gegenwart erfuhr ich, dass die Protagonistin Eva Abrams die schwierigen Kriegsjahre überlebt hat. Ein sehr altes Buch, in dem Lesungen und Evangelien enthalten sind, wird zu einem wichtigen Utensil für Eva zum Erfassen der wahren Identität jüdischer Kinder, worauf der Titel des Romans hinweist. In der oberen Hälfte des Covers ist links der Pariser Eiffelturm zu sehen. Er führt mich als Leserin in die französische Hauptstadt, dem Wohnort der Familie der Hauptfigur in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs.

Im Jahr 2005 liest die in den USA lebende, inzwischen betagte Eva in einer Zeitung von einem Berliner Bibliothekar, der alte wertvolle Bücher wieder in den Besitz der rechtmäßigen Besitzer bringen will. Eva erkennt auf einem Foto das Buch der verschollenen Namen und erinnert sich dadurch ungern an die Vergangenheit, als sie in Frankreich lebte. Nach der Verhaftung ihres Vaters verschaffte sie ihrer Mutter und sich neue Papiere mit denen sie in den Süden des Landes fuhren. Eva schloss sich dort der Resistance an und fälschte in diesem Rahmen Papiere für Erwachsene, aber auch für jüdische Kinder. Permanent war in der Gruppe die Angst vorhanden, dass sie verraten werden könnten. Das Misstrauen nahm zu und eines Tages war es soweit, ihre Tarnung war aufgeflogen.

Kristin Harmel lässt die jüngeren Ereignisse von ihrer Protagonistin in der Ich-Form schildern, aber den Rückblick beschreibt ein allwissend Erzählender. Die Pariser Juden litten im Zweiten Weltkrieg zunehmend unter Ressentiments und Einschränkungen. Dennoch bewahrte sich Evas Vater immer noch seinen Optimismus. Eva ging weiter ihrem Studium der englischen Literaturwissenschaft mit der Hoffnung nach, dass die Lage sich bald wieder bessern würde. Nur durch Zufall entgehen ihre Mutter und sie ebenfalls der Gefangennahme durch die Nationalsozialisten. Ihre Flucht bringt sie in das kleine Bergdorf Aurignon, in dem Eva staunend von den Möglichkeiten erfährt, sich gegen das Terrorregime aufzulehnen.

Aurignon bleibt nicht lange unbesetzt und die Gefahr, aufzufliegen, nimmt zu. Eva ist sich ihrer gesetzeswidrigen Handlungen und der daraus folgenden Konsequenzen bei Entdeckung überaus bewusst. Sie hat Zuneigung zu einem Mitglied der Bewegung entwickelt und kämpft mit gegensätzlichen Gefühlen, denn der geliebte Mann widmet immer mehr Zeit dem Widerstand. Gleichzeitig streitet Eva mit ihrer Mutter darüber, ob sie ihre Religion in der Rolle der Nicht-Jüdin vernachlässigt. Immer mehr entwickelt sich die Protagonistin von der wohlerzogenen Tochter zur selbstbewussten Mitstreiterin für die gute Sache.

Aufgrund der unbedingt notwendigen Geheimhaltung über Handlungen und den Mitgliedern der Resistance bleiben die beteiligten Figuren erwartungsgemäß undurchschaubar, wodurch über weite Teile der Geschichte ein Hauch von Nervenkitzel liegt. Für Eva ist es kompliziert zu erkennen, wem sie vertrauen kann und wer ihr freundlich gesinnt ist. Die Ereignisse sind authentisch geschildert und basieren auf wahren Begebenheiten zu denen ich in einem Anhang gerne noch mehr erfahren hätte.

Kristin Harmel beschreibt in ihrem Roman „Das Buch der verschollenen Namen“ das Leben einer jungen Pariser Jüdin, deren Leben sich abrupt ändert und die sich aufgrund dessen dem französischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer anschließt unter bewusster Inkaufnahme der damit möglicherweise verbundenen tödlichen Folgen bei Enttarnung. Die Geschichte ist realistisch erzählt und berührend und wird begleitet von einer tragischen Liebesgeschichte. Gerne empfehle ich das Buch an Lesende von historischen Romanen weiter.


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