Freitag, 18. Mai 2018

[Rezension Ingrid] Der restliche Sommer von Max Scharnigg


„Der restliche Sommer“ bleibt den Protagonisten im gleichnamigen Buch von Max Scharnigg, um sich Ende Juli darum Gedanken zu machen, wie ihr weiterer Lebensweg sich gestalten soll. Auch das Cover trägt die Ungewissheit in sich. In Bezug auf den Inhalt des Romans wirft sich die Frage auf, ob ein Leben in sonnigen Gefilden unter Palmen der gewohnten Heimat im waldreichen Deutschland dauerhaft vorzuziehen ist.

Paul, Sara, Tin und Sonja sind die Protagonisten des Romans und stehen in ungleichem Wechsel in den Kapiteln im Fokus. Paul ist 45 Jahre alt und lebt seit zwölf Jahren vom Schreiben einer Kolumne über Benehmen im Knigge-Stil, die allerdings von den Lesern allmählich als hinterwäldlerisch und langweilend empfunden wird. Sara ist Künstlerin und kennt Tin von Jugend an. Sie hat sogar eine Zeit bei ihm gewohnt. Auf einer Lesung von Paul hat sie sich in ihn verliebt und vor zehn Monaten beschlossen, gemeinsam mit ihm, von allen Zwängen befreit am sonnigen Meer in wechselnden Ländern zu leben. Tin, 34 Jahre alt, hat einen Flug nach Portugal gebucht, wo Sara sich gerade mit Paul aufhält, weil er sich noch eine Chance auf Erwiderung seiner Liebe zu ihr erhofft. Er ist von Jugend an ein erfolgreicher Programmierer mit eigenem Unternehmen. Ein vermeintlicher Anschlag auf ihn am Flughafen macht seine Pläne zunichte und rettet gleichzeitig sein Leben. Sonja ist Paartherapeutin und die geschiedene Frau von Paul. Nach einem Radiointerview bekommen ihre Aussagen eine unverhofft große Aufmerksamkeit.

Max Scharnigg führt dem Leser mit seinen Charakteren vor Augen, dass das Leben unberechenbar ist. Manchmal nehmen wir eine Rolle ein, wie sie von uns erwartet wird und werden uns darüber erst später bewusst. So denkt man häufig von einer Künstlerin, dass sie neben Kreativität auch spontane Aktionen zeigen, von einer verheirateten Frau, dass sie ihren Mann umsorgen und sich um den Haushalt kümmern wird. Sara und Sonja kommen mit den Erwartungen zurecht, finden sich darin aber irgendwann nicht wieder.

Wer sich bequem in seinem Job eingerichtet hat, an den werden meist gar keine neuen Erwartungen gestellt. Damit kann man zufrieden sein oder auch nicht. Paul sucht an der Seite von Sara bereits nach neuen Wegen, ohne sich von den alten ganz lösen zu können. Für Tin ist die bevorstehende Reise ein ganz großer, aufregender Schritt raus aus seinem Nerd-Leben und der Einsamkeit seiner vollgestellten Wohnung.

Keiner ist zufrieden mit dem, was er gerade tut. Jeder der Charaktere hat sich seinen Beruf bereits als Jugendlicher ausgesucht und ihn im Zusammenleben mit einem Partner erprobt. Der Autor zeigt, dass der Mut zum Zweifeln, die Suche nach Selbstwert und das Einlassen auf Gelegenheiten neue Chancen bieten kann.

Max Scharnigg schreibt in einer sprachlich reichen Form mit einer leichten gesellschaftlichen Kritik. In seinen Beschreibungen ist für jeden etwas dabei, um sich darin wiederzufinden. Man spürt den Szenarien an, dass darin eigene Erfahrungen enthalten sind, das Übrige ergänzt er durch die Wiedergabe genauer Beobachtungen und Einfühlungsvermögen. Dennoch fehlt es ihm nicht an Fantasie, die zu einigen erheiternden Schilderungen führt. Gerne vergebe ich für diesen gleichzeitig ernsten und vergnüglichen Roman eine Leseempfehung.

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Titel: Der restliche Sommer
Autor: Max Scharnigg
Erscheinungsdatum: 14.03.2018
Verlag: Hoffmann & Campe (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
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