Donnerstag, 10. Mai 2018

[Rezension Ingrid] Mädchen in Scherben von Kathleen Glasgow


Charlotte, genannt Charlie, ist 17 Jahre alt und wohnt in Minneapolis/Minnesota in den USA. Sie ist „Das Mädchen in Scherben“ in dem gleichnamigen Debütroman von Kathleen Glasgow. Der Titel auf dem Cover wirkt blutigrot zerschnitten und spielt damit auf die Einschnitte an, die Charlie sich meist an Armen und Oberschenkeln mit Glasscherben selber gesetzt, hat um förmlich ihre Probleme raus zu schneiden. Der Schmerz übertönt ihre stummen Schreie nach Hilfe und gleichzeitig werden Endorphine freigesetzt, die bei ihr ein angenehmes Gefühl auslösen, das sie kurzfristig genießt. Doch nicht nur äußerlich sind Narben zurück geblieben, die tief in Ihrem Inneren bleiben unsichtbar.

Charlies Vater hat Selbstmord begangen als sie noch ein Kind war, ihre beste Freundin hat sie verloren und ihre Mutter verletzt während sie sich gegen deren Angriff gewehrt hat. Bei ihr wurden nicht suizidales selbstverletzendes Verhalten, eine Impulskontrollstörung und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Verschiedene Medikamente, die sie in den Vorjahren verschrieben bekommen hat, haben nicht die nötige Wirkung gezeigt. Einige Monate hat sie ohne feste Unterkunft und von der Hand in den Mund gelebt. Schließlich hat sie aufgrund ihrer desaströsen Situation versucht sich umzubringen und wurde in Folge dessen auf der psychiatrischen Station eines Krankenhauses eingewiesen. Nach dem Sozialrecht der USA kann sie hier nur solange bleiben wir ihr Aufenthalt von jemandem bezahl wird. Während ihres Aufenthalts meldet sich ein Freund bei ihr, der sie dazu einlädt vorübergehend bei ihm in Tucson/Arizona zu wohnen, obwohl er selbst zunächst nicht zu Hause sein wird. Charlie sieht darin ihre Chance. Wird es ihr gelingen, ein von ihr gewünschtes eigenständiges Leben mit Wohnung, Job und Freunden aufzubauen, ohne sich je wieder selber zu verletzen oder Suchtmittel zu konsumieren?

Die Geschichte von Charlie geht unter die Haut, ihr Schicksal hat mich betroffen gemacht. Um ihre Erzählung noch eindringlicher zu gestalten, arbeitet Kathleen Glasgow mit dem Stilmittel der Hyperbel. Bereits zu Beginn trifft  ihre Protagonistin in der Klink auf Jugendliche mit ähnlichen Erkrankungen. Sie stellt nicht nur verschiedene Symptome heraus, sondern macht auch bewusst, dass es kein Allheilmittel gibt. Im weiteren Verlauf ist das Glück auf Charlies Seite. Auf ihrem neu eingeschlagenen Weg versucht sie, die Anweisungen und Ratschläge aus der Klinik umzusetzen. Die Suche nach einem Job und nach einer eigenen Wohnung beschreibt die Autorin durchaus glaubhaft. Die Menschen auf die sie in ihrem Umfeld trifft haben allerdings durchweg psychische Probleme, was ich nicht unbedingt realistisch, aber von der Einarbeitung in den Roman her interessant fand. Die Handlungsweisen von Charlie versucht die Autorin zu begründen, obwohl sie gerade in Bezug auf eine neue Liebesbeziehung nicht immer leicht nachvollziehbar sind.

Kathleen Glasgow bringt im Roman mehrere Beispiele, warum Jugendliche sich selbst verletzen oder Zuflucht in Alkohol und Drogen suchen. Ihre Figur Charlie lässt sie einen möglichen Weg aus der Misere suchen. Der Roman ist mit so viel Einfühlungsvermögen geschrieben, dass die Vermutung der eigenen Erfahrung der Autorin nahe liegt. Depression, Drogen, Alkoholismus, Rauchen und Selbstmord sind Auswirkungen davon, dass Menschen sich im Leben nicht zurecht finden, doch sie können mit professioneller Hilfe überwunden werden. Die Autorin plädiert dafür, dass man sich nicht unterkriegen lassen soll. Auch wenn ein Plan scheitert, wird es einen weiteren geben, den man ausprobieren sollte. Dabei lernt man seine Fähigkeiten kennen und vielleicht wird man wie im Falle von Charlie ein Talent an sich entdecken. Das Buch ist für Jugendliche ab 14 Jahren gedacht. Gerade den jüngeren Lesern empfehle ich mit Erwachsenen über den Inhalt zu sprechen.

„Mädchen in Scherben“ beschreibt intensiv das Desaster, in jungen Jahren auf Abwege zu geraten. Obwohl Kathleen Glasgow nicht verschweigt, dass Fehlschläge möglich sind, gibt sie ihrer Geschichte die Hoffnung mit, sein Leben auch nach schrecklichen Erlebnissen wieder in den Griff bekommen zu können. Der Roman ist ergreifend und bleibt in Erinnerung und daher vergebe ich eine Leseempfehlung.


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Titel: Mädchen in Scherben
Autorin: Kathleen Glasgow
Übersetzerin: Yvonne Hergane
Erscheinungsdatum: 21.03.2018
Verlag: Fischer Kinder- und Jugendtaschenbuch ab 14 Jahren (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Klappenbrochur
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