Samstag, 27. Februar 2021

Rezension: Sprich mit mir von T.C. Boyle

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Sprich mit mir
Autor: T.C. Boyle
Übersetzerin aus dem Englischen: Dirk von Gunsteren
Erscheinungsdatum: 25.01.2021
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783446269156
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Der US-Amerikaner T.C. Boyle widmet sich in seinem Roman „Sprich mit mir“ dem Verhältnis von Menschen zu Menschenaffen, genauer gesagt zu Schimpansen. Der Titel des Buchs entspricht der Aufforderung zur Kommunikation im Rahmen der Möglichkeiten der Tiere. Während es in den 1940er Jahren einen Versuch gab, einer Schimpansin Englisch beizubringen, basiert die Geschichte von T.C. Boyle auf entsprechenden Experimenten in den 1970ern zur Verständigung durch Gebärdensprache.

Der 32-jährige Guy Schermerhorn ist Professor für vergleichende Psychologie an einer kalifornischen Universität. Im Rahmen einer Studie an einer Hochschule in Iowa zum eventuell möglichen Spracherwerb bei Primaten wurde ihm der Schimpanse Sam überlassen. Aimee Villard, Studentin der Frühpädagogik, bewirbt sich im Jahr 1978 bei ihm als Hilfskraft zur Pflege von Sam. Schon bald fasst Sam Vertrauen zu ihr. Unter der Anleitung von Guy und Aimee macht Sam große Fortschritte und wird zunehmend menschlicher. Seine natürlichen Instinkte suchen sich aber immer wieder ihren Weg.

Im zeitlichen Ablauf wird es schwieriger, Forschungsgelder zu erhalten und eines Tages wird Sam vom Leiter des Forschungsprogramms aus Iowa zurückgefordert, um ihn wirtschaftlich besser nutzen zu können. Vor allem Aimee kann sich damit nicht abfinden und sucht auf ihre eigene Weise nach einer Lösung, um Sam nicht nur in ihrer Nähe zu haben, sondern auch weiter mit ihm arbeiten zu können.

T.C. Boyle wirft in seinem Roman unter anderem das ethische Problem auf, welche Eigenschaften untrennbar mit dem Bewusstsein verknüpft sind, damit sie uns Menschen so einmalig machen, um über andere Lebewesen zu richten. Es ist aber zu bedenken, dass wir vielleicht gar nicht so besonders sind. Wenn wir die Möglichkeit hätten, uns mit Primaten zu verständigen, könnten diese uns ihre Gefühle mitteilen und wir würden erkennen, dass sie in der Lage sind ihre Schlüsse aus Situationen zu ziehen und zu bluffen. Spinnt man den Gedanken weiter, ist zu überlegen, welches Potential sich uns Menschen dadurch bieten könnte, wenn wir erfahren, was Primaten im Allgemeinen beschäftigt und welches Urwissen sie mit sich tragen.

Mit Guy und Aimee schafft der Autor gegensätzliche Charaktere im Umgang mit dem Sprachexperiment und bietet dadurch auch zwei unterschiedliche Ansichten über Sinn und Zweck von Forschung. Sicherlich hat Guy eine enge Beziehung zu Sam aufgebaut, aber es geht ihm auch darum, sich durch die Studien berufliche Anerkennung zu verschaffen. Dadurch macht er sich abhängig von Finanzgebern und fügt sich den Gegebenheiten. Aimee widmet sich ihrer Aufgaben mit Leidenschaft und entwickelt zu Sam eine nahezu mütterliche Liebe. Ihre Beurteilung in bestimmten Situationen ist manchmal arglos, dem von ihr gesetzten Ziel ordnet sie ihr Leben unter und widmet ihm ihre ganze Kraft.

Die Kapitel wechseln ab zwischen solchen, bei denen Aimee und Guy in ihrer Beziehung zu Sam im Vordergrund stehen und anderen, bei denen der Autor die potentiellen Gedanken des Schimpansen beschreibt. Die beiden Sichtweisen sind zeitversetzt, wobei die Wiedergabe des Denkens von Sam zunächst Fragen aufwirft und äußerst beunruhigend ist.

Beim Lesen des Romans „Sprich mit mir“ von T.C. Boyle entwickelte sich bei mir ein Lesesog, der sich aufgrund der faszinierenden Darstellung der Handlung mit dem Hintergrundthema zum Bewusstsein und der damit verbundenen Persönlichkeit ergeben hat. Die Geschichte überrascht mit einigen Wendungen und bleibt dadurch, obwohl sie wahre Geschehnisse beinhaltet, unvorhersehbar. Gerne vergebe ich hierzu eine uneingeschränkte Leseempfehlung.


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