Samstag, 12. Oktober 2019

Rezension: Laufen - Isabel Bogdan


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Laufen
Autorin: Isabel Bogdan
Hardcover: 208 Seiten
Erschienen am 12. September 2019
Verlag: Kiepenheuer & Witsch

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Die Protagonistin ist schon seit einigen Jahren nicht mehr gelaufen, doch jetzt will sie endlich wieder damit anfangen. Ein Jahr ist vergangen, seit ihr Freund Suizid begangen hat und seine Eltern ihr alles von ihm weggenommen haben, weil die beiden nicht verheiratet waren. Jetzt ist die über 40, für Kinder ist es zu spät, sie ist traurig und wütend. Immer wieder rafft sie sich zum Laufen auf und reflektiert ihre Situation. Während sie allmählich fitter wird, gelingt es ihr zunehmend, nach vorn zu blicken.

Als Leser begleitet man die Protagonistin beim Laufen und lauscht ihrem inneren Monolog. Ein Jahr ist sie nun schon allein, und noch immer geistert die Frage nach dem Warum in ihrem Kopf herum, gepaart mit Wut, Unverständnis und Hilflosigkeit. Sie fühlt sich zurückgelassen und von vielen Menschen in ihrer Umgebung unverstanden.

Ich brauchte eine Weile, um in den Schreibstil hineinzufinden. Der Gedankenfluss beim Laufen wird ungefiltert wiedergegeben, was zu langen Sätzen führt, in denen die Erzählerin von einem Thema zum nächsten springt und sich zwischendurch immer weider auf ihre Atmung fokussiert. Da man ihr nur in der Situation des Laufens begegnet erfährt man dabei, was in den Tagen und Wochen zuvor passiert ist.

Auf diesem indirekten Weg erfährt man einiges über die Reaktionen ihres Umfelds. Durch das Laufen, die Liebe zur Musik und ihre besten Freundin Rike, die gut zuhören kann und mit der richtigen Mischung aus Mitgefühl und Humor reagiert, sammelt die Protagonistin neue Kraft. Ihre Eltern wissen hingegen nicht so recht, was sie sagen sollen, und auf die Eltern ihres Freundes ist sie einfach nur wütend, nachdem sie all seine Sachen eingesammelt und sogar die Hälfte der Möbel mitgenommen haben. Auch über die Gespräche mit ihrer Therapeutin und deren Ratschläge denkt sie nach.

Insgesamt begleitet man die Protagonistin ein Jahr lang. Das Buch ist einfühlsam geschrieben und man merkt, wie es der Protagonistin allmählich gelangt, neue Dinge anzupacken und nach vorn zu blicken. Dabei geht es auf und ab mit besseren und schlechteren Tagen. Auch wenn die Gedanken der Erzählerin oft von Traurigkeit und Wut dominiert werden, mischt sich immer wieder eine Prise Humor hinein. Insgesamt ein eindrücklicher Roman über einen Trauerprozess mit einer Protagonistin, die übers Laufen zurück ins Leben findet.
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