Mittwoch, 23. Juli 2025

Rezension: Wohin du auch gehst von Christina Fonthes

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Wohin du auch gehst
Autorin: Christina Fonthes
Übersetzerin aus dem Englischen: Michaela Grabinger
Erscheinungsdatum: 23.07.2025
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783257073553
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In ihrem eindrucksvollen Debütroman „Wohin du auch gehst“ erzählt die in Kinshasa geborene und heute in London lebende Autorin Christina Fontes die bewegende Geschichte von Bijoux und ihrer Tantine Mireille, die als Kind Mira gerufen wurde. Zugleich schließt sie die bewegte Vergangenheit des afrikanischen Staates Kongo mit ein. Die Kapitel wechseln zwischen den beiden Protagonistinnen, wobei Bijoux aus der Ich-Perspektive erzählt und die Geschehnisse rund um Mireille von einem allwissenden Erzähler beschrieben werden.

Mira ist neun Jahre alt, als ihr Vater 1974 beruflich aufsteigt und die Familie in ein deutlich größeres Haus in einen anderen Stadtteil von Kinshasa umzieht. Wenig später sieht sie auf der Heimfahrt nach einem Restaurantbesuch eine Szene am Straßenrand, bei der eine Frau für gleichgeschlechtliche Liebe grausam bestraft wird. Sie wird sie nie wieder loslassen und ihr weiteres Leben prägen.

Dreißig Jahre später lebt Mira in einer Sozialsiedlung in London als Diakonin einer evangelikalen Kirche. Vor nunmehr zwölf Jahren wurde Bijoux von Miras Schwester Eugenie, einer verheirateten Ärztin, nach London gebracht, um dort bei der ihr bisher unbekannten Tantine Mireille zu wohnen. Inzwischen arbeitet Bijoux als Angestellte in einer Anwaltskanzlei gefunden und ist verliebt in eine Frau, die sich von ihr wünscht, gemeinsam mit ihr nach New York zu ziehen. Doch Mireille und einigen Angehörigen der Kirche erwarten von ihr, dass sie den ebenfalls aus Kongo stammenden Fabrice heiratet.

Bijoux steht an einem Scheideweg in ihrem Leben. Sie ist geprägt von ihren afrikanischen Wurzeln. Im Kongo gelten patriarchale Familienstrukturen. Trotzdem hat sie sich schon oft nach Kinshasa zurückgewünscht. Demgegenüber erlebt sie in London eine liberalere und aufgeschlossenere Gesellschaft. Die Religiosität ihrer Tantine setzt ihr Grenzen, aber die kirchliche Gemeinschaft gibt ihr gleichzeitig Zugehörigkeit und Halt. Inmitten der widersprüchlichen Einflüsse stellt Bijoux sich Fragen nach der Gestaltung ihrer Zukunft und mit wem sie sie gemeinsam verbringen möchte. Zwischen der Loyalität gegenüber ihrer Familie und persönlicher Freiheit beginnt sie nach einem Weg zu suchen, der ihr gerecht wird und von anderen respektiert wird. 

Während ihres Aufenthalts in London erfährt Bijoux nur wenig über die Vergangenheit ihrer Tantine. Erst als die Ereignisse sich zum Ende hin zuspitzen, eröffnet sich für die junge Protagonistin ein tieferes Verständnis für Mireilles Handlungen und Ansichten, ermöglicht durch Einblicke in deren Kindheit und Jugend in Kinshasa, die ich als Leserin mit wachsender Faszination über die Kapitel hinweg verfolgen konnte. Sie trägt über viele Jahre hinweg ein Geheimnis mit sich, dass Christina Fonthes in ihrem Roman geschickt zu verbergen versteht. Es gelingt der Autorin sehr gut, kulturelle Unterschiede zwischen kongolesischer und britischer Mentalität herauszuarbeiten.

Der Titel des Romans „Wohin du auch gehst“ von Christina Fonthes verweist auf das Versprechens stets einander zu folgen, dass sich die Protagonistin Bijoux und ihre Partnerin geben. Ob ihnen dies gelingt, erfährt der Lesende nach einer Achterbahn der Gefühle. Liebe, Vergeltung, Scham, Angst und Verlust sind nur einige der Emotionen, die die Autorin in ihrer berührenden Geschichte verarbeitet hat. Die Handlung ist vielschichtig mit unerwarteten Wendungen und fesselnd bis zum Schluss. Sehr gerne vergebe ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung.



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