Freitag, 28. November 2025

Rezension: Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels von Vea Kaiser

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Fabula Rasa oder 
Die Königin des Grand Hotels
Autorin: Vea Kaiser
Erscheinungsdatum: 09.10.2025
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
(Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783462052343
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Fünf Jahre nach ihrem Buch „Rückwärtswalzer“ ist Vea Kaisers vierter Roman „Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels“ erschienen. Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten, die die Autorin auf eine Weise in Szene setzt, als hätte sie mit der titelgebenden Figur Angelika Moser mehrere lange Gespräche (lat. fabulae) geführt. Das lateinische Wort „rasa“ verweist auf einen Neuanfang, denn die Protagonistin sucht nach einem Weg, ihren Sohn in besseren Verhältnissen aufwachsen zu lassen, als sie selbst es erfahren hat.

Vor wenigen Jahren hat die Buchhalterin eines Wiener Grand Hotels mehrere Millionen Euro veruntreut. Vea Kaiser hat von dieser Tatsache in einer Zeitung gelesen und sie zum Hintergrund ihres Romans gemacht. Sie nimmt die Lesenden zunächst mit in die 1980er Jahre, eine Zeit, in der Angelika bereits in der Verwaltung des Grand Hotel Frohner arbeitet. Sie ist als Tochter der alleinerziehenden Hausbesorgerin Erna aufgewachsen. Ihren Vater hat sie bis dato nie kennengelernt. Mit ihrer Freundin Ingi geht sie gerne auf Vergnügungstour, vielleicht als Ausgleich zu den Zahlenkolonnen, mit denen sie tagsüber jongliert und Ordnung in ihr Leben bringt.

Eines Tages bittet der Hoteldirektor sie um ihre Mithilfe. Sie soll das Zahlenwerk früherer Jahre aufhübschen. Die Verwandten der früheren Besitzer des Hotels erheben Anspruch auf eine Entschädigung, aber der Direktor möchte ihnen zeigen, dass das Hotel unrentabel ist. Angelika erfindet Ausgaben, die das Hotel bezahlt. Bald erkennt sie, dass sich aus dieser Schwindelei auch für sie persönliche Vorteile ergeben könnten.

Erneut gelingt es Vea Kaiser Figuren mit Wiedererkennungswert zu schaffen. Angelika entspricht trotz Herkunft und Beruf nicht dem Klischee einer „grauen Maus“, sondern genießt das Leben, träumt von beruflichem Aufstieg und wünscht sich Unabhängigkeit. Der Seniorchef des Grand Hotels präsentiert sich gern als rechtschaffenes Aushängeschild des Hauses. Erst im Verlauf der Geschichte erlebt man an der Seite von Angelika, wie seine Fassade bröckelt. Mehrere Galans bemühen sich um die Protagonistin, aber ich möchte nicht vorwegnehmen, welchem sie ihr Herz schenkt.

Die Autorin verweist auf die gesellschaftliche Kluft zwischen Arm und Reich in der österreichischen Hauptstadt. Während sich die einen auf dem Opernball amüsieren, freut man sich in den Hinterhöfen über eine warme Wohnung. Vea Kaiser zeigt die schillernde Amüsiermeile der Nachtkultur als auch deren Schattenseiten mit Alkohol- und Drogenmissbrauch. Sie schreibt nah am Leben, mit viel Verve und einer guten Portion Schmäh.

Auch Angelikas Handeln als Mutter wirkt nachvollziehbar und realistisch, ebenso die beschriebene Art, für das Hotel abzurechnen. Von Beginn an wird deutlich, welches Vergehen sie begangen hat, was der Geschichte eine deutliche Richtung gibt. Im Mittelteil kommt der Roman allerdings durch detailreiche Passagen zu einer gewissen Länge. 

Über mehr als drei Jahrzehnte hinweg beschreibt Vea Kaiser in ihrem Roman „Fabula Rasa oder Die König des Grand Hotels“ den Aufstieg und Fall ihrer Protagonistin Angelika. Die Geschichte überzeugt mit lebendigen Figuren, einem atmosphärischen Schauplatz und bedeutsamen gesellschaftlichen Themen. Durch den amüsanten Unterton ist sie unterhaltsam, jedoch auch berührend und hallt lange nach. Gerne empfehle ich sie weiter.




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