Autorin: Maggie Stiefvater
Übersetzerin aus dem amerikanischen Englisch: Sabine Hübner
Erscheinungsdatum: 24.09.2025
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783103975666
Mit „Grand Hotel Avalon“ legt Maggie Stiefvater ihren ersten
Roman für Erwachsene vor. Die Handlung ist angesiedelt in der beeindruckenden
Landschaft der Appalachen in West Virginia, die die Autorin bestens kennt, weil
sie unweit davon entfernt mit ihrer Familie lebt.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht June Porter Hudson, die
Hotelleiterin des titelgebenden fiktiven Hotels, dem zentralen Ort des
Geschehens. Die Handlung umfasst wenige Monate der Jahre 1942 und 1943. June
wurde von ihrem Vorgängen, dem früheren, inzwischen verstorbenen Besitzer des
Hauses, seit ihrer Jugend auf ihre Rolle vorbereitet. Sie ist eine bemerkenswerte
Frauenfigur und in einer Führungsposition, die zur damaligen Zeit durchaus
nicht alltäglich war.
Doch es ist nicht nur der Luxus, für den das Hotel mit
seinen etwa vierhundert Zimmern bekannt ist. Legendär sind hier die
Behandlungsmöglichkeiten durch geheimnisvolles, süßes Heilwasser und nur June
kann es kontrollieren, denn es scheint die Stimmungen aller Menschen im Haus
wahrzunehmen. Mit ihren eigenen Emotionen kann die Hotelleiterin durch stundenlangen
Aufenthalt im Wasser gegensteuern und auf diese Weise verhindern, dass das
Wasser umschlägt. Zahlreiche Schnecken dienen dabei als Warnsignal. Das Covermotiv
greift dieses Symbol auf und deutet den Zusammenhang mit den Weichtieren an. Die
schwarz-weiße Gestaltung lässt zugleich die Epoche anklingen, in der die Handlung
angesiedelt ist.
Das wunderschöne Setting ist eine Stärke des Romans. Das
Hotel ist imposant und befindet sich in einer traumhaften Kulisse in den
Bergen. Hier können die wohlhabenden Gäste entspannen und ihre Sorgen
vergessen. Doch der Krieg verschont auch diese Idylle nicht. Die Autorin hat
eine wenig bekanntes historische Kapitel eingefangen. Sie schreibt darüber,
dass statt zahlender Besucher dreihundert Diplomaten der Achsenmächte und ihre
Familien dort interniert werden, wie es in der Realität zur damaligen Zeit in
mehreren bekannten Hotels tatsächlich stattfand.
Leider verliert sich die Erzählung stellenweise im Detail.
Häufige Rückblenden in Junes Vergangenheit lassen die Handlung in der Gegenwart
nur behäbig voranschreiten. Zwar treten zwischen den Diplomaten immer wieder
Intrigen zutage, doch Spannung entwickelt sich kaum. Das Verhalten einiger
Figuren wirkt zudem manchmal überraschend modern, was das historische Flair der
1940er Jahre abschwächt. Der magische Realismus sorgt für einen Hauch magischer
Atmosphäre, bleibt jedoch in seiner Bedeutung für die Handlung eher vage und
trägt wenig zur Dramaturgie bei.
In ihrem Roman „Grand Hotel Avalon“ verknüpft Maggie
Stiefvater einen beeindruckenden Schauplatz, eine starke Protagonistin sowie politische
Verwicklungen und eine leise Liebesgeschichte. Trotz dieser vielversprechenden
Ansätze für eine ungewöhnliche Erzählung über Verantwortung und Loyalität
bleibt die Ausführung leider hinter ihrem Potenzial zurück und konnte meine
Erwartungen nicht ganz erfüllen.
