Donnerstag, 15. März 2018

[Rezension Ingrid] Nackt über Berlin von Axel Ranisch



„Nackt über Berlin“ ist der Debütroman von Axel Ranisch, der in Berlin lebt und hier auch seine Geschichte überwiegend spielen lässt. Die Handlung spielt im Herbst 2015, die Kapitel sind entsprechend mit dem jeweiligen Tag betitelt. Das Cover ist auffällig gestaltet und deutet bereits an, dass hier wohl jemand „in die Pfanne gehauen“ wird.

Die Erzählung hat mehrere Protagonisten, einer davon ist der übergewichtige 16-jährige Jannik, der weite Strecken lang als Ich-Erzähler fungiert. Eine weitere Hauptfigur ist sein gleichaltriger Mitschüler und Freund Tai, der vietnamesischer Herkunft ist. Sie werden von Freunden und Bekannten auch „Fetti“ und „Fidschi“ gerufen. Während Jannik ein großer Freund klassischer Musik ist, hält Tai seinen Alltag mit einem Camcorder fest.

Eines Tages sammeln sie den Rektor ihrer Schule, Jens Lamprecht, von der Straße auf und bringen ihn, stark alkoholisiert, zu seinem Appartement im 25. Stock eines Neubaus. Hieraus resultiert der Titel des Buchs, weil Herr Lamprecht sich im Folgenden teilweise unbekleidet hier aufhält. Den Hausschlüssel nehmen Tai und Jannik mit. Tai ist durch Verwandte und Bekannte mit den Räumlichkeiten vertraut. Gemeinsam beginnen die beiden ein perfides Spiel mit dem Rektor. Für Herrn Lamprecht als weiterer Protagonist des Romans ist die Situation zunächst gar nicht so schlimm, doch im weiteren Zeitablauf gehen seine Vorräte langsam zur Neige. Dadurch gerät auch seine Stimmung in Schieflage. Tai und Jannik sorgen für immer neue Überraschungen. Allmählich beginnt das Gewissen Jannik zu drücken. Wird er handeln und das Spiel beenden?

Jannik hat ein Jahr vorher die Schule gewechselt. Jetzt ist er froh, dass er in Tai einen guten Freund gefunden hat, der nicht nur seine Liebe zur Klassik akzeptiert sondern auch gerne mithört. Bisher hat Jannik sich noch nicht verliebt, ahnt aber bereits, dass Mädchen dabei keine Rolle spielen werden. Zunächst ist er sich noch nicht sicher, aber immer mehr fühlt er sich zu Tai hingezogen. Die beiden reden in einem jugendlichen Slang, der manchmal auch unter die Gürtellinie geht, durch den beide sich aber ihrer Generation zugehörig fühlen.

Neben der Story, die Jannik aus seiner Sicht erzählt, wechseln die Kapitel später immer wieder zu Herrn Lamprecht. Diese Teile werden von einem allwissenden Erzähler geschildert. Mit wenigen Sätzen beschreibt Jannik zu Beginn der Geschichte seinen Rektor mit Ecken und Kanten und durchaus nicht bei allen beliebt. Ganz am Rand taucht der Selbstmord einer Mitschülerin auf, der immer mehr in den Fokus rückt. Während Jannik mit seiner erwachenden Liebe kämpft, gerät Herr Lamprecht durch die Einsamkeit mit immer neuen Widrigkeiten in derartige Seelennöte, die ihn dazu bringen über verschiedene Stationen seines Lebens nachzudenken und neu zu bewerten. Das Handeln von Jannik und Tai versucht der Autor zwar zu erklären, doch die Konsequenzen ihrer Aktion halte ich für unverhältnismäßig.

„Nackt über Berlin“ ist die Verkopplung einer erwachenden Liebe eines ungewöhnlichen Charakters und der aufregende Aufklärung eines Selbstmords. Dazu benutzt Axel Ranisch eine flotte, freie, humorvolle Sprache, die auch den ernsten Teil der Erzählung überlagert. Der Roman erhält dadurch einen besonderen Unterhaltungswert. Das Buch ist nicht für jeden geeignet, sondern eher für ältere Jugendliche und Erwachsene, die über die Auseinandersetzung von Jugendlichen mit der Adoleszenz lesen wollen und vor Übermut, der auf die Spitze getrieben wird, nicht zurück schrecken.

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Titel: Nackt über Berlin
Autor: Axel Ranisch
Erscheinungsdatum: 23.02.2018
Verlag: Ullstein (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover


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