Dienstag, 4. Juni 2019

Rezension: Unwetter von Marijke Schermer


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Unwetter
Autorin: Marijke Schermer
Übersetzerin: Hanni Ehlers
Erscheinungsdatum: 11.03.2019
rezensierte Buchausgabe: Hardcover
ISBN: 9783311100102
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Emilia ist Soziologin, 42 Jahre alt und sie wohnt mit ihrem Ehemann Bruch, der Arzt an einem Krankenhaus ist, und den beiden gemeinsamen Kindern in einem alten Haus im Deichvorland in der Nähe von Amsterdam. Den Wohnraum konnten sie günstig erwerben nachdem sich der erste Nachwuchs einstellte. Gerade die einsame Lage vom Haus, aber auch die beiden Kinder lassen die Ehepartner eng zusammenwachsen, denn ihr gemeinsames Leben fordert viele Kompromisse und Absprachen.

Ein Theaterbesuch bei dem ein Stück aufgeführt wird, das eine Vergewaltigungsszene beinhaltet, lässt Emilia wieder an ein verdrängtes furchtbares eigenes Erlebnis denken. Zwölf Jahre hat sie es vor ihrem Mann verborgen. Immer mehr und immer stärker sucht es sich fortan seinen Weg in ihr Bewusstsein und verändert ihre Wahrnehmung im Alltag. Doch der Titel des Romans „Unwetter“ der Niederländerin Marijke Schermer bezieht sich nicht nur auf die sich ändernde psychische Einstellung der Protagonistin des Buchs, sondern auch auf die anhaltenden Regenfälle, die das Hab und Gut der Familie bedrohen.

Schon nach kurzer Zeit merkte ich beim Lesen, wie schwer Emilia an ihrem Geheimnis trägt, das sich immer stärker in den Vordergrund drängt. In ungewöhnlichen Situationen empfindet sie Angst, was sich mir später aus dem Zusammenhang mit dem früher Erlebten erklärte. Emilia ist eine Frau mit starken Emotionen, die tief empfindet. Die erwähnte Szene im Theaterstück ruft zwiespältige Gefühle in ihr hervor, denn sie glaubt, dass die Inszenierung mit Freude erfolgte. Ihr ist übel und ihr ist bewusst, dass es immer zwei Seiten gibt, auch in einer erzwungenen Interaktion. Gerne würde sie endlich ihr Geheimnis teilen, doch ihre Sorge wächst, dass man ihre Empfindungen nicht verstehen wird. Es lässt sie nicht mehr los, sie hat Albträume und fühlt sich unter Wasser gezogen. Bruch ahnt nicht, welche Parallelen Emilia im Unwetter sieht, das ihr Haus bedroht.

Marijke Schermer setzt sich in ihrem Roman damit auseinander, wie viel Schweigen eine Ehe verträgt. Ist zum Erhalt einer harmonischen Partnerschaft umfassende Offenheit notwendig oder kann Verschweigen auch zum Schutz dienen für sich selbst oder auch für den Partner? Emilias Grübeln bewirkt, dass sie ihr eigenes Verhalten spiegelt. Eine Krise im Job verstärkt noch ihre Empfindungen. Zum Ende hin sorgt die Autorin für einen unerwarteten Twist.

Marike Schermers Roman ist kurz, aber umso intensiver. Die seelische Verletzung Emilias ist deutlich zu spüren. Ihre Geschichte ist bewegend und zeigt, dass die Zeit trotz großer Bemühungen nicht alle Wunden zu heilen vermag. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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