Sonntag, 4. September 2022

Rezension: Das Wunder von Bahnsteig 5 von Clare Pooley

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Ttiel: Das Wunder von Bahnsteig 5
Übersetzerin aus dem Englischen: Stefanie Retterbush
Erscheinungsdatum: 17.08.2022
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783442206377

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Im Roman „Das Wunder von Bahnsteig 5“ der Engländerin Clare Pooley nutzen sechs Zugpendler und -pendlerinnen mehr oder weniger regelmäßig einen Zug Richtung Waterloo Station in London. Eines Tages beginnen sie miteinander zu kommunizieren. Das ist ungewöhnlich, denn eine der Regeln der ungeschriebenen Gesetze bei den Zugfahrenden lautet, dass man nicht mit Fremden spricht. Das Cover zeigt eine typische Situation auf einem Bahnsteig: Jeder bleibt für sich allein, wenn er nicht gerade mit Freunden oder Verwandten reist. Die Autorin zeigt in der Geschichte, was passieren kann, wenn man die oben erwähnte Regel bricht.

Eine der Protagonistinnen ist Iona. Sie ist Mitte 50 und die bekannte Ratgeberin einer Zeitschriftenkolumne. An ihrer Seite ist immer ihre Französische Bulldogge Lulu. Iona freut sich über die Privatsphäre, die sie inmitten der Öffentlichkeit im Zug genießen kann. Eines Tages droht ein Passagier an einer Traube zu ersticken, sie und andere versuchen auf verschiedene Weise zu helfen. Aus dem Notfall wird ein Kennenlernen sehr unterschiedlicher Charaktere, das zu Freundschaften führt.

Die Kapitel wechseln zwischen den dann im Mittelpunkt stehenden Hauptfiguren ab. Neben Iona zählt dazu der Krankenpfleger Sanjay. Er ist genauso wie die bei einer Marketingagentur arbeitende Emmie Ende 20. Der ehemalige Broker Piers ist Anfang 40. Die Schülerin Martha ist in diesem Kreis die Jüngste. Die Autorin baut im Roman zunächst die Freundschaften untereinander auf. Jeder und Jede zeigt sich dabei von einer guten Seite.

Während sich die Geschichte entfaltet, durfte ich ein wenig hinter die Fassade der einzelnen Personen schauen, denn Alle tragen ein Geheimnis bei sich. Iona spricht nicht über ihren bröckelnden Ruhm und den Kummer um ihre Frau, Piers nicht über seine Finanzprobleme. Emmie ist verliebt in ihren Partner und sieht darüber hinweg, dass er sie vereinnahmt. Sie bemerkt Sanjays wachsende Zuneigung zu ihr. Sanjay leidet nicht nur unter ihrer Ablehnung, sondern auch unter den Anforderungen an seinen Beruf, während Martha von einem Freund ausgenutzt und dadurch diskreditiert wurde. Mit und mit lüftet Clare Poole den Schleier, der die Realität der Protagonisten und Protagonistinnen umhüllt, auch für die Freunde untereinander.

Auch in ihrem zweiten Roman schreibt die Autorin über Begebenheiten, wie sie auch in der Realität hätten stattfinden können. Mich faszinierte dabei vor allem das Zusammenspiel der angenehmen und unsympathischen Seiten ihrer Hauptfiguren, die sich aufgrund von Erfahrungen und Gesprächen mit den neuen Bekannten weiterentwickelten. Als frühere Teilhaberin einer Marketingagentur brachte die Autorin eigenes Wissen und Ansichten aus ihrem Beruf in die Erzählung rund um ihre Protagonistin Emmie ein. Weitere Erfahrungen aus ihrem Leben schenken Hintergrundgeschichten ihrer Figuren Authentizität. Sie weiß sich in ältere Personen ebenso einzufühlen wie in jüngere und beschreibt treffend deren Lebenswelten. Immer wieder kommt es trotz gewisser Dramen zu amüsanten Szenen, die sich teilweise daraus entwickeln.

Clare Pooley füllt ihren Roman „Das Wunder von Bahnsteig 5“ mit wunderbar abwechslungsreich gestalteten Figuren, die jeweils ihre eigenen Sorgen haben, sie aber zunächst voreinander verbergen. Erst als sie das übliche Schweigen von Zugreisenden brechen, lernen sie einander kennen, respektieren und füreinander da zu sein. Gerne empfehle ich die warmherzige, feinfühlig erzählte Geschichte uneingeschränkt weiter.


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