Samstag, 16. September 2023

Rezension: Kontur eines Lebens von Jaap Robbens

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Kontur eines Lebens
Autor: Jaap Robben
Übersetzerin aus dem Niederländischen: Birgit Erdmann
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783832168186
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Jaap Robben erzählt in seinem Roman „Kontur eines Lebens“ die Geschichte von Frieda Tendeloo, die inzwischen über achtzig Jahre alt und gerade in ein Pflegeheim im niederländischen Nimwegen gezogen ist, in dessen Nähe sie ihr ganzes Leben verbracht hat. Eigentlich hätte es nicht dazu kommen dürfen, denn sie war diejenige mit den zunehmend schlimmer werdenden Altersbeschwerden, aber dann starb unerwartet ihr Ehemann Louis, der sich immer um ihr tägliches Wohl gekümmert hat.

Im Heim hat sie viel Zeit, ihren Gedanken nachzuhängen. Vielleicht denkt sie an eine Liebschaft in den frühen 1960er Jahren und der daraus resultierenden Schwangerschaft, weil ihr Sohn bald zum ersten Mal Vater wird. Davon wusste weder Louis noch ihr Sohn. Mit und mit erfuhr ich als Leserin zunächst von ihrem Freund Otto, von dem sie bald wusste, dass er verheiratet war. Beide treffen Vorkehrungen, doch dann passiert, was nie hätte eintreten dürfen, denn sie wird schwanger. Was dann geschieht ist ein wahres Spießrutenlaufen. Im katholischen Elternhaus erfährt sie keine Unterstützung. Stattdessen werden ihr Ratschläge erteilt, wie mit dem zu erwartenden Kind zu verfahren ist. Niemals gesteht man ihr dabei zu, es selbst aufzuziehen. Doch sie hält wider aller Umstände daran fest, sich selbst um ihr Kind kümmern zu wollen. Sie sinkt immer tiefer in ihrer Würde und ihre Verzweiflung nimmt zu.

Endlich findet Frieda den Mut, über diese Phase in ihrem Leben zu sprechen. Es beginnt mit der Suche nach ihrem früheren Liebsten, wodurch sich lange zurückgehaltene Gefühle einen Weg bei ihr bahnen. Als Leserin machte Frieda auf mich einen resoluten Eindruck. Manchmal fällt ihre Reaktion meiner Meinung nach recht schroff aus, was sie nicht unbedingt zur Sympathieträgerin macht. Selbst ihr Sohn fühlt sich von ihr undankbar behandelt. Erst nachdem sie ihr jahrelanges Schweigen bricht, nähern sie sich wieder einander an. Bis beinahe zum Ende des Buchs versucht Frieda herauszufinden, was mit dem Kind nach der Geburt geschehen ist, was ich als Lesende auch unbedingt wissen wollte.

Die Erzählung ist mitreißend und feinsinnig erzählt. Sie beschreibt ein historisches Kapitel des Umgangs mit ledigen Müttern, das aus heutiger Sicht kaum zu glauben ist, leider aber zur Realität gehört. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für diesen noch lange nachhallenden Roman. 


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