Rezension von Ingrid Eßer
Titel: Was du siehst
Autorin: Laura Maaß
Erscheinungsdatum: 28.08.2025
Verlag: Gutkind (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783989411067
----------------------------------------------------
Juliane, genannt Jule, und Andreas, den alle nur Andi
nennen, kennen sich von Kindesbeinen an. Später wird „Ich sehe was, was du
nicht siehst“ ihr liebstes Spiel, das sie ihr Leben lang begleitet. Die beiden
sind die Hauptfiguren im Roman „Was du siehst“ von Laura Maaß. Sie wachsen in
einem fiktiven Dorf in der „Griesen Gegend“ im Zonenrandgebiet Mecklenburgs auf.
Die mit Jule hochschwangere Ruth, eine Schneiderin aus dem
Osten Berlins, findet 1967 Unterkunft bei ihrem Onkel in dem kleinen Ort, in
dem auch Andis Eltern leben. Jules Vater ist spurlos verschwunden. Ruth
freundet sich mit Andis Mutter an, daher kennen sich ihre Kinder von klein auf.
Ihre Freundschaft erhält eine neue Bedeutung, als sie heranwachsen. Ihre
Gefühle füreinander zeigen sich in einem ersten Kuss, den sie sich zu der Zeit
geben, in der sie Bewerbungen für Ausbildungsstellen schreiben. Andi möchte Förster
werden. Jules Wunschberuf lässt sich zunächst nicht verwirklichen, doch durch
einen glücklichen Zufall kann sie schließlich Fotografin werden, wie einst ihr
Vater.
Als nach dem Mauerfall eine Ausreise möglich wird, begibt
sich Jule auf eine Suche, um ein Familiengeheimnis aufzudecken. Das Kinderspiel
aus alten Zeiten erhält dabei eine neue Bedeutung und wird zum Titel des Romans.
Farben in vielen Facetten durchziehen die Erzählung und geben den Kapiteln ihre
Überschriften.
Laura Maaß gelingt es, die Charaktere stimmig im Denken und
Verhalten der Zeit ab 1967 darzustellen. Die Ereignisse sind chronologisch erzählt,
wodurch die Entwicklung der Hauptfiguren besonders greifbar wird. Der
Zusammenhalt in der Dorfgemeinschaft ist herzerwärmend. Jede und jeder wird mit
seinen Stärken und Schwächen abgebildet. Die Handlungen der Personen sind
eingebunden in die gesellschaftlichen Umbrüche ihrer Zeit, ohne dass diese sich
in den Vordergrund drängen.
Besonders schön ist es, Jule und Andi über Kindheit und
Jugend hinweg über einen so langen Zeitraum zu begleiten. An ihrer Seite treten
zahlreiche Wegbegleitende, deren eigene Hintergründe kleine Geschichten
innerhalb der Erzählung bilden. An einigen Stellen deutet Laura Maaß die weitere
Entwicklung einer Begebenheit an, was die Tragweite des Geschehenen
unterstützt. Es sind die alltäglichen Dinge und die Sorgen von Menschen, wie
jeder Lesende sie kennt, die an eigene Erfahrungen erinnern und bewegen. Lediglich
der etwas überstürzte Beginn von Jules Suche und deren Länge fand ich eher
weniger glaubhaft.
Mit ihrem Roman „Was du siehst“ zeigt Laura Maaß ihr feines Gespür für Zwischentöne. Glaubwürdige Charaktere und eine lebendige Schilderung von Zeit und Orts verleihen der Geschichte Tiefe und bieten sie zu einer ergreifenden Unterhaltung. Gerne empfehle ich das Buch weiter.