Rezension von Ingrid Eßer
Die in Deutschland geborene und seit langem in New
Hampshire/USA lebende Naturforscherin Sy Montgomery widmet ihr Buch „Tête-à-Tête
mit einer Schildkröte“ ganz den eierlegenden Kriechtieren. Es ist die am
stärksten gefährdete Gattung der Erde.
Gemeinsam mit dem Tierillustrator Matt Patterson hat die
Autorin vor fünf Jahren begonnen, der Turtle Rescue League in Massachusetts ehrenamtlich
zu unterstützen. Für ihre Einsätze mit denen sie auch ihre Recherchen verbunden
hat, nimmt sie in unregelmäßigen Abständen eine zweistündige Autofahrt auf
sich. Es ist nicht die einzige Organisation, die sich der Rettung von
Schildkröten verschrieben hat, über die die Autorin berichtet. Einige Ortsnamen
der Hilfsstationen hat sie geändert, denn Schildkröten sind auf verschiedene
Weise begehrt und deshalb gefährdet.
Die Tiere haben auf dem Schwarzmarkt einen so hohen Wert,
dass die Gefahr einer Entführung besteht. Man sagt Teilen ihres Körpers eine
gewisse Heilfähigkeit zu und das Potential Schönheit zu erhalten. Der Verzehr ihrer
Eier und der ihres Fleisches gilt mancherorts als Delikatesse und aus ihrem Rückenschild
wird Schmuck gefertigt.
Es ist die Geschichte vieler einzelner Schildkröten von
denen Sy Montgomery in ihrem Buch erzählt, aber auch die von den Menschen, die ihnen
helfend zur Seite stehen. Sie beschreibt, wie die Verletzungen der Tiere
entstanden sind, die in der Hilfsstation betreut werden. Neben diesen
bewegenden Einzelschicksalen vermittelt sie immer wieder faszinierendes Wissen.
Die erstaunliche Vielfalt der Arten, ihre sehr unterschiedlichen Größen und
ihre oft hohe Lebenserwartung sind beeindruckend. Sie besiedeln
unterschiedliche Lebensräume.
Sy Montgomery beschreibt den Alltag in der lebendigen Turtle
Rescue League. Dort hilft man den verletzten Tieren mit Fachwissen und Verantwortungsbewusstsein.
Obwohl die Schildkröten Namen erhalten, ist man sich stets bewusst, dass sie nach
ihrer Heilung eines Tages wieder in die Freiheit entlassen werden. Die Autorin dokumentiert
ihren Genesungsweg, weshalb bestimmte Namen im Buch immer wieder genannt werden.
Als Leserin erlebte ich viele emotionale Höhen und Tiefen im nie sicheren
Heilungsprozess. Bei einigen Schildkröten entwickelte sich kein Leben in den
gelegten Eiern. Manche Tiere machten große Fortschritte. Leider gab es auch erwartete
oder plötzliche Todesfälle der erwachsenen Tiere.
Sy Montgomery schreibt in ihrem Sachbuch mitreißend und warmherzig über die vielfältige Welt der Schildkröten und über die Menschen, die sich unermüdlich für sie einsetzen. Über die Webseiten und Instagram-Kanäle der Autorin und der Turtle Rescue League konnte ich als wunderbare Ergänzung einiges zusätzlich in Bild und Ton ansehen und -hören. Ich empfehle das Buch „Tête-à-Tête mit einer Schildkröte“ uneingeschränkt weiter. Es ist ein großes Lesevergnügen das ganz nebenbei reiches Wissen vermittelt.
