Samstag, 31. Mai 2025

Rezension: Perlen von Sian Hughes

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Perlen
Autorin: Sian Hughes
Übersetzerin aus dem Englischen: Tanja Handels
Erscheinungsdatum: 13.05.2025
rezensierte Buchausgabe: Hardcover in Strukturpapier 
mit Hochprägung, Glanzlack und Leseband
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Vater, Mutter, kleine Hand, dunkle Tage, helle Tage – wie Perlen auf einer Schnur reihen sich die Erinnerungen der Ich-Erzählerin Marianne im Debütroman „Perlen“ der Engländerin Sian Hughes, der für den Bookerpreis 2023 nominiert war. Die Autorin erzählt in feinfühliger Sprache die Geschichte eines Verlusts, der ein Leben lang nachhallt.

Niemals hat die etwa vierzigjährige Protagonistin den Tag vergessen, an dem ihre Mutter die Familie verließ und spurlos verschwand. Lediglich verwischte Spuren am nahen Fluss deuten auf ihren Freitod hin. Seither zieht sich die Frage nach dem ‚Warum‘ durch ihr ganzes Leben. Damals war Marianne acht Jahre alt, ihr kleiner Bruder noch ein Baby. Inzwischen ist sie selbst Mutter einer Tochter. Jährlich kehrt sie zum Totengedenken in ihrem Heimatort zurück.

Die ersten Jahre nach dem Verschwinden der Mutter waren keine einfache Zeit für Marianne. Trotz der Mühe ihres Vaters hat sie ständig die Schule geschwänzt. In England scheint es andere Regeln für den Schulbesuch zu geben, denn folgenschwere Konsequenzen ergeben sich nicht aus ihrem Fehltagen. In der Pubertät rebelliert sie auf ihre Weise durch eine vom Vater nicht gern gesehene Freundschaft. Je älter sie wird, desto mehr beginnt sie zu verstehen, welche ihre Beweggründe ihre Mutter eventuell hatte. Ihre Eindrücke manifestieren sich, als sie ein Geheimnis ihrer Eltern aufdeckt.

Gleich zu Beginn des Romans beobachtet Marianne beim Spielen ihrer Tochter eine auffällige realitätsferne Wahrnehmung, woraufhin sie umgehend professionelle Abklärung einholt. Die psychischen Probleme ihrer Mutter sind rückblickend meist nur zu vermuten, denn die Protagonistin schildert sie als liebevoll, fürsorglich und fröhlich. Jedem Kapitel ist ein englischer Kinderreim vorangestellt, oft düster im Inhalt. Sie sind gleich oder ähnlich denen, die Marianne von ihrer Mutter gelernt hat. Als Kind weiß sie nicht, dass ihre Mutter eine Fassade aufrechthält. Ich hätte mir einen Triggerwarnung und einen Hinweis auf Hilfsmöglichkeiten bei psychischen Störungen im Buch gewünscht.

Einfühlsam beschreibt Sian Hughes in ihrem Debüt „Perlen“ den als Kind erlittenen Verlust der Mutter der inzwischen erwachsenen Protagonistin Marianne. Trotz der immer noch lebendigen Erinnerungen hat sie über Schwierigkeiten und Trauer hinweg es geschafft, sich selbst einige Wünsche im Leben zu erfüllen. Durch die Geschichte zieht sich quer ein Band der Wärme und Zuneigung. Gerne empfehle das Buch weiter.


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