Montag, 23. Juli 2018

[Rezension Hanna] Die Hochhausspringerin von Julia von Lucadou


 

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Die Hochhausspringerin
Autorin: Julia von Lucadou
Hardcover: 288 Seiten
Erscheinungsdatum: 23. Juli 2018
Verlag: Hanser Berlin
Link zur Buchseite des Verlags

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In der Zukunft ist Hochhausspringen eine der beliebtesten Leistungssportarten. Die Massen schauen fasziniert zu, wenn eine Sportlerin auf die Absprungplattform tritt. Welche Kunststücke wird sie im Fallen zeigen, und wird sie rechtzeitig vor dem Boden wieder in die Luft abheben? Riva zählte zu den Erfolgreichsten ihrer Sportart, doch eines Tages will sie nicht mehr Springen, sondern sitzt schweigend in ihrer Wohnung. Hitomi ist Psychologin und wird damit beauftragt, Riva wieder auf Spur zu bringen. Sie beobachtet diese über Kameras und instruiert Rivas Freund Aston in Bezug auf Gesprächstaktiken. Als keine Wirkung eintritt, werden ihre Versuche immer drastischer, und ihr eigenes Leben beginnt, ihr aus der Hand zu gleiten.

Wer kennt sie nicht: Videos von wagemutigen Menschen, die sich in Wingsuits Klippen hinunterstürzen oder damit zwischen Hochhäusern entlanggleiten? Diese gefährlichen Aktionen faszinieren schon heute Millionen Zuschauer. Der Schritt, den die Autorin Julia von Lucadou in der von ihr geschilderten Zukunft macht, ist vor diesem Hintergrund gar kein allzu großer. Hier stürzt man sich im freien Fall ein Hochhaus hinunter und macht dabei Kunststücke, um im möglichst letzten Moment dank des Springanzugs wieder in die Luft abzuheben. Das geht nicht immer gut, und dieser Nervenkitzel reizt die Zuschauer im Buch nur noch mehr, zuzuschauen.

Warum die erfolgreiche Riva plötzlich nicht mehr springen will, versteht keiner. Doch der Druck der Investoren, das zu ändern, ist groß, schließlich steckt hinter ihren Aktivitäten ein riesiges Geschäft. Fast alles wird irgendwie gesponsort und vermarktet, das sieht man auch an den ständigen TM-Kennzeichnungen hinter Shows, Apps, Drinks und sogar Motivationssprüchen. Nun überwacht die Psychologin Hitomi Riva aus der Ferne, so wie alles überwacht wird. Kinder wachsen nicht in ihrer Bio-Familie, sondern in Heimen in den Peripherien auf, trostlosen Vororten. Wer einen guten Job will, muss Castings bestehen und wird fortlaufend in Bezug auf seine Gesundheit und Aktivitäten überwacht.

Die Idee einer Welt, in der alles fast nahtlos kontrolliert wird, ist nicht neu. Doch was passiert, wenn jemand nicht mehr funktionieren will? Und was macht das mit einem Menschen, dessen eigenes Schicksal davon abhängt, genau das wieder zu verändern? Die Autorin greift bekannte Ideen auf, verleiht ihnen ihre eigene Note und platziert dieses interessante Szenario hinein. Mit zunehmender Dringlichkeit setzt Hitomi alles daran, bei Riva den Schalter umzulegen, doch kein Plan will funktionieren.

Riva bleibt das passive Objekt öffentlichen Interesses, während der Leser Hitomis Reaktionen verfolgt. Es gibt in dieser perfekten Welt keinen Platz für jemanden, der nicht mehr funktioniert. Und so entwickelt Hitomi eine wachsende Verzweiflung und mit ihr eine Obsession für Riva, die Frau, die sie nur von den Kamerabildschirmen kennt und die mit ihrer stillen Rebellion Hitomi unwissend mit hinunter zieht. Rückblicke in Hitomis Kindheit zeigen parallel, was schon früh passiert, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält. So wird immer klarer, wie strikt das System nicht nur Entwicklung und Aufstieg kontrolliert, sondern auch den Umgang mit allen, die nicht mehr hinein passen. Für mich ist „Die Hochhausspringerin“ ein gelungenes dystopisches Debüt, das auf ein hochaktuelles Thema setzt und ein schleichendes, unausweichlich wirkendes Zerbrechen schildert, das der Leser hautnah miterlebt.
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