Samstag, 30. März 2019

[Rezension] hell/dunkel - Julia Rothenburg

 

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hell/dunkel
Autorin: Julia Rothenburg
Hardcover: 280 Seiten
Erscheinungsdatum: 7. März 2019
Verlag: Frankfurter Verlagsanstalt

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Valerie ist neunzehn und entdeckt kurz nach Schulschluss eine SMS ihrer Mutter. Sie ist ins Krankenhaus gefahren und bleibt über Nacht. Stattdessen erwartet sie zu Hause überraschend ihr vier Jahre älterer Halbbruder Robert. Der ist schon vor einiger Zeit nach Marburg gezogen, um dort eine Ausbildung zu machen, während Valerie in Berlin die Höhen und Tiefen der Krankheit ihrer Mutter begleitet hat. Im Krankenhaus erfahren die beiden, dass die Lage ernst ist: Der Darmkrebs der Mutter ist so weit fortgeschritten, dass sie in Kürze sterben wird. Sie haben beide ein schwieriges Verhältnis zu ihr. Nun müssen sie sich damit auseinandersetzen, wie sie mit der Nachricht umgehen und Abschied nehmen können.

Das erste Kapitel des Buches ist aus der Sicht von Valerie geschrieben, die vom erneuten Krankenhausaufenthalt ihrer Mutter erfährt und kurz darauf ihren Bruder Robert, den sie in Marburg wähnte, in ihrer Wohnung in Berlin vorfindet. Das erste Gespräch zwischen den beiden ist unbeholfen. Robert hat sich schon über den Zustand der Mutter informiert und will ins Krankenhaus fahren, doch Valerie reagiert ausweichend und verweist auf Hausaufgaben, um nicht mitfahren zu müssen.

Valerie begleitet das Auf und Ab ihrer Mutter schon über eine ganze Weile und ihr Verhältnis ist kompliziert. Warum das so ist wird nicht explizit erklärt, man hört aber heraus, dass die Mutter ihren Kindern nicht allzu viel Liebe und Wärme entgegengebracht hat. Mir wurde verständlich gemacht, warum es Valerie so schwer fällt, ein gutes Verhalten für die letzten Tage ihrer Mutter zu finden. Die Nachricht beschäftigt sie sehr, an Schule kann sie nicht denken, doch am Bett ihrer Mutter will sie auch nicht sitzen.

Auch Roberts weiß gerade nicht so recht, wohin mit sich. Seine Ausbildung hat er abgebrochen und mit seiner Freundin, die in Marburg auf ihn wartet deren Verhalten und Ratschläge für ihn gerade zu verständnisvoll sind, will er nicht reden. Stattdessen sitzt er in Berlin, wo er versucht, sich über seine Zukunft klar zu werden und gleichzeitig zu seiner zugeknöpft agierenden Schwester durchzudringen.

Die Kapitel sind abwechselnd aus der Sicht von Valerie und Robert geschrieben, sodass ich mich in beide gut hineinversetzen konnte. Sie stehen im Zentrum des Geschehens, während die sterbende Mutter, deren Vorname nur selten genannt wird genannt wird, als Objekt der Trauer selbst kaum als handelnde Person in Erscheinung tritt. In poetischer Sprache wird geschildert, wie jeder der beiden auf seine Weise mit dem nahenden Abschied umgeht.

Das Verhältnis der Halbgeschwister zueinander wandelt sich in Laufe des Buches. Sie überschreiten beim Versuch, einander Halt zu geben, schließlich eine Grenze. Diese Entwicklung kam für mich überraschend und dominiert in der zweiten Buchhälfte über weite Teile die Handlung. Die beiden kapseln sich ab, nicht nur in Richtung Umfeld, sondern auch in Richtung Leser, sodass ich das Gefühl hatte, nicht mehr ganz an sie heranzukommen.

Behutsam schildert die Autorin das Innenleben der Protagonisten, ihre Zweifel, Sorgen und Hoffnungen. Mich konnte das Buch berühren und nachdenklich stimmen. Ein gelungener Roman über zwei ungleiche Geschwister und ihre Suche nach einem Weg, um mit ihrer Trauer und dem nahenden Verlust umzugehen.
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