Donnerstag, 27. Februar 2020

Rezension: Rote Kreuze von Sasha Filiipenko



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Rote Kreuze
Autor: Sasha Filipenko
Übersetzerin: Ruth Altenhofer
Hardcover: 288 Seiten (Buch zeigt das Leseexemplar)
Erschienen am 26. Februar 2020
Verlag: Diogenes

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Alexander ist gerade mit seiner drei Monate alten Tochter in seine neue Wohnung in Minsk gezogen, als er ein rotes Kreuz auf seiner Wohnungstür findet. Als er es entfernen will, wird er von seiner Nachbarin angesprochen, die es dort angebracht hat. Bei Tatjana ist Alzheimer diagnostiziert worden, und sie nutzt die Kreuze, um nach Hause zu finden. Bislang ist vor allem ihr Kurzzeitgedächtnis betroffen, während sie sich noch gut an ihre Vergangenheit erinnert, von der sie Alexander berichtet.

Tatjana wurde 1910 in London geboren, zog 1919 aber mit ihrem Vater in dessen Heimat Russland zurück. Dort studierte sie und erhielt schließlich eine Arbeitsstelle im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten, wo sie für die Dokumente zuständig war. Mit dem Zweiten Weltkrieg brachen für sie düstere Zeiten an. Ihr Mann zog in den Krieg, und schon kurz darauf hörte sie nichts mehr von ihm. Doch das war erst der Beginn von Tatjanas persönlichem Leidensweg, auf dem sie die Willkür unter Stalins Herrschaft deutlich zu spüren bekam.

Der Einzug von Alexander in seine neue Wohnung in Minsk und das Entdecken des roten Kreuzes auf seiner Tür gibt der Geschichte einen Rahmen. Schon nach wenigen Seiten beginnt Tatjana mit ihrer Erzählung, welche den Großteil des Romans ausmacht. Das Erzähltempo ist zügig und stringent, sodass ich ihr mühelos in die Vergangenheit folgen konnte. Ihr fiktives Schickal steht exemplarisch für das vieler russischer Frauen zu jener Zeit.

Indem der Autor Tatjana im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten arbeiten lässt, kann er einige Originaldokumente aus jener Zeit in die Handlung einfügen, die im Roman durch ihre Hände gehen. Dass viele Menschen zur Zeit Stalins in Russland mehr oder weniger willkürlich verhaftet wurden war mir nicht neu, die Haltung Russlands zu Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg jedoch schon. Die entsprechende Korrespondenz zum Thema fand ich interessant und beklemmend. Hier sind auch Briefe des Internationales Komittees vom Roten Kreuz abgedruckt, was der zweite von drei Gründen für die Titelwahl ist.

Rund um diesen wahren Kern entrollt sich Tatjanas emotionale und berührende Geschichte, die kein gutes Ende hat und bei der ich genauso gebannt zuhören musste wie Alexander. Auch dieser befindet sich in einer schwierigen Situation, über die man in Tatjanas Erzählpausen mehr erfährt. Zum Ende hin gibt es noch einige überraschende Erkenntnisse, welche die Geschichte gelungen abrunden.

„Rote Kreuze“ ist ein Roman, der von der ersten Seite an mein Interesse geweckt hat und der noch eine Weile in mir nachhallen wird. Hier treffen zwei Menschen mit ungewöhnlichen Lebensgeschichten aufeinander, deren Schicksal mich berührt hat und die trotz allem, was sie erlebt haben, die Kraft zum Weitermachen gefunden haben. Durch den wahren Kern der Geschichte schafft Sasha Filipenko einen wichtigen Beitrag gegen das Vergessen. Ich gebe eine klare Leseemfpehlung!
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