Mittwoch, 21. Oktober 2020

Rezension: Die vergessene Heimat von Deana Zinßmeister

 


Titel: Die vergessene Heimat - Roman nach einer wahren Geschichte
Autorin: Deana Zinßmeister
Erscheinungsdatum: 21.09.2020
rezensierte Buchaugabe: Taschenbuch mit Klappen
ISBN: 9783442491001

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Den Roman „Die vergessene Heimat“ hat Deana Zinßmeister angelehnt an die Geschichte ihrer eigenen Familie geschrieben. Sie wusste, dass ihre Eltern Leni und Ernst mit weiteren Verwandten im August 1961, als in Berlin mit dem Mauerbau begonnen wurde, aus der damaligen Deutschen Demokratischen Republik geflohen sind. Doch die Einzelheiten waren der Autorin bis zur Erkrankung ihres Vaters Jahre später nicht bekannt, weil aufgrund der auch weiterhin bestehenden Angst vor der Stasi wenig darüber gesprochen wurde.

Der Titel deutet nicht nur darauf hin, dass die Ereignisse durch aktuelles Zeitgeschehen in den Hintergrund rückten, sondern vor allem weist er auf die Demenzerkrankung von Ernst hin, die über 50 Jahre nach der Flucht offensichtlich wird. Er war seit jeher ein guter Geschichtenerzähler, durch Auslandtätigkeiten hatte er viel erlebt. Aber nun verfängt er sich innerhalb kurzer Zeit in eine Welt, in die ihm niemand folgen kann und die auf Außenstehende einen abstrusen Eindruck vermittelt. Durch Nachfragen der Tochter werden ihr immer mehr Einzelheiten über die damalige Flucht bekannt.

Sehr gekonnt wechselt Deana Zinßmeister zwischen den Geschehnissen im Jahr 1961 und den aktuellen Ereignissen rund um die Krankheit des Vaters. Es scheint, dass die Autorin darum in die Rolle ihrer Figur, der Kochbuchautorin Britta Hofmeister, schlüpft, um den nötigen Abstand zu dem selbst Erlebten zu erhalten. Doch es ist deutlich spürbar wie tief ihre Verzweiflung ist aufgrund ihrer Hilflosigkeit gegen das Leiden ihres Vaters. Sie beschönigt nichts, nicht die Schwere und den unaufhaltsamen Fortschritt der Krankheit und auch nicht die zunehmende Belastung der Familie bei der Pflege bis hin zum Für und Wider der Unterbringung des Vaters in einem Heim. Da ich als junge Frau etwas ähnliches in meiner Familie erlebt habe, rührte die Erzählung meine Erinnerung daran wieder auf. Die Gefühle von Britta konnte ich dadurch sehr gut nachvollziehen. Die Autorin erzählt absolut authentisch, mit sehr viel Einfühlungsvermögen. Ich habe bewundert, wie viele Engagement sie dafür eingesetzt hat, die Krankheit zu verstehen.

Auch die Geschehnisse der Flucht sind bewegend und ungewöhnlich. Es ist eine unterschwellige Spannung spürbar. Ich hoffte darauf, dass alle Personen der Gruppe, die fliehen wollten, die innerdeutsche Grenze unbeschadet überwinden würden. Auch hier sind die Bedenken und die Ängste der Republikflüchtlinge realistisch und glaubhaft dargestellt. Interessant waren auch die Einblicke in das Notaufnahmelager Marienfelde.

„Die vergessene Heimat“ ist ein aufwühlender Roman, einerseits über das Empfinden der Menschen in den Tagen des Mauerbaus in Berlin und über die damit verbundene Flucht aus der DDR sowie andererseits über die emotionale Beschreibung einer Demenzerkrankung in der jetzigen Zeit. Die ineinander verwobenen Geschichten sind umso intensiver zu erleben, weil sie auf wahren Begebenheiten in der Familie der Autorin beruhen. Ich finde es einen mutigen Schritt, dass Deana Zinßmeister diese wichtigen, beeindruckenden Geschichten mit ihren Lesern teilt und empfehle das Buch sehr gerne weiter.


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