Samstag, 26. Juli 2025

Rezension: Die Meerjungfrauen von Aberdeen von Ben Aaronovitch


Die Meerjungfrauen von Aberdeen
Autor: Ben Aaronovitch
Übersetzerin: Christine Blum
Broschiert: 416 Seiten
Erschienen am 10. Juli 2025
Verlag: dtv
Link zur Buchseite des Verlags

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In Aberdeen scheint eine mysteriöse Großkatze unterwegs zu sein, die Schafe reißt. Diese Nachricht veranlasst Peter Grant, gemeinsam mit Nightingale, Abigail und Abdul anzureisen, um auf die Jagd zu gehen. Mit von der Partie sind außerdem Peters Partnerin Beverley, seine Zwillingstöchter, seine Eltern und die Jazztruppe seines Vaters – allesamt in Urlaubsstimmung. Während ein Teil der Truppe sich bald auf Pumajagd befindet, wird Peter ins Leichenschauhaus gerufen. Dort liegt ein Mann mit Kiemen, der kurz vor seinem Tod einem Betrunkenen alle Kleider geklaut hat. Schon bald laufen die Ermittlungen auf Hochtouren und führen Peter zu Wesen aus dem Meer und aus anderen Dimensionen.

Nach zwei schmaleren Story-Büchern und drei Jahren ist endlich ein neuer Fall für Peter Grant erschienen! Meine Erinnerung an die vorherigen Bände ist schon etwas verblasst, was aber nicht so schlimm war, da der neue Fall nicht in London spielt, sondern alle wichtigen Charaktere nach Aberdeen reisen. In der Küstenstadt ist die Magie eng mit dem Meer verwoben, wodurch ich wieder neue Aspekte der magischen Welt kennenlernte.

Beim vorherigen Roman habe ich kritisiert, dass Abigail kaum in Erscheinung tritt, da ich ein großer Fan von ihr bin. Diesmal kam ich in dieser Hinsicht voll auf meine Kosten. Es gibt zwei Handlungsstränge, die abwechselnd erzählt werden und später miteinander verbunden werden. Peter ermittelt in einem Mordfall, während sich Abigail auf Großkatzenjagd befindet. Auch die Füchsin Indigo durfte mit und nimmt Kontakt zu den ansässigen Füchsen auf, sodass es viel unterhaltsamen Fuchscontent gibt. 

Wer die Bücher aus der Welt von Peter Grant mag, für den ist „Die Meerjungfrauen von Aberdeen“ eine gelungene Ergänzung, in der alles vorhanden ist, was das Fanherz begehrt: Ein spannender Mordfall, sympathische Fae, wilder abstruser Sch* und echte Bösewichte, denen das Handwerk gelegt werden muss. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass es seit dem Abschluss der Story rund um den Gesichtslosen keine richtige übergreifende Handlung mehr gibt und sich ein Fall lose an den nächsten reiht – mal dünn als Story, mal dick als Roman. Ich bleibe der Reihe treu und freue mich schon auf weitere Abenteuer!


Mittwoch, 23. Juli 2025

Rezension: Wohin du auch gehst von Christina Fonthes

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Wohin du auch gehst
Autorin: Christina Fonthes
Übersetzerin aus dem Englischen: Michaela Grabinger
Erscheinungsdatum: 23.07.2025
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783257073553
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In ihrem eindrucksvollen Debütroman „Wohin du auch gehst“ erzählt die in Kinshasa geborene und heute in London lebende Autorin Christina Fontes die bewegende Geschichte von Bijoux und ihrer Tantine Mireille, die als Kind Mira gerufen wurde. Zugleich schließt sie die bewegte Vergangenheit des afrikanischen Staates Kongo mit ein. Die Kapitel wechseln zwischen den beiden Protagonistinnen, wobei Bijoux aus der Ich-Perspektive erzählt und die Geschehnisse rund um Mireille von einem allwissenden Erzähler beschrieben werden.

Mira ist neun Jahre alt, als ihr Vater 1974 beruflich aufsteigt und die Familie in ein deutlich größeres Haus in einen anderen Stadtteil von Kinshasa umzieht. Wenig später sieht sie auf der Heimfahrt nach einem Restaurantbesuch eine Szene am Straßenrand, bei der eine Frau für gleichgeschlechtliche Liebe grausam bestraft wird. Sie wird sie nie wieder loslassen und ihr weiteres Leben prägen.

Dreißig Jahre später lebt Mira in einer Sozialsiedlung in London als Diakonin einer evangelikalen Kirche. Vor nunmehr zwölf Jahren wurde Bijoux von Miras Schwester Eugenie, einer verheirateten Ärztin, nach London gebracht, um dort bei der ihr bisher unbekannten Tantine Mireille zu wohnen. Inzwischen arbeitet Bijoux als Angestellte in einer Anwaltskanzlei gefunden und ist verliebt in eine Frau, die sich von ihr wünscht, gemeinsam mit ihr nach New York zu ziehen. Doch Mireille und einigen Angehörigen der Kirche erwarten von ihr, dass sie den ebenfalls aus Kongo stammenden Fabrice heiratet.

Bijoux steht an einem Scheideweg in ihrem Leben. Sie ist geprägt von ihren afrikanischen Wurzeln. Im Kongo gelten patriarchale Familienstrukturen. Trotzdem hat sie sich schon oft nach Kinshasa zurückgewünscht. Demgegenüber erlebt sie in London eine liberalere und aufgeschlossenere Gesellschaft. Die Religiosität ihrer Tantine setzt ihr Grenzen, aber die kirchliche Gemeinschaft gibt ihr gleichzeitig Zugehörigkeit und Halt. Inmitten der widersprüchlichen Einflüsse stellt Bijoux sich Fragen nach der Gestaltung ihrer Zukunft und mit wem sie sie gemeinsam verbringen möchte. Zwischen der Loyalität gegenüber ihrer Familie und persönlicher Freiheit beginnt sie nach einem Weg zu suchen, der ihr gerecht wird und von anderen respektiert wird. 

Während ihres Aufenthalts in London erfährt Bijoux nur wenig über die Vergangenheit ihrer Tantine. Erst als die Ereignisse sich zum Ende hin zuspitzen, eröffnet sich für die junge Protagonistin ein tieferes Verständnis für Mireilles Handlungen und Ansichten, ermöglicht durch Einblicke in deren Kindheit und Jugend in Kinshasa, die ich als Leserin mit wachsender Faszination über die Kapitel hinweg verfolgen konnte. Sie trägt über viele Jahre hinweg ein Geheimnis mit sich, dass Christina Fonthes in ihrem Roman geschickt zu verbergen versteht. Es gelingt der Autorin sehr gut, kulturelle Unterschiede zwischen kongolesischer und britischer Mentalität herauszuarbeiten.

Der Titel des Romans „Wohin du auch gehst“ von Christina Fonthes verweist auf das Versprechens stets einander zu folgen, dass sich die Protagonistin Bijoux und ihre Partnerin geben. Ob ihnen dies gelingt, erfährt der Lesende nach einer Achterbahn der Gefühle. Liebe, Vergeltung, Scham, Angst und Verlust sind nur einige der Emotionen, die die Autorin in ihrer berührenden Geschichte verarbeitet hat. Die Handlung ist vielschichtig mit unerwarteten Wendungen und fesselnd bis zum Schluss. Sehr gerne vergebe ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung.



Rezension: Himmel ohne Ende von Julia Engelmann

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Himmel ohne Ende
Autorin: Julia Engelmann
Erscheinungsdatum: 23.07.2025
rezensierte Buchausgabe: Leseexemplar
ISBN: 9783257073232

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Im Roman „Himmel ohne Ende“ von Julia Engelmann dreht sich alles um Freunde und Freundschaften. Die Handlung spielt Mitte der 2000er Jahre. Im Fokus steht die fünfzehnjährige Ich-Erzählerin Charlotte, die von allen nur Charlie genannt wird. Sie ist das einzige Kind ihrer alleinerziehenden Mutter, mit der sie zusammenlebt. Charlies Vater hat seine Familie vor einigen Jahren verlassen und dadurch eine gravierende Lücke hinterlassen. Gerlade erlebt Charlie einen weiteren schmerzlichen Einschnitt, denn ihre beste Freundin hat sich von ihr abgewendet und sich mit einer Klassenkameradin angefreundet.

Charlie spürt selbst, dass sie sich verändert. Sie empfindet sich als zu still und findet ihr Verhalten im Vergleich zu Gleichaltrigen oft seltsam. In ihrem Umfeld fällt auf. Dass sie eigentlich nie lacht. Gedanken, die sie selbst als unsinnig erkennt, kreisen unaufhörlich in ihrem Kopf und lassen sich nicht verdrängen. Sie betrachtet ihr Leben häufig wie von außen und stellt sich grundlegende Fragen: Warum bin ich so, wie ich bin? Wie kann ich zu der werden, die ich sein möchte?

Dann geschehen kurz nacheinander Unerwartetes: Ihre Mutter lernt einen neuen Lebenspartner kennen und zu Beginn des neuen Schuljahrs nach den Sommerferien bekommt die Klasse den neuen Mitschüler Pommes, der eigentlich Kornelius heißt. In Gesprächen mit ihm erkennt Charlie, dass er ihre Gefühle erstaunlich gut nachempfinden kann. Mit ihm findet sie jemanden, mit dem sie offen über ihre Wünsche, Ängste und Sorgen reden kann. Pommes birgt ein Geheimnis, dass teilweise erklärt, warum er Charlie so gut versteht. Trotz des schnell wachsenden Vertrauens zwischen ihnen ist ihre Freundschaft nicht frei von Konflikten. Doch gerade durch diese Höhen und Tiefen beginnt Charlie sich selbst besser zu verstehen und emotional zu wachsen.

Julia Engelmann hat das Alter ihrer Protagonistin bewusst gewählt, denn sie begleitet Charlie einfühlsam auf dem Weg dahin, ihre Gefühle in Worte zu fassen und sich mitzuteilen, was ein wichtiger Schritt zur Selbstfindung ist. Im Titel spiegelt sich die Unendlichkeit der Gedankenwelt wider, mit denen Jugendliche sich beschäftigen, wenn sie ihren Platz im Leben suchen. Vielfach blitzt die schöne poetische Sprache auf, für die die Autorin bereits in ihren Lyrikbänden und Poetry Slam Beiträgen bekannt geworden ist.

„Himmel ohne Ende“ von Julia Engelmann ist ein feinfühlig erzählter Coming-of-Age-Roman, der sowohl Jugendliche als auch Erwachsene anspricht. Junge Lesende finden darin Parallelen zu ihrem eigenen Leben, während sich Ältere beim Lesen an ihre Jugend zurückerinnern werden. Gerne empfehle ich das Buch weiter.


Dienstag, 22. Juli 2025

Rezension: A Taste of Cornwall: Eine Prise Liebe von Katharina Herzog


A Taste of Cornwall: Eine Prise Liebe
Autorin: Katharina Herzog
Broschiert: 368 Seiten
Erschienen am 15. Juli 2025
Verlag: Rowohlt Polaris
Link zur Buchseite des Verlags

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Sophie Dubois lebt in London und hat ehrgeizige Ziele: Als eine der bekanntesten Restaurantkritikerinnen möchte sie eine eigene Fernsehshow übernehmen. Am Tag der Restauranteröffnung des Models Annabelle Scott überstürzen sich bei ihr privat die Ereignisse. Emotional aufgeladen streitet sie mit der Gastgeberin und schreibt danach einen Verriss, der einen Shitstorm gegen ihre Person auslöst. Daraufhin schlägt ihr Chef ihr einen längeren Urlaub vor, in welchem sie beweisen soll, was sie im Streit behauptet hat: Dass sie selbst ein Spitzenrestaurant eröffnen kann. In dem kleinen Hafenort Port Haven in Cornwall übernimmt sie das Smuggler's Inn, dessen verstorbener Besitzer ganz besondere Auflagen hinterlassen hat. Sie darf nicht modernisieren und muss zudem das gesamte Personal übernehmen. Zähneknirschend fügt sich Sophie in ihr Schicksal. Wird sie dem Pub zu neuem Glanz verhelfen können?

Ich habe die Reihe rund um das kleine Bücherdorf von Katharina Herzog sehr gerne gelesen und war gespannt, in dieser neuen Reihe literarisch nach Cornwall zu reisen. Bevor es an die Küste geht lernte ich Sophie zunächst in ihrer bisherigen Heimat in London kennen. Dort nistet sich ihre Mutter bei ihr ein, nachdem sie aus ihrer Seniorenresidenz geflogen ist und ihre Tochter hat Schwierigkeiten in der Schule. Sophies emotionaler Stress entlädt sich in einem Verriss von Annabelle Scotts Restaurant und dem darauffolgenden Shitstorm. Aus meiner Sicht war der Verriss nicht so schlimm geschrieben, dass es die darauf folgenden Reaktionen rechtfertigt hätte – Restaurantkritiker dürfen sich doch auch mal negativ äußern?! Aber es ist schließlich das Mittel zum Zweck, um Sophie nach rund 80 Seiten nach Cornwall zu bringen.

In Port Haven erwarteten mich als Leserin eine bunte Mischung an Charakteren, die alle ihre Eigenheiten haben, die ich aber bald in Herz geschlossen habe. Sophie stößt mit ihren Ideen zunächst auf Ablehnung und ich war neugierig, ob sie das Ruder herumreißen kann. Immer wieder gibt es Zeitsprünge von einigen Wochen, durch welche die Geschichte in zügigem Tempo vorankommt. Ich hatte aber häufiger das Gefühl, dass große Probleme zu einfach und schnell gelöst wurden. Es gibt auch eine Liebesgeschichte, die allerdings recht wenig Platz einnimmt. Dafür erhalten auch Sophies Mutter und Tochter, die mit nach Cornwall gereist sind, Raum für ihre eigenen Erlebnisse vor Ort. Sophie macht charakterlich eine große Entwicklung durch, die zu verfolgen ich schön fand. Wer Lust auf einen Wohlfühlroman mit kulinarischen Thema an der Küste Cornwalls hat, für den ist dieser Reihenauftakt das Richtige!

Montag, 21. Juli 2025

Rezension: Der Krabbenfischer von Benjamin Wood

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Der Krabbenfischer
Autor: Benjamin Wood
Übersetzer aus dem Englischen: Werner Löcher-Lawrence
Erscheinungstermin: 15.07.2025
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Leseband
ISBN: 97837558ßß613
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Benjamin Woods nahm mich als Leserin in seinem Roman „Der Krabbenfischer“ mit zurück in die 1960er Jahre. Thomas Flett ist sein Protagonist und gleichzeitig die Titelfigur der Geschichte. Er ist zwanzig Jahre alt, lebt in einer kleinen englischen Stadt am Meer und hat das Handwerk des Krabbenfischens bereits als Schüler von seinem inzwischen verstorbenen Großvater gelernt. Mit Pferd und Wagen zieht er an jedem Morgen, manchmal sogar ein zweites Mal am Tag, bei Niedrigwasser Netze durchs Watt, um Krabben zu fangen. Die körperlich anstrengende Tätigkeit zehrt an ihm, Es ist eine mühselige Arbeit, die gerade genug einbringt, um sich und seiner Mutter das Überleben zu sichern.

Während andere Krabbenfänger längst motorisiert arbeiten, fehlt Thomas das Geld für moderne Technik. Die Motivation für seine Tätigkeit nimmt zusehends ab. Bisher hat er sich nicht getraut, einer jungen Frau Avancen zu machen, obwohl er sich zu der Schwester eines Freunds hingezogen fühlt.  

Seit einiger Zeit hat ein gesteigertes Interesse daran entwickelt, selbst Musik zu machen. Doch er glaubt nicht daran, dass sich sein Hobby dafür geeignet, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Vor seiner Mutter hält er sein musikalisches Interesse geheim. Seinen Vater hat er nie kennengelernt. In ihrer Gegenwart traut er sich nicht aufzubegehren. In all den Jahren hat sie ihm den Haushalt geführt, Regeln gesetzt und ihm Antrieb gegeben. Ohne zu hinterfragen, hat er sich ihrem Willen stets gefügt.

Das Leben von Thomas scheint in festgefahrenen Bahnen zu verlaufen, bis eines Tages ein erfahrener Regisseur bei ihm zu Hause vorspricht, um seine Expertise in Bezug auf Kenntnisse im Watt einzuholen und dafür eine hohe Bezahlung bietet. Für ihn öffnet sich dadurch eine Pforte in eine Welt, von der er bisher nicht wusste, welche Möglichkeiten sie für ihn bereithält. Benjamin Wood gelingt es eindrucksvoll, die innere Zerrissenheit seines Protagonisten und dessen Loyalität gegenüber seiner Familie herauszuarbeiten. Seine detailreichen Beschreibungen der Natur lassen das Meer und den Strand im Kopf entstehen und man glaubt, die Gerüche einzuatmen und Geräusche zu hören. Von Beginn an hofft man für Thomas, dass er es schafft, aus der Enge seines Alltags auszubrechen und sich selbst zu verwirklichen.

„Der Krabbenfischer“ von Benjamin Wood ist eine leise, aber tief berührende Geschichte über zu ergreifende Chancen im Leben, die der Autor ruhig, aber nie langweilig mit einer Spur magischen Realismus erzählt und am Schluss mit einer unerwarteten Wendung überrascht. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

Dienstag, 15. Juli 2025

Rezension: Furye von Kat Eryn Rubik

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Furye
Autorin: Kat Eryn Rubik
Erscheinungsdatum: 15.07.2025
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783832181949
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Die Protagonistin des Debütromans „Furye“ von Kat Eryn Rubik ist 38 Jahre alt, erfolgreiche Managerin in der von Männern dominierten Neoklassikbranche, Single, kinderlos und kurz vor dem Burnout. Ihren realen Namen erfährt man nicht. Ebenso bleibt der Ort unbenannt, an dem sie lebt. Nachdem ein Herzenswunsch von ihr für immer zerplatzt zu sein scheint, begibt sie sich auf eine Reise in den Süden ans Meer. Die Schriftart lässt den Lesenden erkennen, ob die Handlung in der Gegenwart oder der Vergangenheit spielt.

Das Ziel der Hauptfigur ist die Stadt, in der sie aufgewachsen ist. Dort begibt sie sich auf die Spuren ihrer Vergangenheit. Vor etwa zwanzig Jahren hat sie alles zurückgelassen, was ihr in diesem letzten heißen Sommer vor Ort wichtig gewesen ist. Damals hat sie sich mit dem beiden mit ihr befreundeten Mitschülerinnen „Die Furien“ genannt, weil sie entsprechend der Vorbilder aus der griechischen Mythologie Rache üben wollten an denen, die es ihrer Meinung nach verdient haben. Von diesem Moment an bezeichnet sie sich mit der Kurzform des Namens ihrer Heldin als Alec. Ihre Freundinnen nennen sich Tess und Meg. Sie kommen  aus gut betuchtem Hause, haben aber gestörte Verhältnisse zu ihren Eltern.

Alec ist die Tochter von Migranten, deren akademische Qualifikationen im neuen Heimatland keine Anerkennung erhalten. Beim Lesen wird die soziale Ungleichheit immer wieder deutlich. Dennoch haben die Freundinnen ein offenes Verhältnis zueinander gefunden, bei dem sie die verschiedenen Probleme im jeweiligen im Elternhaus nicht verschweigen, sondern diskutieren und dadurch einander helfen, indem sie füreinander da sind. Alec erhält besonders von Meg Unterstützung. Von ihr kann sie sich auch zu bestimmten Anlassen, Kleidung borgen, leistet ihr im Gegenzug aber manch einen Gefallen. Während Tess als ruhender Pol erscheint, nimmt Meg kein Blatt vor den Mund, ist impulsiv und echauffiert sich für Gerechtigkeit auf vielen Ebenen. Wie sich letztlich zeigt, macht Geld alleine allerdings nicht immer glücklich.

Zu Alecs intensivsten Erinnerungen gehört jedoch nicht nur die gemeinsam erlebte Zeit mit Meg und Tess, sondern auch ihre Beziehung zu dem von ihr umschwärmten, ein Jahr älteren Romain. Es war für mich als Leserin schwierig einzuordnen, ob er ehrlich an Alec interessiert ist oder sie nur eine nette Abwechslung für ihn ist. Romain wirkt charmant, empathisch und zugewandt, offenbart jedoch im späteren Verlauf Seiten, die nachdenklich stimmen.

Alec hat in ihrer Jugend eine folgenreiche Entscheidung getroffen. Es bleibt nicht das einzige Geheimnis im Roman. Nicht nur das gut verborgene Unausgesprochene lässt eine hintergründige Spannung aufkommen. Es ist ebenso faszinierend, Alec auf den Spuren ihrer Vergangenheit zu folgen und zu erfahren, welche ihrer früheren Bekanntschaften noch in ihrer alten Heimat am Meer leben und ob die Gegend noch so ist, wie sie sie in Erinnerung hats. 

„Furye“ ist ein eindrucksvolles Debüt von Kat Eryn Rubik über einen länger zurückliegenden, aber prägenden Sommer voller schmerzlicher wie auch schöner Erfahrungen, deren Nachwirkungen die Protagonistin bis in die Gegenwart begleiten. Es handelt von Herkunft, Identitätssuche, Erwartungen und die Frage, inwieweit der Lebensweg von äußeren Umständen und eigenen Überzeugungen bestimmt wird. Die dramatischen Ereignisse sind berührend und bleiben im Gedächtnis. Sehr gerne empfehle ich dieses bewegende Buch weiter.

Freitag, 11. Juli 2025

Rezension: Bury Our Bones in the Midnight Soil von V.E. Schwab


Bury Our Bones in the Midnight Soil
Autorin: V.E. Schwab
Übersetzerinnen: Petra Huber und Sara Riffel
Hardcover: 688 Seiten
Erschienen am 25. Juni 2025
Verlag: FISCHER Tor
Link zur Buchseite des Verlags

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Im Jahr 1529 in Spanien heiratet María einen Vizconde, um ihrer kleinen Stadt zu entkommen. Doch sie muss feststellen, dass sie nur einen Käfig gegen einen anderen getauscht hat. Als sie die geheimnisvolle Witwe Sabine trifft, die ihr die Chance bietet, auszubrechen, ergreift sie diese ohne zu zögern. Rund dreihundert Jahre später tut Charlotte in London dasselbe. Keine Wahl hat hingegen Alice, die 2019 in Boston nach einem One Night Stand aufwacht und feststellt, dass ihr Herz nicht mehr schlägt und sie sich nur noch von Blut ernähren kann.

Mit der Villains-Dilogie und dem Roman über Addie LaRue hat die Autorin bereits bewiesen, dass sie spannende Geschichten über (fast) unsterbliche Charaktere schreiben kann. In ihrem neuen Roman stehen nun direkt drei starke Frauen im Mittelpunkt, die in verschiedenen Jahrhunderten geboren sind. Ihre Schicksale sind dennoch eng miteinander verbunden, denn sie alle sind gestorben und existieren als Blutsaugerinnen weiter. Oder um es poetischer entsprechend des Titels zu formulieren: Ihre Knochen wurden in die Mitternachtserde gepflanzt.

Ich lernte alle drei Frauen zunächst kurz kennen, bevor ich tiefer in Marías Geschichte eintauchte. Die Autorin nimmt sich Zeit, zu schildern, wie sie zur Vampirin wurde und was sie aus diesem neuen Dasein gemacht hat. Dazwischen springt der Roman immer wieder zu Alice, die versucht herauszufinden, was mit ihr nicht stimmt. Das fehlende Bindeglied ist Lottie, über die erst ich erst später im Roman mehr erfahren sollte. Alle drei Frauen besitzen eine innere Stärke und den Willen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Auch ihre Liebe zu Frauen eint sie. Gleichzeitig sind ihre Vorstellungen, wie man ein Leben als Vampirin gestalten sollte, ganz verschieden. 

Bald war ich mittendrin in der Jahrhunderte überspannenden Geschichte, in der ein Puzzlestück nach dem anderen an seinen Platz fällt und enthüllt, was die drei Frauen verbindet. Für meinen Geschmack hätte Marías Geschichte etwas straffer erzählt werden dürfen, während es mir bei Lottie zu schnell ging. Außerdem tat ich mich schwer damit, Lotties Entscheidungen nachzuvollziehen. Dank des packenden Schreibstils flog ich durch die Seiten. Zum Ende hin gibt es einen dramatischen Showdown, der das Buch gelungen abrundet. Fans von Vampirromanen sollten sich diesen queeren, emotionalen, blutigen und spannenden Roman nicht entgehen lassen! 

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