Freitag, 1. August 2025

Rezension: Onigiri von Yuko Kuhn


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Onigiri
Autorin: Yuko Kuhn
Erscheinungsdatum: 22.07.2025
Verlag: Hanser Berlin (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783446283114
----------------------------------------------------------------------

 In ihrem Debütroman „Onigiri“ (dt: Reisbällchen nach japanischem Rezept) erzählt Yuko Kuhn die fiktive Geschichte von Aki und ihrer Familie. Aki ist um die vierzig, verheiratet und Mutter von drei Kindern. Ihr Vater ist Deutscher, ihre Mutter Keiko wurde in Japan geboren und ist dort aufgewachsen. Keiko vergisst zunehmend Dinge, weswegen sie seit geraumer Zeit in einem Wohnstift lebt. Die Nachricht vom Tod ihrer über hundert Jahre alten Großmutter in Japan erreicht Aki spät, weil der Kontakt zur mütterlichen Verwandtschaft inzwischen abgebrochen ist. Doch Aki hat Fragen. Zwar war sie einige Male in der Heimat ihrer Mutter und kennt die Umstände, unter denen diese einst als Lehrerin nach Deutschland gekommen ist. Dennoch versteht sie nicht ganz, wieso Keiko so ist wie sie ist. Sie schlägt ihr eine mehrtägige Reise zum Bruder nach Kobe vor auf der sie sie begleiten möchte.

Der Roman besteht zu einem großen Teil aus Erinnerungen von Aki. Sie schildert Szenen aus ihrer Kindheit und Jugend, die sich nicht nur in ihrem Elternhaus abspielen, sondern auch im Haus der Großmutter in Japan und bei den deutschen Großeltern. Die Liebesgeschichte ihrer Eltern findet ebenfalls ihren Platz, soweit Keiko ihr davon erzählt hat. Die Ehe scheiterte nach einigen Jahren und Aki blieb bei ihrer Mutter. Aki erinnert sich auch an die Schilderungen ihrer Eltern über die eigene Jugendzeit.

Feinsinnig arbeitet Yuko Kuhn aus dem Mosaik dieser Rückblicke kulturelle Unterschiede zwischen Deutschen und Japanern heraus. Auch ihre Wurzeln liegen in Japan, wodurch sie eigene Erfahrungen einbringen kann. Die Verwendung von japanischen Begriffen, von denen die meisten in einem Glossar am Buchende übersetzt werden, tragen zu einer authentische Atmosphäre bei. Zudem wird deutlich, welche hohen Erwartungen ein Elternhaus an ein Kind stellen kann und welche inneren Konflikte und Herausforderungen dadurch bei der persönlichen Zukunftsgestaltung möglich sind..

Die Autorin zeigt verschiedene Ausdrucksformen von Liebe, die sich nicht immer in Gesten und Worten äußern. Dadurch wirkt der Roman stellenweise zurückhaltend, aber gerade darin liegt seine Tiefe. Auf ihrer gemeinsamen Reise nach Japan finden Keiko und Aki eine besondere Verbindung zueinander.

Das Debüt „Onigiri“ von Yuko Kuhn erfordert aufmerksames Lesen, denn Akis Erinnerungen sind nicht chronologisch geordnet, sondern setzen sich wie Puzzlestücke zum größeren Bild zusammen. Wer sich darauf einlässt, wird mit einer berührende Geschichte belohnt, die sich zwischen zwei Kulturen bewegt und die Welten schildert, in denen Aki lebt: ihre eigene, die ihrer Mutter und die gegensätzliche der beiden Großelternpaare. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für diesen interessanten, einfühlsam geschriebenen Roman. 

-->