Sonntag, 7. September 2025

Rezension: Katabasis von R.F. Kuang


Katabasis
Autorin: R.F. Kuang
Übersetzerinnen: Alexandra Jordan und Heike Franck
Hardcover: 656 Seiten
Erschienen am 26. August 2025
Verlag: Eichborn
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Alice Law promoviert in Cambridge bei dem berühmt-berüchtigten Magier Jacob Grimes. Er gilt als Genie auf seinem Gebiet, hat aber auch einen gewissen Ruf als überanspruchsvoll, manipulativ und anzüglich gegenüber Frauen. Als er beim Wirken eines Zaubers in seine Einzelteile zerlegt wird, sieht Alice sich dafür in der Verantwortung, denn sie hat das Pentagramm zuvor kontrolliert. Für sie ist klar: Wenn sie es in der akademischen Welt weit bringen will, dann muss sie Grimes aus der Hölle zurückholen. Sie will sich gerade dorthin befördern, als ihr Mitstudent Peter ihr auf die Schliche kommt und sich der Reise anschließt. Gemeinsam landen sie an einem Ort, an dem ganz andere Herausforderungen auf sie warten als sie antizipiert hatten. Unterwegs wird zudem klar, dass Alice und Peter einander trotz jahrelanger Zusammenarbeit viel über sich und ihre wahren Motive verheimlicht haben.

Ich habe mich sehr gefreut, dass die Autorin nach „Babel“ ein weiteres Werk in einer magisch-akademischen Welt spielen lässt. Das Tempo zu Beginn ist hoch, schon im zweiten Kapitel sind Alice und Peter in der Hölle angekommen. Auf den Trip haben die beiden sich vorbereitet, indem sie jegliche verfügbare Literatur über die Hölle gelesen haben, die sie in die Finger bekommen haben. Entsprechend gibt es viele Referenzen auf diese Werke, die in den beiden eine gewisse Erwartungshaltung geweckt haben, die jedoch nur zum Teil erfüllt wird. Denn die Hölle hat sich ziemlich verändert, seit zuletzt jemanden die Rückkehr gelungen ist. 

Der Roman ist intellektuell fordernd, viele der Gedankenspiele und Diskussionen fand ich interessant und sie fügen sich gelungen in die Handlung ein. Das Herzstück ist aus meiner Sicht die Idee des Magiesystems, das auf Paradoxen beruht. Ich gebe aber auch offen zu, dass ich bei weitem nicht jede Anspielung verstanden habe und mich damit zufrieden gegeben habe, eine Handvoll Dinge zu recherchieren. Um dieses Buch gänzlich zu entschlüsseln benötigt es viel Zeit und Hingabe. Ich habe ein Level des Verstehens erreicht, das mir persönlich genügt hat und auf dem ich mich von dem Buch sehr gut unterhalten gefühlt habe.

Nachdem die Handlung so schnell in die Hölle verlegt wurde fehlten mir als Leserin zunächst praktisch alle Hintergrundinformationen zu Alice und Peter. Diese folgen im weiteren Buchverlauf durch zahlreiche Rückblenden. Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, dass die Höllenreise überhaupt nicht mehr voran kommt, weil die Geschichte so lange in der Vergangenheit verweilt. Die Autorin zeigt hier auf ihre Weise die Licht- und Schattenseiten der akademischen Welt auf und widmet sich insbesondere dem Thema der Manipulation bis hin zur psychischen Gewalt, die von dem Opfern gar nicht als solche erkannt wird. Der Dynamik der Geschichte hätte es aber gut getan, insbesondere im Mittelteil noch mehr Dialoge und Abenteuer einzubauen. Zum Ende hin wartet dann ein höllischer Showdown auf die Leser:innen. Aus meiner Sicht findet R.F. Kuang einen sehr stimmigen Abschluss für diesen wilden Trip in die Unterwelt. Sehr gerne empfehle ich „Katabasis“ an alle weiter, die Lust auf einen literarischen Fantasyroman Lektüre mit der Universität und der Hölle als Schauplatz haben, zwei Orte, die vielleicht gar nicht so weit voneinander entfernt liegen wie zunächst gedacht.

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