Mittwoch, 26. August 2020

Rezension: Sieben Richtige von Volker Jarck

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Sieben Richtige
Autor: Volker Jarck
Erscheinungsdatum: 26.08.2020
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Leseexemplar
ISBN: 9783103970395
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In seinem Roman „Sieben Richtige“ zeigt Volker Jarck, wie nah Glück und Pech zusammenliegen und weist im Prolog darauf hin, das kleinste Momente über das Schicksal des Einzelnen entscheiden. Sechs mit Zusatzzahl oder alle Ziffern, nämlich sieben Richtige bei einer bestimmten Reihenfolge einer Zahl im Spiel bedeuten für uns einen hohen Gewinn mit meist minimalem Einsatz. Dementsprechend streben auch die agierenden Figuren in der Geschichte nach einem zufriedenen Leben mit vielen Höhen und wenig Tiefen. Es ist die Geschichte der vierjährigen Greta und ihrer Eltern Kathy und Roland, aber auch die ihres Nachbarn Viktor und der zwei von ihm geliebten Frauen, es ist die seines Sohnes Nick und seiner Schüler Linda und Tim und noch einiger anderer sowie eines kleinen Insekts. Sie alle sind verhängnisvoll verbunden, meist ohne, dass ihnen das bewusst ist.

Manchmal ist es unglaublich, welche Zusammenhänge sich durch Handlungen ergeben. Genau diesem Tatbestand widmet sich der Autor in seinem Buch. Sicher erfährt jeder täglich viel Gutes, doch das, was alles übertönt sich oft die Dinge, die uns traurig stimmen und die uns berühren, selbst wenn sie uns nicht selbst beschäftigen. Vielleicht auch weil sie uns dazu bringen, darüber nachzudenken, wie solche leidvollen Situationen, die wir gerade selbst erfahren oder von denen wir gehört haben, zu vermeiden sind. Volker Jarcks zeigt in seinem Roman wie Wünsche in Erfüllung gehen und Träume verwehen. Die mit unserem Streben nach Selbstverwirklichung verbundenen Entscheidungen verändern auch das Leben anderer. Fast alle Figuren zeichnet der Autor mit Lebenswillen und Beherztheit aus und damit, die Hoffnung nicht aufzugeben.

Immer wieder ist es in der Erzählung verblüffend welche Verbindungen der Autor zieht. Er zieht Rückschlüsse bis in die Vergangenheit seiner Protagonisten und scheut sich nicht davor, eine mögliche Zukunft zu entwerfen. So fiktiv und unwahrscheinlich die Geschichte mit ihren Zufällen und Verknüpfungen ist, so ist es genauso wahrscheinlich, zumindest Ausschnitte in ähnlicher Form selbst oder doch in der eigenen Realität wieder zu finden, wodurch die Erzählung mir sehr nahe rückte.

Volker Jarck schreibt eloquent und treibt den Leser durch eine Geschichte voller Sorgen und Kummer die kaum trennbar verbunden sind mit Freude und Wohlbefinden, berührend und amüsant mit guten und schlechten Zeiten. Den Roman „Sieben Richtige“ empfehle ich daher gerne uneingeschränkt weiter.

 

Dienstag, 25. August 2020

Rezension: This is not a Love Song von Christina Pishiris

 

Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: This is not a Love Song - Wer glaubt schon noch an Liebe?
Autorin: Christina Pishiris
Übersetzerin aus dem Englischen: Annette Hahn
Erscheinungsdatum: 18.08.2020
Verlag: Aufbau (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783746636993
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Der Roman „This is not a Love Song“ ist das Debüt der Engländerin Christina Pishiris. Genau wie ihre Protagonistin Zoe Frixos hat sie griechische Wurzeln. Dem familiären Hintergrund von Zoe merkt man die eigenen Erfahrungen der Autorin an, wenn sie liebevoll die Eigenheiten der Eltern und die Vorbereitungen zur Hochzeit des Bruders beschreibt. Die 34-jährige Zoe ist Musikjournalistin und Chefredakteurin eines populären monatlichen Musikmagazins. Als Jugendliche war der Nachbarssohn Simon einige Jahre ihr bester Freund. Bevor sich daraus mehr entwickelte, zog er mit seiner Mutter zurück in die Vereinigten Staaten.

Jetzt ist Zoe längst dem goldenen Käfig des Elternhauses und der Großfamilie entkommen. Während das Musikmagazin in eine Krise gerät, bekommt Zoe Post von Simon, der nach seiner Scheidung wieder in London ist. Zoe sieht das als zweite Chance, ihm ihre Liebe zu gestehen. Doch bevor es soweit ist, bemüht sie sich mit allen Mitteln um ein Interview mit einem berühmten Star in der Musikszene, dessen Veröffentlichung das Magazin wieder nach vorne bringen kann. Dabei begegnet sie dem zunächst selbstgefälligen PR-Manager Nick Jones, der zu ihrem Leidwesen sehr gut aussieht und über Ausstrahlung verfügt.

In der nun folgenden komplexen Liebesgeschichte lässt Christina Pishiris die Musikszene Londons aufleben, die sie durch ihren Beruf selbst kennt. Sie schreibt mit dem Wissen im Fachgebiet Musik über Verbindungen zwischen Veranstalter, Manager und Künstler. Zoe fiebert als Fan danach, ihre Lieblingskünstlerin, deren Erfolge schon einige Jahre zurückliegen, persönlich zu treffen. Für mich war es schwierig, ihr übereifriges Engagement zur Verwirklichung ihres Wunschs nachzuvollziehen. Doch gerade durch ihre Arglosigkeit in mancherlei Dingen kommt es zu amüsanten Szenen. Zoe erzählt die Geschichte in Ich-Form und daher konnte ich ihre widerstreitenden Gefühle nachvollziehen. Andererseits konnte ich dadurch die Handlungen anderer Figuren lediglich zur Kenntnis nehmen.

Eine einmalige Idee verfolgt die Autorin mit der Einbindung des fiktiven Geheimagenten Zak Scaramouche, der dafür sorgt, eine Beziehung auf besondere Weise aufrechtzuerhalten. Jedes Kapitel ist untertitelt mit einem Lovesong, romantisch und sehnsuchtsvoll, der dazu auffordert, das jeweilige Lied beim Lesen zu hören, um eine entsprechende Stimmung aufzubauen.

 „This is not a love song“ ist eine unterhaltsame romantische Komödie, die zum Ende hin noch für eine überraschende Wendung sorgt. Wer RomComs mag und für englische Liebeslieder schwärmt, dem empfehle ich das Buch gerne weiter.


Sonntag, 23. August 2020

Rezension: Die letzte Geliebte - Christof Weigold

 

 

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Die letzte Geliebte
Autor: Christof Weigold
Broschiert: 656 Seiten
Erschienen am 20. August 2020
Verlag: Kiepenheuer & Witsch

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Im Jahr 1923 ist Hardy Engel als Privatdetektiv zu einer festen Größe in Hollywood geworden, der endlich auch ein eigenes Büro besitzt. Sein neuester Auftrag stellt ihn vor eine große Herausforderung: Er soll Will Hays, den Chef der Vereinigung der Filmproduzenten, zur Strecke bringen, indem er dem Mann mit der scheinbar weißen Weste irgendetwas Skandalöses nachweist. Hardy hat zwei Ansatzpunkte: Vielleicht kann er aufdecken, dass Hays eine Affäre hat - oder dass er Mitglied im gerade erstarkenden Ku-Klux-Klan ist? Hardy folgt den ersten Spuren und stößt bald auf Geheimnisse, die noch größer sind, als gedacht. Dabei macht er sich neue, mächtige Feinde...

Der dritte Fall, auf dem der Leser den Privatdetektiv Hardy Engel begleitet, startet zügig mit einem neuen Auftrag, der weitreichende Konsequenzen haben wird. Dorothy Reid ist die Witwe des Hollywood-Superstars Wallace Reid, der kürzlich an Drogensucht gestorben ist. Sie ist der Meinung, dass Will Hays für den Tod ihres Mannes verantwortlich ist, da er ihm keine Drehpause gegeben hat, um seine Morphinsucht zu überwinden. Da ihr das niemand glauben würde, soll Hardy nun andere Beweise gegen Hays auftreiben. Kurze Zeit später sitzt Hardy schon im Zug, um der Heimat Hays und dessen Familie einen heimlichen Besuch abzustatten.

Im Nu war ich Eingetaucht ins Hollywood des Jahres 1923, in dem das Filmgeschäft weiter wächst und mächtige Männer damit beschäftigt sind, ihre skandalösen Taten zu vertuschen. Hardy trifft und beobachtet bei seinen Ermittlungen viele historische Persönlichkeiten - berühmte Schauspielerinnen, mächtige Studiobosse und diesmal auch wichtige Politiker. Das LAPD hat einen neuen Chef, Gus Vollmer, der Hoffnung darauf macht, dass die Stadt ein wenig aufgeräumt wird. Doch William Burns, der Chef des Bureau of Investigation, ist weiterhin von der alten Schule und gar nicht gut auf Hardy zu sprechen.

Die Geschichte schlägt ein hohes Tempo an und fordert Konzentration, um ja nichts zu verpassen. Hardy verfolgt mehrere Spuren gleichzeitig, kommt mit den unterschiedlichsten Personen ins Gespräch und spannt einige davon für seine eigenen Zwecke ein. Bald gibt es den Verdacht eines Mordes, doch große Enthüllungen lassen einige Zeit auf sich warten. Dafür sind sie dann umso erstaunlicher. Die Ermittlungen führen Hardy zwar auch wieder auf die Studiogelände, doch diesmal geht es nicht so stark um die Filmbranche, sondern die Story zieht immer weidere Kreise bis hinein in die große Politik.

Auch der Ku-Klux-Klan und seine Machenschaften werden Teil von Hardys Ermittlungen, denn mit dem Nachweis einer Mitgliedschaft Hays hätte er seinen Auftrag erledigt. Die Beschreibungen der grausamen Taten des Klans sind erschreckend und eine Auseinandersetzung mit dieser Bewegung und den Überzeugungen ihrer Mitglieder auch in der heutigen Zeit von großer Aktualität.

Der zweite Band hat mir insgesamt noch ein Stück besser gefallen, doch auch in diesem Buch kommen Fans historischer Spannungsroman wieder auf ihre Kosten. Christof Weigold legt mit „Die letzte Geliebte“ einen sorgfältig recherchierten Roman vor, der den Leser tief ins historische Hollywood eintauchen lässt!

Freitag, 21. August 2020

Rezension: Und auf einmal diese Stille - Die Oral History des 11. September von Garrett M. Graff

 


Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Und auf einmal diese Stille - Die Oral History des 11. September
Autor: Garrett M. Graff
Übersetzer: Philipp Albers und Hannes Meyer
Erscheinungsdatum: 17.08.2020
Verlag: Suhrkamp Nova (Link zur Buchseite des Verlags
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783518470909
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Fast jeder, der am Dienstag, den 11.09.2001 über ein gefestigtes Erinnerungsvermögen verfügte, weiß wo und wann er an diesem Tag von den Terroranschlägen in den U.S.A. erfahren hat, so wie ich. Ich hörte die Nachrichten im Autoradio und konnte es nicht glauben, ich sah die Türme im Fernsehen wie Butter zerfließen und konnte es nicht glauben und erfuhr noch von einem Anschlag auf das Pentagon und einem weiteren abgestürzten Flugzeug und konnte es ebenfalls nicht glauben. Es war unvorstellbar und doch war es geschehen. Es gab Fakten, aber die direkt an den Anschlägen beteiligten Menschen blieben zum großen Teil unsichtbar und ungehört. Das hat der Garret M. Graff mit seinem Buch „Und auf einmal diese Stille – Die Oral History des 11. September“ geändert.

Der Autor hat etwa drei Jahre lang die Erzählungen von Zeitzeugen gesammelt, die darüber berichteten, wie sie den Tag erlebt haben. Es sind unter anderem Arbeitnehmer aus den beiden Türmen des World Trade Centers und dem Pentagon, Politiker, Feuerwehrleute, Polizisten und Angehörige der Opfer. Einige der Interviews hat Garret M. Graff selbst geführt. Er hat die Aussagen in eine zeitliche Reihenfolge gebracht und thematisch aufgearbeitet. Beginnend mit dem 10.09.2020 entstand auf diese Weise bei mir beim Lesen ein Stimmungsbild von den späteren Schauplätzen der Geschehen bei dem nichts auf das folgende Chaos, die Konfusion und die Wucht der Eindrücke hindeutete. Für viele waren gerade die Ferien vorbei und der Arbeitsalltag hatte wieder begonnen, dienstags morgens zeigte sich der Himmel in einem wolkenlosen blau. Wenig später versank New York in eine graue Wolke, die sogar vom All aus zu sehen war.

„Und auf einmal diese Stille“ wird der Captain eines Einsatzfahrzeuges der Berufsfeuerweht im Buch zitiert. Ihm fiel auf, dass nach den Einschlägen der beiden Flugzeuge in die Türme, viele Einsatzkräfte mit großer Geräuschkulisse eintrafen. Während er aber in der Lobby im Erdgeschoss des Nordturms steht und viele zu diesem Zeitpunkt schon zur Hilfe ausgeschwärmt sind, hängt die plötzliche Ruhe wie eine Bedrohung in der Luft. Stille herrscht auch in der riesigen grauen Staubwolke, die sich nach dem Einsturz der Türme bildet und alles bedeckte. Die Luft ist zum Schneiden dick und gibt Laute nicht weiter. Auch hierzu finden sich Augenzeugenberichte im Buch. 

Aber Garrett M. Graff fängt nicht nur die Stimmen rund um das Geschehen am Vormittag ein, sondern beschäftigt sich auch mit den weiteren Rettungsaktionen, die sich über Stunden, Tage und Wochen hinzogen. Am Rande versucht er auch die politischen Hintergründe einzubinden und seine gesammelten Stimmen beschreiben die Mechanismen, die in einer solchen Bedrohungslage einsetzen, um bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie beispielsweise den Präsidenten zu schützen.

Meine Erinnerungen an diesen verheerenden Tag kehrten beim Lesen wieder, allerdings rückten die bewegten Bilder, die man aus dem Fernsehen kannte durch die Berichte näher als je zuvor. Ich empfehle das Buch jedem zum Erinnern, Erfahren und niemals vergessen, was Terror bewirken kann.


Donnerstag, 20. August 2020

Rezension: This is (not) a love song von Christina Pishiris

 

 

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This is (not) a love song
Autorin: Christina Pishiris
Übersetzerin: Annette Hahn
Broschiert: 416 Seiten
Erschienen am 18. August 2020
Verlag: Aufbau Taschenbuch

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Als Chefredakteurin des Musikmagazins Re:Sound hat Zoë Frixos ein großes Ziel: Sie will ein Interview mit der Musiklegende Marcie Tyler führen. Doch diese ist seit Jahren nicht mehr aufgetreten und gilt als öffentlichkeitsscheu. Ein gutes Wort von Marcies PR Manager wäre hilfreich. Doch dieser stellt sich als Nick Jones heraus, der auch die Boygroup Hands Down betreut und mit dem sie wegen eines Verrisses der band in der neuesten Ausgabe des Magazins aneinandergeraten ist. Er macht einen Vorschlag, der Zoë in ein Dilemma bringt. Als dann auch noch ihr bester Freund Simon ankündigt, zurück in London zu sein, ist das emotionale Chaos perfekt. Denn Simon ist frisch geschieden, und Zoë schon lange heimlich in ihn verliebt.

Cover und Titel des Buches machen deutlich, dass es in dieser Geschichte sehr musikalisch wird. Die Musik begleitet die Protagonistin Zoë schon ihr ganzes Leben lang, ebenso wie ihr bester Freund Simon. Mit zwölf haben die beiden sich den Rockstar und Geheimagenten Zak Scaramouche ausgedacht. Seither schicken sie sich gegenseitig Postkarten in seinem Namen. Eine solche kündigt Zoë nun an, dass Simon zu ihr nach London kommt.

Zoë hat einen breiten Musikgeschmack, romantische Liebeslieder gehören aber eher nicht zu ihren Favoriten. Auch mit der hippen Boygroup Hands Down, die Teenie-Herzen schmelzen lässt, kann sie wenig anfangen. Den wütenden Jonny Delaney, der sich als Bandmitglied bei ihr über die negative Rezension des neuen Albums beschwert, weist sie mit klaren Worten ab. Damit sammelt sie ordentlich Negativpunkte beim PR Manager der Band. Doch dieser stellt sich kurz darauf ausgerechnet als ihre einzige Chance heraus, ein Interview mit der Legende Marcie Tyler zu erhalten, was dem Magazin neuen Aufwind gäbe.

Die Arbeit als Chefredakteurin und Zoës damit verbundene Bemühungen um ein Interview mit Marcie Tyler spielen in der Geschichte eine große Rolle. Dabei taucht der PR Manager Nick Jones immer wieder auf der Bildfläche auf. Lange ist nicht klar, ob er gute oder böse Absichten hat, was mich zum Weiterlesen motivierte. Und dann ist da noch Simon, der nicht nur Zoës Gefühlsleben durcheinanderwirbelt, sondern ihr durch seine Kontakte auch im Hinblick auf das Interview helfen könnte.

Die Geschichte beinhaltet sowohl was das Interview als auch was Zoës Gefühle angeht einiges an Hin und Her. Das fand ich zwischendurch anstrenged, wollte aber gleichzeitig unbedingt wissen, wie Zoë sich im Hinblick auf die Liebe entscheidet und ob sie die Zukunft des Magazins sichern kann. Überraschende Entwicklungen und Zoë als sympathische Protagonistin machen die Geschichte zu einem kurzweiligen und musikalischen Lesevergnügen für entspannte Stunden!

Rezension: Die sardische Hochzeit von Grit Landau



Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Die sardische Hochzeit
Autorin: Grit Landau
Erscheinungsdatum: 20.08.2020
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783426282274
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Mit „Die sardische Hochzeit“ legt die in Nordrhein-Westfalen lebende Autorin Grit Landau, die unter Pseudonym schreibt, ihren zweiten belletristischen Roman vor. Wie in ihrem ersten Buch „Marina, Marina“ hat ihre Liebe zu Italien sie dazu inspiriert, die Erzählung auf Sardinien spielen zu lassen. Verbunden ist der Roman auch mit ihrem historischen Interesse, so dass mich die Handlung in die 1920er Jahre zurückführte. Umspielt wird die Geschichte von einer Spur Mystik, die sich auch in Einschüben vor jedem Kapitel wiederfindet, denn Grit Landau beschreibt dort sagenumwobene sardische Gestalten und heidnische Bräuche, die auf Sardinien ausgeübt werden. Das führt zu einem besseren Verständnis des Lesers für die handelnden Figuren und ihrer Handlungen.

Der Ligurier Leo Lanteri, wird von seinem Vater, dem Besitzer einer Olivenplantage, nach Sardinien geschickt um dort nach einer speziellen Olivensorte zu suchen. Er hat im Ersten Weltkrieg an vorderster Front gekämpft und dabei ein Trauma erlitten, dass ihm immer noch Alpträume beschert. Schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass der Grund nur vorgeschoben ist und Leo die Reise eigentlich nur Antritt, damit tödlich verlaufene mit einem Faschisten vertuscht werden kann.

Unterdessen bereitet sich Gioia Soria, die Tochter des Besitzers eines Landguts bei Sassari, auf ihre Hochzeit mit Gavino vor, dem Sohn einer alteingesessenen sardischen Familie, die Pferde züchtet. In Sardinien formieren sich die Faschisten und auch Gioia Vater hängt dieser politischen Richtung an. Schon sehr bald verbindet Gioia mit Leo mehr als nur die Liebe zur Jazz-Musik.

Die Familie Lanteri verbindet die beiden Romane von Grit Landau. Leo ist der Großvater einer der Protagonisten im Buch „Marina, Marina“, doch beide Erzählungen sind unabhängig voneinander. Die Ankunft von Leo auf Sardinien und die Vorbereitungen der Hochzeit laufen in parallelen Erzählsträngen. Als Leser entstand für mich ein Bild von Sardinien in einer bewegten Zeit, kurz vor der Machtübernahme durch Mussolini. Die Faschisten gewannen auch auf Sardinien immer mehr Anhänger. Ohne, dass sich die Politik zu sehr in den Vordergrund drängt, versteht die Autorin es bestens, die Stimmung einzufangen und die Spannungen, die sich auf verschiedene Weise offen kundtun, wiederzugeben. Sie verdeutlicht, dass Gioia auch als selbstbewusste Frau mit Sinn für das Moderne entsprechend der Konventionen ihrer Zeit zu handeln hat.

Grit Landau hat für ihren Roman zwei Familien kreiert, die typischen Beschäftigungen nachgehen, die bis heute auf Sardinien zu finden sind: dem Olivenanbau und -verarbeitung und der Pferdezucht. Immer wieder lässt sie italienische Wörter einfließen, die für ein besonderes Flair beim Lesen sorgen. Ihre Liebe zur Musik findet sich in den Schwärmereien für Lieder von Gioia und Leo wieder, die am Ende des Buchs gelistet sind. Dort gibt es auch Anmerkungen zu Essen und Trinken, ein Glossar zu sardischen und italienischen Begriffen und eine Literaturliste, deren Bücher es ermöglichen, sich weiter mit Land und Leuten zu beschäftigen.

Der Roman „Die sardische Hochzeit“ von Grit Landau lässt dank der sehr guten Recherche der Autorin die Zeit im Herbst 1922 auf Sardinien, während Mussolini nach der Macht in ganz Italien griff, lebendig werden. Ihre Charaktere agieren realistisch und vorstellbar. Eine unerwartete Wendung zum Ende hin sorgt dafür, dass sich im Leben der Protagonisten vieles verändert und mich überraschte. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

Mittwoch, 19. August 2020

Rezension: Malamander - Die Geheimnisse von Eerie-on-Sea von Thomas Taylor

 

Rezension von Ingrid Eßer

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Titel: Malamander - Die Geheimnisse von Eerie-on-Sea (1. Band einer Serie)
Autor: Thomas Taylor
Übersetzerin aus dem Englischen: Claudia Max
Erscheinungsdatum: 17.08.2020
Verlag: Hanser
rezensierte Buchausgabe: Hardcover
ISBN: 9783446268210

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Mit „Malamander – Die Geheimnisse von Eerie-on-Sea“ nimmt Thomas Taylor, der Autor und gleichzeitig Illustrator des Buchs, seine Leser ab 10 Jahren mit auf eine Reise zu einem kleinen britischen Küstenort, der auf den Innenseiten skizziert ist. Es ist ein kalter Wintertag im sonst fröhlichen Cheerie-on Sea, dem durch die Herbststürme jedes Jahr das Ch weggeweht wird, als dem 12-jährigen Ich-Erzähler Herbert Lemon, gerne Herbie gerufen, Violet Parma, ein etwa gleichaltriges Mädchen, durch das Kellerfenster seines Fundbüros praktisch vor die Füße fällt. Nicht nur das Wetter ist unfreundlich, auch einige Figuren, doch die sind eine passende Zutat zu dieser Schauergeschichte.

Herbie wurde vor fünf Jahren in einer Obstkiste am Strand angespült und von der Besitzerin des Grand Hotels, das direkt am Pier des Dorfs liegt, zum Sachensucher ausgewählt, eine Stellung, die ihrer Meinung nach mit einem Kind besetzt werden sollte. Die Geschichte spielt zwar in der Gegenwart, ist aber weit von der Realität entfernt und beinhaltet einige wundersame Dinge, merkwürdige Gestalten und es passieren seltsame Begebenheiten. Den jüngeren Lesern wird es gefallen, dass Schule in der Erzählung keine Rolle spielt.

Das Buch „Die Geheimnisse von Eerie-on-Sea“ ist der erste Teil einer Serie, von der der zweite Teil bereits in englischer Sprache vorliegt. Herbie und Violet begeben sich in diesem ersten Band auf die Suche nach Violets Eltern, die vor zwölf Jahren in Eerie-on-Sea verschwunden sind und sie dort in einem Hotelzimmer zurückgelassen haben. Wie sich bald herausstellt, ist das Verschwinden von Violets Eltern eng verbunden mit dem geheimnisvollen Wesen des Malamanders über den sich die Einheimischen eine Legende erzählen. Aber niemand weiß, ob es ihn wirklich gibt. Rasch schließen die beiden Freundschaft, die manches Mal auf die Probe gestellt wird. Beide sind clever und beherzt und ergänzen sich bei ihrer Suche bestens.

Thomas Taylor hat viele Ideen um seine Leser zu fesseln. Seine Protagonisten sind liebenswert und hinzu gesellen sich noch weitere einzigartige Charaktere. Er ist der Illustrator des Originalcovers von Harry Potter und hat sein Buch selbst mit wunderschönen Zeichnungen ausgestattet. Das Ende bleibt in einigen Punkten offen und bereitet schon einen Einstieg in den nächsten Band vor. Um die Spannung aufzubauen und zu halten beschreibt der Autor hin und wieder einige grausige Szenen, so dass die Geschichte eher nicht für feinfühlige Kinder geeignet ist und ein Lesealter ab 10 Jahren eingehalten werden sollte. Auch Jugendlichen und jung gebliebenen Erwachsenen kann ich das Abenteuer empfehlen. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.


Montag, 17. August 2020

Rezension: Ein Sonntag mit Elena von Fabio Geda

 

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Ein Sonntag mit Elena
Autor: Fabio Geda
Übersetzerin: Verena von Koskull
Hardcover: 240 Seiten
Erschienen am 17. August 2020
Verlag: hanserblau

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 In einer Wohnung in Turin lebt ein inzwischen verwitweter Mann, der einst als Ingenieur in der ganzen Welt Brücken baute. Sein Sohn lebt im Ausland, mit seiner jüngeren Tochter hat er kurz nach der Beerdigung seiner Frau zuletzt gesprochen. Nur seine ältere Tochter Sonia, die nicht allzu weit entfernt auf dem Land wohnt, schaut mit ihrer Familie gelegentlich vorbei. An einem Sonntag hat er sie zum Mittagessen eingeladen und stellt sich dafür zum ersten Mal selbst in die Küche. Das Essen ist fertig, als Sonia ihn anruft: Ihre Tochter ist vom Baum gefallen und hat sich den Arm gebrochen. Er beschließt, erst einmal an die frische Luft zu gehen. Im Park lernt er Elena und ihren Sohn Gaston kennen, die er kurzerhand zum Essen einlädt. Die Begegnung bringt die Beteiligten ins Nachdenken und hinterlässt Spuren auf ihrem weiteren Weg.

Die Geschichte beginnt an einem Sonntagmorgen, bevor der im Zentrum der Handlung stehende Witwer und Vater Besuch von seiner Tochter Sonia erhalten soll. Am Kühlschrank hängt die neue Handynummer der jüngeren Tochter Giulia, mit der er lange nicht mehr gesprochen hat. Sie ist es, die den Leser als Ich-Erzählerin durch die Geschichte führt.

Die Erzählung jenes Sonntags schreitet nur langsam voran, da Giulia immer wieder Erinnerungen abruft, die sich um ihren Vater, aber auch um ihre Mutter und ihre Geschwister drehen. Man erfährt von den häufigen Abwesenheiten ihres Vaters, kurzen schönen Momenten der beiden und anderen Situationen, in der ihr Vater sie enttäuscht hat. Die Erzählerin springt von Erinnerung zu Erinnerung und dann wieder zurück zum zentralen Sonntag, wodurch ich zu Beginn Schwierigkeiten hatte, in die Geschichte hineinzufinden.

Durch die Rückblicke lernt man allmählich das Beziehungsgeflecht der Familie zu verstehen. Man sieht einen Vater, der sein ganzes Berufsleben lang mehr weg als da war und die Liebe zu seiner Familie nie so recht zum Ausdruck bringen konnte. Man erfährt, welche Wege die drei inzwischen erwachsenen Kinder eingeschlagen haben, von denen nur eins ihn gelegentlich besucht. So steht der Vater an jenem Sonntag als tragischer Charakter da, dessen erstmaliger Versuch, ein Mittagessen zuzubereiten, vergeblich gewesen zu sein scheint.

Die Begegnung mit Elena und Gaston gibt dem tristen Sonntag eine erfreuliche Wendung. Da die gemeinsam verbrachte Zeit der drei in der Geschichte eher später angesiedelt ist, möchte ich darüber nicht zu viel verraten. Ich fand es schön zu sehen, dass beide Seiten aus diesem Zufallsereignis etwas mitnehmen konnten, das ihren weiteren Weg geprägt hat.

Der beschriebene Sonntag stellt nicht die Gegenwart dar. Von Beginn an ist klar, dass es sich dabei um eine weitere Erinnerung Giulias handelt, die später davon erfahren hat. Dieser Tag ordnet sich letztlich in das große Erinnerungsgefüge ein. „Ein Sonntag mit Elena“ ist nicht nur die Geschichte eines Mittagessens, sondern die Geschichte einer Familie, in der trotz Fehler und versäumter Chancen der Vergangenheit immer noch Zeit ist, Dinge zu ändern, um die Zukunft anders zu gestalten.

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