Dienstag, 29. April 2025
Rezension: Mut beginnt im Herzen - Lass deine Ängste los und lerne fliegen von Tessa Randau
Samstag, 26. April 2025
Rezension: Pearly Everlasting von Tammy Armstrong
Autorin: Tammy Armstrong
Hardcover: 368 Seiten
Erschienen am 26. März 2025
Verlag: Diogenes
Link zur Buchseite des Verlags
In einem Holzfäller-Camp
in Kanada wird im Jahr 1918 das Mädchen Pearly Everlasting geboren. Ihr
Vater ist dort Koch, ihre Mutter kümmert sich um Verletzungen und
Krankheiten. Kurz nach ihrer Geburt bringt ihr Vater ein schreiendes, noch
blindes Bärenjunges mit ins Camp, dessen Mutter offensichtlich einem Jäger
zum Opfer gefallen ist. Bruno wächst als Bruder von Pearly auf, die beiden
sind unzertrennlich. Fünfzehn Jahre später gibt es Aufruhr im
Camp, als der unbeliebte Campboss Swicker von Pearly und Bruno
tot aufgefunden wird. Hat Bruno ihn etwa ermordet? Das kann
keiner, der den kleinen Bären besser kennt, wirklich glauben.
Trotzdem wird er von Swickers Neffen fortgeschafft. Doch Pearly will
ohne ihn nicht sein. Sie macht sich mitten im Winter auf den Weg,
um ihn zu finden.
Kanada ist ein Land, das mich sehr fasziniert, und ich freute mich darauf,
in eine Geschichte einzutauchen, die mitten in den kanadischen Wäldern
spielt. Die Atmosphäre des Holzfällercamps wurde von der Autorin
gelungen eingefangen: Ein einfaches Leben fernab von Dörfern und
Städten, viele Männer, die bei der harten Arbeit Leib und Leben
riskieren und dazwischen Pearly mit ihrer Familie, zu der auch der
Bär Bruno gehört. In den ersten Kapiteln wird das Aufwachsen der beiden
beschrieben und die innige Verbindung, die sie zueinander entwickeln.
Pearlys Gefühle für den kleinen Bären werden gelungen vermittelt. Als
Pearly fünfzehn Jahre alt ist und Bruno heimlich weggeschafft wird, konnte
ich daher nachvollziehen, warum sie sich gleich allein auf den Weg
macht. Entgegen meiner Erwartung ist sie gar nicht so lange
unterwegs, sondern verbringt einige Zeit in einem Dorf nahe der
Wälder. Während einige Bewohner dem Mädchen aus den Wäldern
helfen wollen, begegnen ihr andere mit Argwohn. Einige Kapitel
sind außerdem aus der Sicht von Ansell geschrieben, dem Gehilfen
von Pearlys Vater, der sich selbst auf den Weg macht, um Pearly
und Bruno zu finden.
Ich fieberte mit, ob Pearly, Bruno und Ansell einander finden und
wohlbehalten zurückkehren können. Die Geschichte wird in leisen Tönen
erzählt und bietet immer wieder emotionale und spannende Momente. Habt ihr
Lust, in die Wälder Kanadas einzutauchen und in einer
atmosphärischen Erzählung eine Weile an der Seite eines Mädchens und
ihres Bärenbruders zu verbringen? Von mir gibt es eine
klare Empfehlung dafür.
Freitag, 25. April 2025
Rezension: Die Summe unserer Teile von Paola Lopez
Autorin: Paola Lopez
Erscheinungsdatum: 15.03.2025
Verlag: Tropen (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783608502725
In ihrem Debütroman „Die Summe unserer Teile“ erzählt Paola Lopez von drei Frauen: Lucy, ihrer Mutter Daria und deren Mutter Mila. Die Handlung beginnt im Jahr 2014, reicht jedoch über siebzig Jahre in die Vergangenheit zurück und überschreitet dabei auch Ländergrenzen. Lucy wurde in München geboren, lebt aber inzwischen in Berlin. Ihre Mutter kam Anfang der 1970er Jahre zum Studium in die Hauptstadt Bayerns gekommen, doch zur Welt gekommen ist sie in Beirut. Infolge des Zweiten Weltkriegs gelangt Mila von ihrer Heimat Polen in den Libanon. Der unerschütterliche Wille zur Selbstbestimmung verbindet die drei Frauen.
Eines Tages erhält Lucy unerwartet einen Konzertflügel, den ihre Mutter unter ihrem Mädchennamen an die neue Anschrift ihrer Tochter in der Wohngemeinschaft in Berlin transportieren lässt, die sie eigentlich nicht kennen kann. Lucy wird dadurch veranlasst, über ihr bisheriges Leben und das schwierige Verhältnis zu ihrer Familie nachzudenken. Sie trägt genauso wie ihre Großmutter den Vornamen Lyudmila, doch sie hat diese nie bewusst kennenlernen können. Nachdem ihr Mitbewohner erneut mit ihrer besten Freundin zusammenkommt, nimmt es Lucy den Atem und sie stellt fest, dass sie dringend eine Veränderung braucht. Kurzfristig beschließt sie, nach Polen zu reisen, um dort einer Spur zu folgen, die sie näher an das Leben ihrer Großmutter heranführen soll.
Die Studienjahre der Frauen sorgen bei allen dreien für große Veränderungen. Mila verschafft sich bei ihrem Chemiestudium in Beirut, das sie bevorzugt aufgrund ihrer Deutschkenntnisse aufnehmen konnte, nach kurzer Zeit den Respekt ihres Vorgesetzten und den ihrer Kolleginnen und Kollegen. Erst nach einigen Jahren ihrer Ehe mit einem Chemiker kommt ihre Tochter Daria zur Welt, die ihre Mutter als kühl und abweisend in Erinnerung hat. Aufgrund des Wunschs ihrer Eltern beginnt sie später ein Medizinstudium in München, bei dem sie ihren zukünftigen Ehemann kennenlernt. Lucy hingegen studiert Informatik und entwickelt Computerspiele. Mit ihrer Mutter hat sie seit drei Jahre kein Wort gewechselt.
Der Autorin gelingt es, die zwischenmenschlichen Spannungen nicht nur über Dialoge, sondern vor allem über stille Handlungen sichtbar zu machen. Jede der Frauen sucht einen Weg, alte Muster zu durchbrechen, die bisher gekannten Grenzen hinter sich zu lassen und eine eigene Identität zu formen. In ihrem Anspruch, stets beste Leistungen in allem zu zeigen, vergessen sie die Relevanz der Kommunikation, was zu tragischen Missverständnissen mit weitreichenden Folgen führt.
Paola Lopez zeigt mit großer Empathie die Verletzlichkeit ihrer Figuren und lässt nachvollziehbar werden, warum es an Verständnis füreinander fehlt. Erst im weiteren Verlauf der Erzählung lüftet sie ein Geheimnis, das die erwartete Summe aus dem Zusammenfügen der Teile der Familiengeschichte hinauswachsen lässt. Als Leserin hat mich dieser atmosphärisch dichte und fein komponierte Roman an vielen Stellen tief berührt, sodass ich dieses eindrucksvolle literarische Debüt sehr gerne weiterempfehle.
Dienstag, 22. April 2025
Rezension: Lucid Fate - Was, wenn wir nicht sterben? von Nina Martin
Die Contemporary-Fantasy „Lucid Fate“ ist der dritte und abschließende Band der Trilogie von Nina Martin, in der die Traumwelt Somna und die wache Welt Corpora auf faszinierende Weise miteinander verwoben sind. Der Untertitel Was, wenn wir nicht sterben?“ ist treffend gewählt, denn die beiden Protagonistinnen und Traumgängerinnen Ria und Selena sind überzeugt, dass es nicht möglich sein wird, ohne ihren Tod die beiden Welten wieder zu trennen, die sich gerade erst vereint haben. Auch Eric, der wie die zwei Frauen ein Morphist ist, also die Welten verändern kann, würde dazu sterben müssen.
Es ist erst zwei Wochen her, dass Somna und Corpora verschmolzen sind. Seitdem gelten manche physikalische Gesetzte nicht mehr, was zu einer zunehmend chaotischen und unberechenbaren Welt führt. Während Eric, der früher mit Ria und Selena befreundet war, sich aber schließlich zu ihrem erbitterten Gegner gewandelt hat, für seine Schutzzonen wirbt, tauchen Ria und Selena unter. Nachdem sie ihre Familien in Sicherheit gebracht haben, leben sie im Verborgenen. Sie sind sich allerdings bewusst, dass Eric sie über kurz oder lang aufspüren wird, um die uneingeschränkte Kontrolle über beide Welten zu erlangen. Währenddessen sorgen die Traumwandlungen der Menschen zu wachsender Instabilität.
„Lucid Fate“ steht den zwei vorigen Büchern der Serie in Sachen Spannung in nichts nach. Erneut sind sich Ria und Selena unsicher über ihr weiteres Vorgehen, was sie nicht nur angreifbar, sondern auch nahbar macht. Die Vereinigung der Welten hat dazu geführt, dass einige Traumgänger ihre Meinung über die beiden Morphistinnen geändert haben. Dennoch müssen die zwei jungen Frauen aufpassen, wem sie ihr Vertrauen schenken. Die Geschichte ist vielschichtig und treibt die Hauptfiguren an den Rand ihres Könnens, denn geschickt setzt Eric seine Kräfte dafür ein, seine Gegenspielerinnen an ihrem wunden Punkt zu treffen: den von ihnen geliebten Personen.
Nina Martin gelingt in ihrem Buch „Lucid Fate“ ein fesselndes Finale. Sie wirft aber auch die tiefgründige Frage auf, wie wir mit der Vorstellung des Todes umgehen, wenn er unausweichlich erscheint, aber auch vermeidbar wäre. Ria und Selena schwanken zwischen der Bereitschaft, sich heldenhaft für die Menschheit zu opfern, hin zum Respekt und der Ehrfurcht vor diesem großen Schritt, denn eigentlich möchten sie ihr Leben in Frieden an der Seite der jeweils geliebten Person verbringen. Für die Lesenden ergibt sich daraus ein Hoffen und Bangen über die Entscheidung bis zum Schluss, der in einem großen Showdown endet. Ein spannungsgeladenes und emotionales Ende der Trilogie, die ich gerne den Fans der Reihe empfehle.
Freitag, 18. April 2025
Rezension: Heimweh im Paradies - Thomas Mann in Kalifornien von Martin Mittelmeier
Autor: Martin Mittelmeier
Erscheinungsdatum: 11.03.2025
Verlag: Dumont (Link zur Buchseite des Verlags)
ISBN: 9783755800330
Donnerstag, 10. April 2025
Informationen zum Roman "Hoffnung in stürmischer Zeit", Band 1 des "Ferne Heimat"-Zweiteilers
„Ferne
Heimat, Zweiteiler
Band 1: Hoffnung in stürmischer Zeit“
Autorin: Ingrid Eßer |
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- Ein bewegender historischer Roman über Flucht, Liebe und Überlebenswillen im Zweiten Weltkrieg
- Die emotionale Geschichte einer Mutter und ihrer Kinder: Zwischen Verlust und Hoffnung
- Inspiriert
von wahren Begebenheiten berührt dieser
Roman durch seine intensive Atmosphäre
Buchhandlungen schreiben für ein kostenfreies Leseexemplar an: buchhandel@bod.de
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VITA: Ingrid Eßer,
Jahrgang 1963, ist in einem Dorf im Rheinland, einem der (Haupt-)Handlungs-orte
ihres Roman-Zweiteilers ‚Ferne Heimat‘, aufgewachsen. Sie studierte
Wirtschaftswissen-schaften mit Schwerpunkt Finanzwirtschaft sowie den
Nebenfächern Wirtschaftsinformatik und Psychologie und arbeitete im
Steuerbüro und in der Verwaltung. Seit 2012 betreibt sie gemeinsam mit ihrer
Tochter den Bücherblog ‚Buchsichten‘. Von Jugend an interessiert sie sich für
die Geschichte ihrer Familie. Sie lebt mit ihrem Mann im Kreis Heinsberg. |
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Das Buch ist bei Buchhandlungen vor Ort und Online-Buchhandlungen bestellbar. Als Autorin verkaufe ich selbst keine Bücher.
Blogger*innen (ab 1.000
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Buchhandlungen schreiben für ein kostenfreies Leseexemplar an: buchhandel@bod.de
Sonntag, 6. April 2025
Rezension: Bis die Sonne scheint von Christian Schünemann
Rezension von Ingrid Eßer
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Trotz knapper finanzieller Mittel macht sich Familie Hormann
in den 1980er Jahren auf den Weg in den Süden und fährt so lange „Bis die Sonne
scheint“. Der gleichnamige autobiografische Roman von Christian Schünemann erzählt
die Geschichte seiner Familie über mehrere Generationen hinweg, bis hin zu seinen
Großeltern. Die Namen hat der Autor geändert.
Kurz vor der Konfirmation des 15-jährigen Daniel Hormanns,
der als Alter Ego des Autors fungiert, regnet es wieder durch das marode Dach
des Elternhauses. Daniel lebt mit seinen Eltern und drei Geschwistern auf dem
Land in der Nähe von Bremen. An diesem Abend belauscht er ein Gespräch seines
Vaters mit seiner Mutter aus dem er schließt, dass deren Probleme gravierender
sind, als er bisher ahnte und vermutet, dass es Sorgen finanzieller Art sind. In
Erwartung seines anstehenden großen Fests hatte Daniel sich darauf gefreut,
schick eingekleidet zu werden. Außerdem hatte er gehofft, viele Verwandte
einladen zu können, die ihn großzügig mit hohen Geldsummen beschenken würden. Während
innerhalb der Familie an allen Ecken gespart wird, bemühen sich seine Eltern,
nach außen den schönen Schein von gut Verdienenden zu wahren.
Der Autor spannt in seiner Familiengeschichte einen weiten
Bogen. Seine in Oberschlesien geborene und später heimatvertriebene Mutter Marlene
hat sich Mitte der 1950er Jahre den Wunsch nach Abitur und Studium nicht
erfüllen können. Stattdessen musste sie auf Gehiß ihrer Mutter mit ihrem Gehalt
zum Familieneinkommen beitragen. Die Mutter von Daniels Vater Siegfried dagegen
hat sich seit der Weltkriegszeit von ihren Kindern und ihrem Mann distanziert.
Siegfried selbst hat sich für eine Beamtenlaufbahn entschieden, träumte aber insgeheim
davon, Opernsänger zu werden. Sowohl Marlene als auch Siegfried sind überzeugt,
dass das Leben noch mehr für sie bereithält. Auch wenn aktuell kein
finanzielles Polster vorhanden ist, halten sie weiterhin an Träumen fest, die
sich aber im Laufe der Zeit geändert haben.
Gerne habe ich mich als Leserin mit in die 1980er Jahre
nehmen lassen. Weil ich im Alter der ältesten Tochter der Familie Hormann bin,
konnte ich dank der zahlreichen Details über diese Zeit in Erinnerungen
schwelgen. Christian Schünemann lässt das Lebensgefühl der damaligen Zeit authentisch
aufleben, unter anderem durch die Erwähnung von Filmen und Musiktiteln. Nach
den entbehrungsreichen Kriegs- und Nachkriegsjahren ermöglicht inzwischen der
wirtschaftliche Aufschwung, dass ein Durchschnittverdiener sich einiges leisten
kann. Technologische Fortschritte machen die Zukunft spannend. Die Kapitel, die
in den 80er Jahren spielen und von Daniel in Ich-Perspektive erzählt werden,
unterscheiden sich von denen mit Rückblicken auf die Familiengeschichte in
auktorialen Erzählform durch eine Überschrift mit französischen Vokabeln.
Der Roman „Bis die Sonne scheint“ von Christian Schünemann berührt mit Begebenheiten innerhalb der Familie des Autors, die über fünf Jahrzehnte zurückreichen. Durch die gewählte Ich-Erzählform des Protagonisten, der den Autor verkörpert, wurden dessen Gefühle deutlich über das diffuse Verhalten seiner Eltern, die bemüht waren, sich nach außen hin nicht von anderen Familien abheben zu wollen. Gleichzeitig möchten sie sich aber dennoch ihre Träume von einem schönen erfüllten Lebens nicht nehmen lassen. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.
Mittwoch, 2. April 2025
Rezension: Unter Grund von Annegret Leipold
Franziska Fuchsberger, genannt Franka, ist die Protagonistin
im Roman „Unter Grund“ von Annegret Liepold. Die 27-jährige Referendarin an
einer Volksschule lebt seit 2017 in einer Wohngemeinschaft mit Hannah, die als Journalistin
über den NSU-Prozess in München berichtet. Als Franka mit ihrer Schulklasse
eine der Sitzungen besucht, schweifen ihre Gedanken in die Vergangenheit ab, zu
einer Zeit, in der sie sich mit Freunden aus der rechten Szene umgab. Von
diesem Kapitel ihres Lebens weiß aktuell aber niemand in ihrem Umfeld. Spontan
beschließt sie, in ihr Heimatdorf in der Nähe von Erlangen zu fahren. Ihre
Mutter und ihre Tante leben dort immer noch, aber ihre Großmutter, von allen
als „Fuchsin“ bezeichnet, ist vor einigen Jahren verstorben. Über deren Leben liegt
ein Geheimnis, das erst im Verlauf der Geschichte enthüllt wird.
Als Franka elf Jahre alt war, ist ihr Vater gestorben. Mit
ihm ist sie viel durch die Natur gestreift und hat ihm dabei geholfen, den
familieneigenen Weiher abzufischen. Sie hat gute Schulnoten, auf die ihr Vater
sicher stolz wäre, aber keine bemerkenswerten Freundschaften. Die Beziehung zu
ihrer Mutter ist kompliziert und viele Dinge zwischen ihnen bleiben
unausgesprochen. Als sie Leon kennenlernt, der eines Tages ins Dorf zieht,
erfährt sie zum echte Aufmerksamkeit. Während der Fußballweltmeisterschaft 2006
in Deutschland gerät ihre Beziehung in eine Krise. Sie findet Anschluss bei
Janna und Patrick. Die beiden sind der Ansicht, dass man eine Meinung nicht nur
in der Öffentlichkeit äußern, sondern auch aktionsmäßig durchsetzen sollte. Zum
ersten Mal fühlt Franka sich einer Gruppe zugehörig.
Bis zu ihrem Besuch des Prozesses hat sie über ihre
Vergangenheit geschwiegen. Innerlich hat sie sich von den früheren Geschehnissen
zwar distanziert, aber nicht im Einzelnen damit auseinandergesetzt. Nun aber drängen
die Erinnerungen an die Oberfläche und fordern sie heraus, sich den
Begebenheiten von damals zu stellen, denn sie will ihr jetziges Leben nicht
erneut hinter sich lassen. Es ist nicht immer leicht, den zeitlichen Sprüngen
zwischen den Abschnitten zu folgen. Ich hätte mir eine weitere Darstellung dazu
gewünscht, ob das Familiengeheimnis einen Bezug zur Entwicklung der extremen
Einstellungen von Franka als Jugendliche hat. Im Anhang finden sich ein Glossar
und Verweise zu den im Text verwendeten Begrifflichkeiten des rechten
Gedankenguts, die zur Verdeutlichung unumgänglich sind.
Annegret Liepolds zeigt mit ihrem Roman „Unter Grund“ ein
Beispiel dafür, welche Mechanismen eine Radikalisierung in kurzer Zeit
begünstigen können. Sie greift damit ein hochaktuelles und wichtiges Thema auf.
Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.
Samstag, 29. März 2025
Rezension: Stromlinien von Rebekka Frank
Autorin: Rebekka Frank
Hardcover: 512 Seiten
Erschienen am 26. März 2025
Verlag: FISCHER
Link zur Buchseite des Verlags
Die Teenager Enna und Jale sind Zwillinge und wohnen bei
ihrer Oma Ehmi in den Elbmarschen. Schon lange zählen sie die Tage herunter,
bis ihre Mutter aus dem Gefängnis entlassen wird. Warum sie dort seit mehr als
dreißig Jahren einsitzt, wissen die beiden nicht. Doch am Tag der Entlassung
kommt alles anders als gedacht: Jale ist verschwunden, und Enna erfährt, dass
ihre Mutter Alma schon seit zwei Wochen auf freiem Fuß ist. Gleichzeitig kommt
jemand uns Leben, weil sein Sportboot auf der Elbe sinkt. Die Identität des
Toten ist unklar, doch die Polizei scheint unerklärlicherweise eine Verbindung
zwischen den Ereignissen herstellen zu wollen. Enna beschließt, sich selbst auf
die Suche nach Jale, ihrer Mutter und der Wahrheit zu machen.
Gleich zu Beginn des Romans gibt es einen kurzen Einschub, in welchem eine
unbekannte Person in der Elbe ertrinkt und von ihrem Strom mitgerissen wird. Um
wen es sich handelt bleibt unklar. Da nach wenigen Seiten sowohl von Ennas
Zwillingsschwester als auch von ihrer Mutter jede Spur fehlt fragte ich mich beim
Lesen stets, ob eine der beiden die ertrunkene Person ist und jemand ganz
anderes. Auch sonst wird schnell klar, dass der Roman voller Geheimnisse ist.
Was ist Jale zugestoßen? Warum hat Alma bezüglich ihres Entlassungstermins
gelogen? Und wieso haben weder Alma noch Oma Ehmi je über den Grund für die
jahrzehntelange Haftstrafe geredet?
Die meisten Kapitel sind aus der Sicht von Enna erzählt, die abgesehen von der
engen Beziehung zu Jale keine tieferen Freundschaften pflegt und mit ihren
grünschwarzen Haaren, ihren Piercings und Tatoos ihrem Umfeld signalisiert, ihr
nicht zu nahe zu kommen. Doch unter der harten Schale steckt ein weicher Kern.
Sie ist mir als Protagonistin schnell sympathisch geworden und ich hoffte mit
ihr darauf, herauszufinden, was vor sich geht. Einzelne Kapitel aus der Sicht
anderer Personen, die häufig auch zu anderen Zeiten spielen, ließen mich die
Zusammenhänge allmählich besser verstehen.
Der Roman spielt zum größten Teil in den Elbmarschen. Der Autorin gelingt es
durch ihre atmosphärischen Beschreibungen, das Setting vor dem inneren Auge
lebendig werden zu lassen. Mit ihrem Boot ist Enna auf der Suche nach Jale oft
auf der Elbe unterwegs und streift durch die Landschaft. Auch die Geschichte
ihrer Mutter und weiterer Verwandter führt immer wieder aufs Wasser zurück. Ihr
Mitschüler Luca bietet Enna schließlich seine Unterstützung an, doch ist sein
Motiv dafür tatsächlich reine Hilfsbereitschaft, oder steckt mehr dahinter? Immer
wieder kommen überraschende Wahrheiten ans Licht und Geheimnisse werden
gelüftet. Gleichzeitig werden neue Fragen aufgeworfen. Es gibt in diesem Roman
viele dramatische und tragische Ereignisse, wobei es mir an einigen Stellen
etwas zu weit ging. Er hat jedoch auch leichte Momente und eine hoffnungsvolle
Note. Insgesamt ist „Stromlinien“ eine spannende Lektüre, die ich kaum aus der
Hand legen konnte und daher absolut weiterempfehlen kann!
Dienstag, 25. März 2025
Rezension: The Glass Girl von Kathleen Glasgow
Rezension von Ingrid Eßer
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In ihrem Roman „The Glass Girl“ erzählt die US-Amerikanerin
Kathleen Glasgow die berührende Geschichte der 15-jährigen Bella. Ihre Eltern
haben sich vor einiger Zeit getrennt. Damit ihre Mutter einem Job im HomeOffice
nachgehen kann, unterstützt sie sie im Haushalt und kümmert sich um ihre
siebenjährige Schwester Ricci. Ihr Vater hat eine Freundin und sie weiß noch
nicht recht, wie sie damit umgehen soll. Kürzlich hat sich ihr erster Freund
von ihr getrennt, weil sie ihm nach seiner Aussage „zu viel sei“. Am meisten
trifft sie jedoch der Tod ihrer Großmutter, die in ihren Armen gestorben ist.
Ihr Haus, dass nur wenige Meter von dem ihrer Mutter entfernt ist, wird für sie
zum Zufluchtsort. Hier findet sie nicht nur Abstand vom Stress, sondern bedient
sich bei Bedarf an den alkoholischen Vorräte ihrer Oma.
Mit großer Feinfühligkeit beschreibt die Autorin detailliert
den Weg von Bella, um ihre Sucht zu überwinden. In ihre Geschichte sind spürbar
eigene Erfahrungen eingeflossen. Am Beginn des Romans ist die Protagonistin
bereits so weit, dass sie sich nach einem Schluck Alkohol sehnt, der sie im
Umgang mit Freundinnen und Familie locker sein lässt. Obwohl ihr der Gedanke
nicht fremd ist, dass sie bei regelmäßigem Konsum zur Alkoholikerin werden
kann, beruhigt sie sich damit, dass das nicht passieren wird, weil doch viele
in ihrem Umfeld zu Bier, Wein und anderen Getränken mit noch höherem
Alkoholgehalt greifen. Außerdem denkt sie, dass ihr fester Wille ihr helfen
wird, jederzeit aufhören zu können.
Die Ereignisse spitzen sich zu, denn Kathleen Glasgow scheut
sich nicht, die hässlichen Seiten des Rausches schonungslos zu beschreiben. Es
ist nicht nur erschütternd, darüber zu lesen, wie Bella der Sucht verfällt,
sondern auch bewegend, wie sie versucht, mit professioneller Hilfe daraus
herauszufinden. Dabei lernt sie Jugendliche kennen, die wie sie süchtig nach
Alkohol sind oder nach Drogen, nach Ritzen oder einer Kombination daraus. Sie
teilen ihre Erfahrungen darüber, wie trickreich sie waren, um ihrer Sucht nachzukommen,
ohne entdeckt zu werden. Der Weg zur Heilung ist lang und erfordert Selbstdisziplin.
Der Roman „The Glass Girl“ ist anschaulich und eindrucksvoll beschrieben. Auch wenn die Autorin Kathleen Glasgow einige Konsequenzen der Sucht aufzeigt, die an die Belastungsschwelle des Lesenden gehen, so bleibt die Geschichte dennoch vorstellbar und authentisch. Ich empfehle das Buch an Jugendlichen ab 14 Jahren, damit sie ein Bewusstsein für die Gefahren von Alkoholmissbrauch entwickeln. Aber auch Erwachsene sollten den Roman lesen, um zu verstehen, welche Auswirkungen es haben kann, wenn sie jungen Menschen Alkohol anbieten. Beide Altersgruppe erhalten Ratschläge im Umgang mit Süchtigen und Abstinenzlern. Unbedingt lesen!