Samstag, 16. März 2024

Buddyread zum Roman "Hallo du Schöne" von Ann Napolitano - 3. Leseabschnitt

 


Buddy-Read von Ingrid (buchsichten) mit Patricia (Patno) (https://nichtohnebuch.blogspot.com)

Hanna und ich kennen Tanja und Patricia (kurz: Patno) vom Blog "Nicht ohne Buch" schon seit vielen Jahren und treffen bei buchigen Events immer wieder auf die beiden. Darum habe ich mich besonders gefreut, dass Patno sich gemeldet hat, als ich ein(e) Partner(in) zu einem Buddyread für das Buch "Hallo du Schöne" gesucht habe. Wir haben den Roman in drei Leseabschnitte eingeteilt.


3. Leseabschnitt: ab Seite 339 bis zum Schluss (506 gesamt)

Liebe Patno,

 

nachdem die Geschichte einige Zeit im Jahr 1984 verharrte, weil die Ereignisse den Schwestern und William in wesentlichem Maße zusetzten, eilen die Jahre zu Beginn des dritten Leseabschnitts nur so dahin. Der erste Satz des neuen Abschnitts traf mich als Leserin sofort ins Herz. Darin sagt Julia ihrer fünfjährigen Tochter, dass ihr Vater verstorben ist. In diesem Moment wurde mir Julia unsympathisch, was sich in der Folgezeit weiter verstärkte. Wie ist es dir dabei gegangen, als du gelesen hast, dass Julia für sich und ihre Tochter weiteren Kontakt zur Familie ablehnt? 

Liebe Ingrid,  

um ehrlich zu sein, mit Julia habe ich von Anfang an gehadert. Sie ist wie ein Schweizer Uhrwerk. Sie geht unbeirrt ihren Weg ohne Rücksicht auf Verluste. Julia hat beschlossen, den Kontakt zu ihrer Familie abzulehnen und dann gilt das eben auch für ihre Tochter. Ihre Härte und Unnachgiebigkeit kennen keine Grenzen. Auch wenn das bedeutet, den Vater ihrer Tochter für tot zu erklären. Aber da Alice ihrem Vater sehr ähnlich sieht, wird Julia jeden Tag an seine Existenz erinnert. Alice ist mir ans Harz gewachsen. Sie ist eine interessante Mischung aus Williams und Julias Charakter. Ihre Darstellung fand ich besonders gelungen. Wie ist es Dir mit Alice gegangen. Mochtest Du sie? 

 Ja, ich mochte sie und konnte ihre introvertierte Art gut nachvollziehen. Mit ihr kommt eine neue Sicht auf die Geschehnisse ins Spiel. Da sie wenig Emotionen nach außen zeigt und gern für sich bleibt, konnte ich auf diese Weise mehr über ihre Gefühle erfahren. Hätte die Autorin sie nicht in den Fokus gestellt, denke ich, wäre sie eine Randfigur geblieben. Ich finde die Perspektiven, auch von William, Julia und Sylvie, von Ann Napolitano geschickt gewählt, denn die großen Schicksale des Romans treffen vor allem diese vier und durch ihren Blick auf die Ereignisse war ich tief berührt. Hättest du dir noch die Sichtweise einer anderen Person gewünscht?

Ich fand es klasse, dass die Autorin Alice eine zentrale Rolle gegeben hat, denn die vier Schicksale sind nun einmal besonders eng miteinander verbunden. Mir persönlich haben die Informationen über die Randfiguren ausgereicht. Nein, ich hätte mir keine weitere Sichtweite gewünscht. Wie hast Du die tragische Wendung in der Geschichte empfunden? Damit hatte ich nicht gerechnet, aber es hat gut gepasst. Die Entwicklung von William fand ich auch gut dargestellt. Fandest Du William sympathisch? 

Die Wende hatte ich so nicht kommen sehen. Allerdings hatte ich mir schon gedacht, dass Julia und William keine ideale Ehe führen werden, dazu lag der von Julia gesetzte Maßstab zu hoch. William hat das Trauma seiner Kindheit nie überwunden, insofern habe ich sein Verhalten zwar nicht gutgeheißen, aber ihn dafür auch nicht verurteilt.

Ann Napolitano hat in ihrem Roman die verschiedensten Familienkonstruktionen eingebracht und auch die unterschiedlichen Erziehungsstile von Rose, Julia und Cecelia. Ich hätte nicht gedacht, dass Julia sich so verkrampft zeigt. Offensichtlich hat sie in New York für sich selbst Vergnügen gefunden. Patno, denkst du, dass sie sich dennoch einsam fühlte und darum ihre Tochter dauerhaft an sich binden wollte? Cecelias Art mit Izzy umzugehen, fand ich dagegen cool. Ungewöhnlich fand ich Emelines Wunsch nach Pflegekindern. Ich hätte viel zu sehr mein Herz an die Kleinen gegeben und sie vermutlich nicht mehr hergeben wollen. 

Julias Verhalten habe ich tatsächlich geahnt. Es hat zu ihrer Charakterdarstellung gepasst. Ich denke schon, dass der Ausweg nach New York gut in ihren Plan gepasst hat. Nach außen hin gibt sie sich stark und vergnügt, aber innerlich haben ihr die Schwestern bestimmt sehr gefehlt. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie einsam war. Mit Sicherheit hat ihr Silvie jeden Tag gefehlt. Da ist es nur logisch, sich an Alice als Rettungsanker zu klammern. Schon nach dem ersten Leseabschnitt war Cecelia mein Lieblingscharakter und das hat sich durch das Buch durchgezogen. Die Nummer mit Emelie und den Pflegekindern fand ich merkwürdig. Besser hätte ich es gefunden, wenn sie ein Kind zur Pflege genommen oder adoptiert hätten.  

Ann Napolitano erklärt in ihrer Danksagung mehr oder weniger, wie die Geschichte entstanden ist. Dennoch frage ich mich, welche ähnlichen Dramen sie selbst in ihrer Familie erlebt hat, um die Gefühle der Personen so nachvollziehbar wiedergeben zu können. Zum Schluss hätte ich gerne noch mehr über die nächsten Schritte von William und Alice erfahren, aber vielleicht gibt es irgendwann eine Fortsetzung. Für mich ist der Roman trotz ein paar kleiner Längen eine Leseempfehlung wert. 

Hat nicht jeder von uns sein Pölsterchen zu tragen? Ich denke, Ann Napolitano hat sich in ihre Figuren sehr intensiv hineinversetzt und sicher spielt da auch die eine oder andere persönliche Erfahrung eine Rolle. 
Für mich klingt der Roman in sich abgeschlossen. Ich glaube, es hat mir ausgereicht zu sehen, dass sich Vater und Tochter Stück für Stück annähern. Eine Fortsetzung kann ich mir nicht so richtig vorstellen. 
Was die Leseempfehlung betrifft, bin ich ganz Deiner Meinung. Ein toller Roman, der Denkanstöße bietet und den anspruchsvollen Leser sucht. 

Liebe Ingrid, nun sind wir am Ende unseres Buddyreads angekommen. Es hat Spaß gemacht, mich mit Dir gemeinsam zu lesen. Sollten wir bei Gelegenheit wiederholen.  

Liebe Patno, vielen Dank, dass du meine Lesepartnerin warst und mir mein erstes Buddyread ermöglicht hast. Es war eine interessante Erfahrung. Vielleicht finden wir uns wieder einmal zum Lesen und Austauschen zusammen.

 


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