Mittwoch, 13. März 2024

Rezension: Da waren Tage von Luna Ali

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Da waren Tage
Autorin: Luna Ali
Erscheinungsdatum: 13.03.2024
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783103975505

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Die Autorin Luna Ali schaut in ihrem Roman „Da waren Tage“ auf die politischen Entwicklungen ihres Geburtslands Syrien seit 2011. Ihr Protagonist Aras ist als Kind mit seiner Mutter und seiner Schwester Lamia aus Aleppo geflohen. Sein Vater ist aus politischen Gründen verschwunden. Nach dem Abitur beginnt Aras ein Jurastudium. Aber er beabsichtigt nicht, für Gerechtigkeit zu sorgen, sondern er möchte Gesetze bestmöglich in seinem und dem Sinne seiner Familie auslegen.

Am 15. März 2011, dem Beginn der Proteste gegen Syriens Machthaber, befindet sich Aras im ersten Semester. Ab diesem Zeitpunkt begleitet die Autorin ihren Protagonisten Jahr für Jahr an diesem Tag. Die Aufstände verfolgt er im Fernsehen, doch er fühlt sich ihnen nicht nahe. Seit über zehn Jahren wird er in Deutschland vom Äußeren her als fremd wahrgenommen, doch er hat die Sprache schnell gelernt, ist politisch aktiv und betätigt sich sportlich. In den Folgejahren begegnete ich als Leserin Aras beispielsweise wegen einer Verpflichtungserklärung bei der Ausländerbehörde, als Syro-Deutscher in einer Fernseh-Talkshow mit prominenten Gästen, als Praktikant bei der Botschaft Jordaniens und als Crewmitglied eines Rettungsschiffs.

Aras ist vom Leid Verwandter und Bekannter in Syrien betroffen, obwohl er fern der Aufstände ist. Luna Ali schildert seinen Alltag, der austauschbar ist und doch geprägt wird von dem Wissen um all jene, die Gewalt erleben und denen er sich menschlich nahe fühlt. Seine Feinfühligkeit geht soweit, dass er sich in seinen Träumen in bedrohlichen Situationen wiederfindet und diese Eingang in seine Realität halten. Durch Engagement versucht er mit seinen Mitteln den vom Konflikt in Syrien Betroffenen Hilfe zu bieten, wo immer er kann.

In den ersten Kapiteln wirkt die Sprache, die die Autorin nutzt, teilweise verdreht. Später las ich von der Bedeutung des Tauschs von Subjekt und Objekt im Satz, denn durch den Wechsel der Satzglieder wird es Aras möglich, anders zu denken und Ereignisse zu erfassen, die andernorts stattfinden. Auch auf andere Weise spielt Luna Ali mit Sprache und deren Darstellung. Zum Beispiel ist eines der Kapitel im Querformat gedruckt und handelt von einer verzweifelten Suche des Protagonisten nach einer geliebten Person. Dabei stehen Erzählung, Gedanken, belanglose Feststellungen und Listen gleichwertig versetzt nebeneinander und spiegeln den inneren Aufruhr von Aras wieder. Ein anderes Kapitel besteht aus der Rede des Protagonisten vor den Mitgliedern des Flüchtlingsrats. In einem letzten Kapitel springt die Autorin in eine unbekannte Zukunft, der sie sich philosophisch nähert.

In ihrem Debütroman „Da waren Tage“ beeindruckt Luna Ali mit einer vielschichtigen Ausgestaltung der Sprache, die sich mit der wechselnden Gefühlswelt des Protagonisten Aras ändert, der in Deutschland das Revolutionsgeschehen in seinem Geburtsland Syrien in den Medien verfolgt. Das Geschehen sieht er mit seinem juristischen Wissen nicht nur kritisch im Rahmen von Gesetzen, sondern lässt zunehmend die Schicksale der unter dem Konflikt Leidender an sich heran. Gerne empfehle ich das Buch weiter.


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